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Antisemitismus in der Sommerfrische

Aktualisiert: 19. Juli 2024

Im Salzkammergut gab es zur Jahrhundertwende bis 1938 jüdischen Tourismus. Ich finde interessant, was jüdische Zeitungen darüber berichten. Es gibt sehr viel Material, hier eine kleine Auswahl.






Aus dem Salzkammergute, 6. August.

Es giebt hier zu Lande, außer in Linz, wenig ansässige Juden.

Dagegen bringt der Sommer viele jüdische Gäste in die Berge, und Ischl gilt als eine Vorstadt von Wien.

Während des Sommers und der hohen Feiertage findet in Ischl jüdischer Gottesdienst statt. Juden, die streng nach dem Ritus leben, sind in Ischl und Aussee vortrefflich untergebracht.

Das Hotel Austria in Ischl, dessen Besitzer ein Glaubensgenosse namens Sonnenschein ist, ist ein Haus ersten Ranges und die vornehmsten Edelleute steigen dort ab.

Auch das Hotel Sonnenschein in Aussee ist vortrefflich eingerichtet.




Bekenntnisse einer schönen Seele

In der "deutschen Zeitung" schreibt ein Herr F. B. Gunther Reiseberichte aus dem Salzkammergute. Der edle Arier vergönnt sich auf seinen Kreuz und Querfahrten einen ganz eigenen Genuß. Er besteigt nicht die Alpenriesen, er bewundert nicht die Majestät der Gletscher, er erquickt sich nicht an dem saftigen Grün der Matten und dem tiefen Blau der herrlichen Seen - er sucht im Thal und auf den Höhen nur nach Juden und schimpft über sie wie ein Rohrspatz.

Im Angesichte des Dachstein-Gletschers, an dem wundervollen Alt-Ausseer-See saß er eines Tages mit zwei Gleichgesinnten und erwog in seiner treuen germanischen Brust die Frage, wie denn das Salzkammergut judenrein zu machen sei. Und ein zweiter des ehrsamen Kleeblattes gab darauf eine wahrhaft köstliche Antwort; eine antwort, die den Biedersinn, den Idealismus, die Selbstlosigkeit unserer wackeren arischen Älpler gar merkwürdig illustrirt. Die Judenreinheit, meinte der "Gleichgesinnte", sei nur dadurch zu erzielen, "daß man den Einwohnern von vornherein reichlichen und sicheren Ersatz für den Geldentgang (!) bieten könnte, den sie durch das Ausbleiben der Juden zu erleiden fürchten!"

Und weiters setzte er mit erbaulicher Naivität hinzu: "Mit politischer Aufklärung ist bei den Bauern des Salzkammergutes nichts auszurichten, zu oberst stehen ihnen der Profit!"

"Mit den Bauern", meinte er schließlich, "Ist darob nicht allzu scharf ins Gericht zu gehen, an den wohlhabenden Städtern wäre es, durch praktischen Antisemitismus eines der prächtigsten Flecken Deutschen Landes von fremden Schmarotzern zu säubern. Aber freilich-praktischer Antisemitismus! Aber ist der heute zu finden? Daß Gott erbarm!"

Wieder einmal behauptet die "Deutsche Zeitung" den Rekord des dümmsten Blattes von Wien.

Sie nennt die Juden "fremde Schmarotzer", obwohl der oberösterreichische Bauer durch ihr Ausbleiben den Entgang eines reichen Profits fürchtet.

Der Bauer ist nun freilich ein Simpel, aber auch bei den wohlhabenden Ariern aus der Stadt sieht es mit dem antisemitischen Opfermuth sehr windig aus. Wenn der Bauer auf den Profit schaut, so trägt dagegen der städtische Antisemit Bedenken, sich von seinen ländlichen Gesinnungsgenossen die Haut über die Ohren ziehen zu lassen. So dumm ist nur der "ausbeuterische" Jude, der sein gutes Geld zu seinen schlimmsten Feinden trägt.




Antisemitismus in Gmunden

Die gute katholische "Salzkammergutzeitung" schreibt unter dem Schlagwort:

Ein Präludium zur Schiller-Feier. "Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern" sagt der unsterbliche Schiller, dessen Todestag zu feiern der Gmundener Männergesangsverein die Anregung gegeben hat. Wie wenig aber der nämliche Verein den edlen Worten des größten deutschen Dichters aller Zeiten nachlebt, das beweist folgende Tatsache.

Herr Berthold Kormany, Kaufmann in Gmunden, gehörte durch volle 17 Jahre diesem Gesangsvereine als ausübendes, und man kann sagen, wirklich fleißiges Mitglied an, und nichts schien gegen diese Mitgliedschaft vorzuliegen. Doch halt, der Mann ist Jude, und dieser Geburtsfehler war diesen Gesangesbrüdern, deren Deutschtümmelei bereits in's Narrenhaus hineingewachsen zu sein scheint, ein Dorn im Auge.

Ja, es hieß, daß eine Anzahl anderer Herren (Beamte, Professoren u.s.w.) ihren Eintritt in den Verein von dem Umstande abhängig gemacht hatten, daß erst der Jude draußen sein müsse.

Und so begab sich denn kürzlich der Vorstand, Herr Lehrer Ernst Deutl, mit angestammter Würde persönlich zum Herrn Berthold Kormany und verkündete ihm den angeblichen mit großer Mehrheit gefaßten Vereinsbeschluß, daß nun seine Mitgliedschaft ein Ende habe, weil....nun, weil Herr Kormany eben Jude sei.

Das Herr Berthold Kormany dieser Botschaft sofort Folge leistete, ist begreiflich, er gab überdies noch den Herrn Vorstande eine schriftliche Erklärung mit auf den Weg, die aber wegen ihren etwas unbequemen Inhaltes nicht vor das Plenum gelangt sein soll.

So geschehen in der internationalen und interkonfessionellen Kurstadt Gmunden im Jahre 1905. Es nimmt uns nur Wunder, daß derselbe Männergesangverein nicht nur auch noch dekretiert, daß seinen Produktionenim Sommer und zu anderen Zeiten künftig keine Juden mehr beiwohnen dürfen und daß das Vereinsklavier, welches doch auch allerdings sehr kulanten Judenhänden stammt, überhaupt noch sein Dasein im Vereinslokale fristen darf.

Nach diesem Beispiele zu schließen, dürften sich dieBetgriffe "national" und "brutal" wenigstens in Gmunden so ziemlich decken.

Herr Berthold Kormany mag sich übrigens trösten: den hochverdienten Chormeister Herrn Dr. Karl Beisdorfer hat man zum Danke für die Liebe und Begeisterung, mit welcher er den Männergesangsverein durch mehr als 25 Jahre geleitet und gehoben, vor nicht gar langer Zeit genau so henkermäßig behandelt.

Das scheint bei diesen dankbaren deutschen Männern schon so der Brauch zu sein. Doch mag auch das gesellige Leben in Gmunden immer mehr und tiefer zerissen werden:

Lieb Vaterland magst ruhig sein,

Der G'sangsverein ist judenrein!




Frohlockend berichten antisemitische Blätter über eine judenreine Sommerfrische im schönen Land Oberösterreich.

Dieser Ort ist das am Dachstein herrlich gelegene Schladming, dessen wackerer Verschönerungsverein, an den alle Anfragen betreffs Sommerwohnungen zu richten sind, am 15. v. M. in der Vollversammlung den einhelligen Beschluß gefaßt hat, Juden keine Auskunft zu erteilen.



Mitterndorf in der Steiermark will "judenrein" sein.

Wien am 6. April 1913

An die löbliche Redaktion der "Österreichischen Wochenschrift" in Wien 2., Praterstraße 9.


Gestatten Sie mir zu Ihrer Notiz "Ein Gesetz gegen den Hotelantisemitismus" einige Bemerkungen hinzuzufügen:

"Judenreine Gaststätten" gibt es wohl überall; so bestand in Frankfurt a. M. ein Hotel, welches keine Juden aufnahm, und auch in anderen Städten Deutschlands gab es derartige Institutionen.

In Österreich war es vor allem Kitzbühel, daß sich die Juden vom Halse halten wollte, allein die ließen sich nicht verscheuchen und heute dürften die biederen Kitzbühler den "Kampf" wohl schon aufgegeben haben.

Weniger bekannt ist der Wunsch der Gemeinde Mitterndorf in Steiermark (nächst Aussee), judenrein zu bleiben. Der Prospekt der Sommerfrische Mitterndorf (Steirisches Salzkammergut) enthält die Bemerkung: "Juden nicht erwünscht!" Das soll unsere Glaubensgenossen hindern, in dieser Sommerfrische als unerwünschte Gäste zu erscheinen.

Hochachtungsvoll Dr. S. St.






Jüdische Presse 19. 8. 1921

Schächtverbot in Bad Aussee.

Wir erhalten die verblüffende Nachricht, daß der Bürgermeister von Aussee ein Schächtverbot erlassen hat.

Die Leitung der Aguda hat bereits bei der Bundesregierung die nötigen Schritte unternommen, um die Aufhebung des Schächtverbotes zu veranlassen.

Wir knüpfen an diesen seltsamen Einfall des ehrsamen Herrn Bürgermeister, der den Ruf des freien Deutschösterreich arg gefährdet, keine weiteren Bemerkungen und hoffen, daß der Zwischenfall bald erledigt sein wird.




In einigen österreichischen Kurorten und Sommerfrischen werden die jüdischen Kurgäste von den Deutschnationalen so stark belästigt, daß sich der christlich soziale Bürgermeister in Bad Aussee bemüßigt sah, eine Ermahnung gegen die „Belästigung israelitischer Kurgäste" anzuschlagen und mit schärfsten Strafmaßnahmen zu drohen.

Die Gastwirte werden aufgefordert solche Fälle unverzüglich dem Bürgermeisteramt zur Anzeige zubringen.




Meidet die Dachsteinhütten!

In der letzten Zeit wird wieder die Reklametrommel für das Dachsteingebiet sehr rührig geschlagen. In allen Tonarten werden die Schönheiten des Dachsteins gepriesen, um ja einen möglichst großen Zuzug von Touristen hinzubringen.

Trotzdem ist es dem jüdischen Touristen nicht zu raten, das Dachsteingebiet aufzusuchen.


Die berüchtigte Sektion „Austria" des deutschösterreichischen Alpenvereins, der seine Hauptaufgabe in antisemitischer Hetzpropaganda sieht, hat auf dem Dachstein fünf Hütten, derer Geschäftsgang sehr viel zu wünschen übrig läßt.


In diesen Hütten prangen die bekannten Zettel, "Juden sind hier nicht erwünscht."

Obzwar zur Errichtung dieser Hütten viel jüdisches Geld zusammengeschnorrt wurde.

Während der Kämpfe um den Arierparagraphen im Alpenverein waren die Hütten der Austria auf den Dachstein sehr stark besucht. Jetzt scheint dieser Berg allmählich bei den Hakenkreuzlern aus der Mode zu kommen. Nun sollen andere auf den Dachstein gelockt werden, damit die Austria-Hütten wieder ein Geschäft machen können.

Es wäre mit der jüdischen Würde unvereinbar, diese Hütten aufzusuchen.


In Oesterreich sind hinreichend schöne Berge vorhanden, die ausgesucht werden können. Das Eldorado der hakenkrenzlerischen Austria kann hübsch bei Seite gelassen werden. Schon jetzt hat die Austria schwer zu kämpfen, um ihre Hütten zuhalten. Es ist nicht notwendig, ihr den Kampf zuerleichtern.

Abgesehen davon gehören die Dachsteinhütten der Austria lange nicht zu den besten des Alpengebietes. Sie sind von der Sektion stark vernachlässigt, weil die entsprechenden Geldmittel fehlen.

Wenn schon jemand unbedingt den Dachstein aufsuchen will, so möge er sich gedulden, bis andere Vereine dort ihre Hütten errichten werden. Im übrigen kann auch jeder halbwegs geübte Tourist den Dachstein leicht in einem Tage nehmen.


Das Beste aber ist, die Herren der Sektion Austria mit ihren verschiedentlichen Hüttenwarten und ihren teueren Nächtigungsgebühren hübsch unter sich zu lassen. Es ist nicht notwendig, die Gastfreundschaft von Leuten in Anspruch zu nehmen, die wohl gerne jüdisches Geld haben möchten, andererseits aber ihrem Antisemitismus freien Lauf lassen.




Die Wahrheit 19. 4. 1929





Die Stimme 15.8. 1929

Briefe aus der Provinz.

Aus Ischl wird uns geschrieben: Am 5.d.M. veranstalteten die vereinigten Keren Kajemeth-Kommissionen Linz und Salzburg eine Vorführung des Filmes «Frühling in Palästina» in Bad Ischl, welcher dank der glänzenden Vorbereitung und Durchführung ein voller Erfolg beschieden war. Das Esplanaden-Kino war von einer wirklich andächtigen und schließlich begeisterten Zuschauermenge erfüllt.

Die einleitenden Worte sprach Dr. Fritz Löhner-Beda, der das Publikum durch seine herrliche Rede zu einem Beifallssturm hinriß.

Allen, die mitgewirkt haben, dieser Veranstaltung zu einem vollen Erfolg zu verhelfen, sei hier, der herzlichste Dank ausgesprochen.




Die Wahrheit 28.8.1931

Nur zu wahr.

In der Wochenschrift „Das Wort der Frau", dem gutgeleiteten Organe der „Oesterreichischen Frauen-Partei", finden wir einen „Brief aus Ischl" von Hilde Strauß-Gutmann, in dem die Verfasserin ihre Eindrücke aus dem lieblichen Kurort an der Traun wieder gibt.

Sie erzählt u.a. von einer Bekanntschaft mit einem amerikanischen Ehepaar, mit dem sie auf der Esplanade ins Gespräch kam.

Die Amerikaner äußerten die Absicht, nächstes Jahr wieder nach Europa zu kommen, aber nicht nach Wien, sondern nach Paris. Als Grund für diese Ablehnung Wiens gaben sie den Umstand an, daß sie es nicht ertragen können, in Wien soviel Armut zu sehen.

Frau Hilde Strauß-Gutmann klärte als „Vollblutösterreicherin" das amerikanische Ehepaar über die Situation Oesterreichs auf, das wohl „tief im Elend steckt, aber nicht auseigener Schuld".

Das Gespräch nahm nun eine Wendung, die vom jüdischen Standpunkt besonders interessant ist.

Der amerikanische Gatte motivierte nämlich seine Aversion gegen Oesterreich noch mit folgendem Grund: Ich bin Jude, mein Vater war Prager und ist nach Amerika ausgewandert, er hat es dort zu Wohlstand gebracht. Wir reisen aus alter Heimatliebe alljährlich nach Oesterreich. Aber nirgends in der Welt treibt der Antisemitismus solche Blüten—vielleicht noch in Deutschland, sehr zu Unrecht!

Warum sollen wir einer Nation helfen, die so engstirnig ist, die Hilfe beansprucht und dabei Angehörige einer anderen Nation so hart verfolgt und beleidigt!"

Leidenschaftlich wurden diese Worte hervorgestoßen. Und eine eiserne Hand preßt mir das Herz zusammen, daß es schmerzt, denn ich weiß: das alles ist wahr.





Die Stimme 12. 6. 1936

Arisch-durchscheinend

Der Höhenluftkurort Ramsau am Dachstein hat sich, dem Zug der Zeit folgend, vor einigen Jahren als arisch deklariert. Das hatte natürlich zur Folge, daß die Juden wegblieben. Die Hoffnung auf die „Arier“ wurde aber enttäuscht. Die kamen nicht. Und so beschloß der Fremdenverkehrs- und Verschönerungsverein Ramsau, sich wieder umzustellen. Für neue Prospekte war offenbar kein Geld da und so wurden Klebzettel verwendet, die auf den alten Drucksorten das Wort „arische“ unsichtbar machen.

Klebzettel haben aber das Mißliche, daß sie abfallen. Auf anderen DruckSorten wurde das stolze Wort schwarz überstrichen. Aber die Farbe hält nicht. Und so wird der arische Prospekt samt Korrektur an—Juden in Wien verteilt.

Die Wirkung kann man sich vorstellen...


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