Film: Der Obersteiger.
Aus dem Buch:
Ausgewählte Erzählungen und Gedichte
2. Band Wels 1956
Von Ludmilla Novak
Aus der Geschichte einer alten Hallstätter Gaststätte
Die Familie Seeauer
(Abgedruckt im „Heimatland“, Linz, 1931, gekürzt)
Wenn man im Sommer mit dem Dampfer von der Haltestelle Hallstatt in den Markt hinüberfährt, so landet man vor dem Hotel „Kainz“, das früher Seeauer hieß. Das Gebäude paßt gut in die Landschaft. Wenn man durch den Ort geht, wundert man sich, daß die Menschen diese verhältnismaßig vielen größeren und kleineren Häuser auf diesem kargen Fleck Land errichteten.
Hallstatt ist der Ort der Bescheidenheit. Verglichen mit anderen Riesenhotels ist das Hotel Kainz auch nur ein bescheidenes Haus – aber mehr kann eben nicht dastehen. Es ist nicht mehr Platz. Der im Jahre 1889 verstorbene Gastwirt Franz Karl Seeauer, der das Hotel ausbaute, mußte ohnedies genug überlegen und kämpfen, um nur diesen Platz zu erwerben.
Was war denn das Hotel vorher? Ein einfaches Salzfertigergasthaus! Das Heim einer jener bürgerlichen Salzfrächterfamilien, die vor Zeiten verpflichtet waren, auf ihren Salzschiffen Lebensmittel in das Salzkammergut einzuführen. Sie besaßen auch die Wirtsgerechtigkeit.
Der Großvater Franz Karls – längst vor dessen Geburt verstorben – war Herr Ignaz Stephan Seeauer, Salzfertiger und Marktrichter in Hallstatt. Er verfügte über Rechtskenntnisse und hatte die Würde eines Distriktskommissärs des Wildensteiner Bezirks inne. Dessen Vorfahre, Franz von Sales Seeauer, war in jungen Jahren, zu Napoleons Zeit, Landwehrkorporal. - Auch das Salzkammergut bekam die Not der Franzosenzeit zu Spüren.
Noch sind in dem Hotel Kainz die Räume erhalten, die der nun lange verschwundenen Salzfertigung dienten. Noch ist das ganze Bürgertum erhalten.
Da ist vor allem der an dem Berg angebaute alte zweistöckige Trakt, er reicht bis über die überwölbte Fahrstraße. An ihn schließt sich der geräumige Seetrakt an. Zuerst ein einstöckiges Gebäude, das bis zum Park reicht, daran das kleine „Kuefhaus“ oder Seestöckl, einst ebenerdig, das noch gewissermaßen im größen Neubau steckt.
Vom „Tremischen“ - dem Römischen her, ist das Anwesen Durchhaus. Oben an der Wölbung des Durchganges war früher eine Schlange aus Stuck angebracht. So hoch soll einmal das Wasser bei einer Überschwemmung gestanden sein. Aber das Schlangenbild wird wohl an ein Bauopfer erinnert haben, hat man doch in vergangenen Zeiten manchmal Tiere lebendig eingemauert, „auf daß das Haus fest stehe“.
Das Seeauergasthaus hieß einst „Zum eisernen Mann“, wohl zur Erinnerung daran, daß einstmals 1311 Königin Elisabeth sieben Salzfertigern Junkerrechte verliehen habe. Sie waren verpflichtet, geharnischt, mit einem Roß versehen, im Notfalle mit dem Pfleger einen Tag weit zu reiten.
Über dem Haustore steht die Jahreszahl 1659. Auf einem schmiedeeisernen Schild, der die Jahreszahl 1652 trägt, waren noch 1930 Hellebardenmänner zu sehen.
Es sei daran erinnert, daß der ganze Markt Hallstatt nach dem großem Brande im Jahre 1750 umgebaut wurde.
Im Erdgeschoß des Seetraktes ist ein langes, schönes, gewölbtes Gastlokal, das früher die „Kuefstuben“ war. Das Salz wurde seinerzeit nämlich in Kufen aus Holz verpackt und verfrachtet. Das frühere kleine Kuefhaus ist in dem Hotel aufgegangen.
Bei diesem kleinen Kuefhaus fing die Vergrößerung des Hotels an. Die geschäftstüchtige Mutter Franz Karl Seeauers ließ einen bescheidenen ersten Stock auf das Kuefhaus setzen und schuf damit „das Seestöckl“.
Die Frau Franz, eine Ischler Kaufmannstochter, eine geborene Buschiasis, hatte mit ihrem Vatergeld das Seeauerhaus gerettet. Nach der gänzlichen Löschung der alten Salzfertigerrechte, bzw. deren Einlösung durch den Staat, waren ja manche Familien dieses Standes verarmt.
Zum Seeauerhaus gehörte auch eine kleine Gastwirtschaft in der Lahn, das „Bachl“. Das soll auch bei anderen Salzfertigergasthöfen der Fall gewesen sein.
Schon Frau Franziska Seeauer erlebte das Aufblühen des Fremdenverkehrs im Salzkammergut. Die hohe Aristokratie des In- und Auslandes, reiche Wiener Geschäftsleute, Beamte und Maler wollten erleben, wie es dort aussah, wo das ewige Eis auf kahlem Felsen liegt. Schon im Jahre 1840 kam der Naturforscher Friedrich Simony als Gast. Er wohnte zuerst im Deublerschen Gasthause. Schon 1836 war Adalbert Stifter hier gewesen. Später kam auch der Berliner Dichter Wilhelm Raabe zu Besuch. Durch vorgeschichtliche Funde am Salzberg wurde Hallstatt weltberühmt. Durch den guten Geschäftsgang konnte Frau Franzl mit dem Ausbau des Seestöckls beginnen. Ihr Sohn Karl setzte das Werk fort.
Der junge Seeauer heiratete im Jahre 1851 wiederum eine tüchtige Frau, die mit ihm im Gasthof „Zum goldenen Löwen“ bei Mayreder in Linz gelern hatte. Beide waren damals 27 Jahre alt, mäßig, ernst und klug.
Anno 1851 wurde auf dem Gemüsegarten, der bis an den See ging, ein kleiner Salon gebaut. Die Gäste konnten nun unter Dach sitzten und die Landschaft bewundern. Im selben Jahre bekam Hallstatt ein Postamt. Postmeister wurde der Wirt Deubler.
Die Umwandlung des einstmals zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia wegen Ernährungsschwierigkeiten abgeschlossenen Salzkammergutes vollzog sich unaufhaltsam. Es wurde zu einem Gebiet des Fremdenverkehrs. Im Jahre 1856 wurde auf dem Seetrakt des alten Seeauerhauses der zweite Stock aufgesetzt.
Franz Karl Seeauer erwarb auch den sogenannten Keferstadel.
Diejenigen Hallstätter, die nicht im Bergwerk und in der Sudhütte unterkommen konnten, waren sehr arm. Viele fanden durch den Gastwirt Seeauer einen Verdienst. An einem bestimmten Tisch neben dem Tor des alten Hauses saßen immer dienstwillige Hallstätter. Da waren Ruderer für die Schiffe. Seeauer hatte deren mehrere für die Fremden. Es gab auch Führer für größere und kleinere Partien, Gepäckträger und Sesselträger für die Herrschaften.
Das Sesseltragen war eine anstrengende Arbeit. Ein festgearbeiteter Ledersessel war seitlich mit zwei festen Stangen versehen, hinten und vorne trug je ein Mann mit Achselbändern. So wurden vornehme Herren und Damen sitzend befördert. Vielleicht war dies ein Rest des Sänftentragens vergangener Zeiten. Es ist heute gänzlich verschwunden, doch dachte man in der Notzeit der Arbeitslosigkeit nach 1927 schon daran, das Sesseltragen für Kranke und Schwache wieder einzuführen. Im alten Seeauerhaus gab es eine ganze Kammer voller Sessel und Ruder. Franz Karl Seeauer war in seinem Geschäfte selbst unermüdlich tätig. Er zog selber den Wein ab – trank davon nie einen Tropfen zuviel – kümmerte sich um das Personal und empfing die Gäste. Seine Frau Konstanze schaffte von früh bis spät in der Küche.
Im Winter werden die Fremdenzimmer gesperrt und die meißten Angestellten entlassen. Dann kochte die Wirtin selber in der ehemaligen geräumigen Kuefstuben, die jetzt Sitzkeller hieß. Die Herren vom Berg oder vom Forstamte sowie einfachere Leute kamen als Gäste. Frau Konstanze schenkte bei aller Arbeit noch sechs gesunden Kindern das Leben.
Ende der Fünfzigerjahre des 19. Jahrhunderts kam das Deublersche Gasthaus zum verkaufe. Seeauer erwarb es. Es ist das heutige Badhaus Nr. 107 Dieses interessante Haus besteht eigentlich aus zwei Häusern. Es gehörte einst der Salzfertigerfamilie Eysl, später von Eiselsberg, aus der der berühmte Chirurg Anton von Eiselsberg stammt.
Durch den Kauf dieses Hauses wurde Seeauer auch Postmeister. Den Dienst versahen aber staatliche Angestellte.
Im Jahre 1859 war auch der Berliner Dichter Wilhelm Raabe Gast bei Seeauer. Er schrieb über seinen Hallstätter Aufenthalt die Erzählung „Keltische Knochen“.
Das Jahr 1859 ist auch ein Kriegsjahr gewesen. Männer aus dem Salzkammergute kämpften und fielen in Italien.
Mit der Zeit war der Fremdenverkehr derartig angewachsen, daß Seeauer zu wenig Ruderer für seine Schiffe auftreiben konnte. So entschloss er sich 1862 zum Bau eines Dampfschiffes. Dies war zuerst ein kleiner Raddampfer, der am Radkasten die Aufschrift „Hallstatt“ trug. Eine Zeit lang hatte Seeauer das Schiff in Kompagnie mit dem Besitzer der Gosaumühle, Herrn Johann Thalhammer, dann übernahm er es allein.
Dieses Dampfschiff wurde jeden Herbst vorsorglich an Land gezogen. Es sollte durch das Eis im Winter nicht beschädigt werden.
Anfangs vertraute Seeauer die Leitung seines Dampfschiffes ausgedienten Donaukapitänen an. Diese lernten dann Johann Klackl an, der mit seinen gesunden Hausverstand auch bald das Schiff meisterte.
Christian Urstöger wurde Heizer und Maschinist, der Sohn Klackls Kapitän am Wolfgangsee.
Der kleine Dampfer „Hallstatt“ wurde später in einen Schraubendampfer umgebaut.
Die Kriege von 1866 und 1864 brachten Menschenverluste. Doch waren sie gering gegenüber dem Unglück der beiden Weltkriege.
Zum Seeauerschen Besitz gehörte auch der Ecklingbühel, die schöne Bergwiese drübern See, wo später die Haltestelle der Eisenbahn und der Dampfschifflandeplatz entstanden.
Lange Zeit hatte Hallstatt keine Straßenverbindung. Der Saumweg und die Wasserstraße mußten genügen. Seeauer besaß zwar schon längere Zeit Pferde: Mit diesen Pferden aber mußte man bis in die Gosaumühle hinabgehen. Erst von dort aus konnten Wagen fahren. Seeauer hatte auch Maultiere, Muli genannt. Diese wurden als Reittiere für Ausflüge nach Waldbach-Strub verwendet. Im Winter mußten die Muli in der Gegend des Plassen, im sogenannten Dehn, Holz ziehen.
Alljährlich holten sich im Winter nach Neujahr die Goiserer und Gosauer das sogenannte „Gnadensalz“ oder „Muaß-Salz“. Die Goiserer fuhren dabei mit Ochsenschlitten, die „Gosinger“ hatten „Roß“. Sie züchteten von jeher auf ihren großen Almen Pferde. Wegen der engen Saumwege hatten sie ganz eigene, schmalspurige Fuhrwerke.
In den Jahren 1874 bis 1875 wurde die Straße Gosaumühle – Hallstatt erbaut. Jetzt konnten die Gäste noch leichter kommen. Die Seeauertöchter halfen fleißig im Geschäfte mit. Die Norddeutschen und Berliner wußten nicht, was „Nockerln“ sind verlangten dagegen oft eine „Kaltschale“. Bekannt waren die Engländer. Sie fuhren zum Erstaunen der Einheimischen auf Gondeln auch bei starkem Wind auf den See hinaus.
Der Dachsteinforscher Simony war oft Gast im Seeauerhaus. Als älterer Herr vekühlte er sich öfter am Eisfelde oben und kurierte sich im Gasthof Seeauer wieder aus. Er trank dann tagelang nur Tee.
Im Herbst 1875 wurde am jenseitigen Ufer des Sees die Rudolfsbahn trassiert, in den Jahren 1876 und 1877 die Eisenbahnlinie erbaut. Zwei Bauingenieure nahmen sich Seeauertöchter als Frauen. Unter den Bauarbeitern waren Italiener, die öfter abends am Marktplatze in ihrer Muttersprache sangen.
Im Jahre 1877 starb die Mutter Franz Karl Seeauers, Frau Franziska.
Franz Karl Seeauer kaufte auch den Gasthof „Zum grünen Baum“, der damals „Hotel Bellevue“ hieß. Er war ebenfalls aus einem alten Hallstätter Bürgerhause durch zu und Umbauten entstanden.
Anfang der Achtzigerjahre ging Seeauer der Ältere, unterstützt durch seinem Sohn Karl, daran, sein Haus zu erweitern. Er mußte dazu drei Nachbarhäuser gegen das „Römische“ erwerben: das Ecklhaus, das Haus des Dachsteinführers Wallner und das Zauner-Nora-Haus. Die Eckltochter gab ihr Haus nur wieder gegen ein Haus her. So mußte Seeauer sein altes, kleines Wirtshaus in der Ortschaft Lahn, „das Bachl“, für ein Markthaus vertauschen.
Den Bau des neuen Hotels plante ein Wiener Architekt Otto Hieser, der im Hallstätter Friedhof begraben liegt. Der Neubau ging von dem alten „Kuefhaus“ aus. Es ist das Hotel mit seinen Balkonen, wie es heute dasteht. Das Geschäft des Herrn Seeauer stand in höchster Blüte. Der erste Dampfer wurde nach der Kaisertochter auf „Valerie“ umgetauft. Ein zweiter größerer erhielt den Namen „Kronprinz Rudolf“.
Der Name Franz Karl Seeauer wurde weit und breit bekannt. Der Wirt wußte auch mit den höchsten Gästen umzugehen. Im Gasthof Seeauer fand auch die Verlobung des Kaisers Franz Josef statt.
Franz Karl Seeauer starb am 15. Juli 1889. Er wurde nur 63 Jahre alt und hatte sich in rastloser Arbeit aufgebraucht. Sein Epitaph am Friedhofe zu Hallstatt ist noch geziert mit dem alten Salzfertigerwappen: Ein Kamel das über Berge schreitet, der See und die Au mit einigen Bäumen, die „See-Au“.
Der Sohn Franz Karl Seeauers, Karl, heiratete Helene, die Tochter des Ischler Hoteliers Franz Koch, des Besitzers des Hotels Elisabeth in Ischl. Das Hallstätter Hotel gelangte dann in den Besitz der Familie Kainz. Karl Seeauer übernahm das Hotel der Schwiegereltern. Er starb als letzter Seeauer der Hallstätter Linie in Ischl am 31. Oktober 1925. Sein Hotel blieb in Besitz der Familie bis zum Jahre 1938.
Franz Karl Seeauer war manchen unheimlich geworden. Es hieß, er kaufe noch ganz Hallstatt zusammen.
In der Bürgermeisterwürde folgte in Hallstatt unter anderem sein Schwiegersohn Dr. Ludwig Nowak. Unter dessen Amtsperiode wurde die Seestraße Markt Hallstatt – Lahn in den Jahren 1890 bis 1891 erbaut. Nach diesem folgte Karl Seeauer. Unter seine Gemeinderegierung fällt die Eröffnung des Reitweges zum Dachsteineisfeld, die Gründung des Musealvereines, die Legung der Straße Lahn – Obertraun in den Jahren 1900 bis 1901.
Später aber übernahm er das Schwiegerväterliche Anwesen, das „Hotel Elisabeth“ in Bad Ischl, und das Hotel in Hallstatt wurde verkauft. Wir kennen das Hallstätter Gasthaus heute unter den Namen Hotel Kainz.
Aus der Familie Seeauer ging einstmals ein Grafengeschlecht hervor. Dies geschah durch Thomas Seeauer, der große Wasserverbauungen durchführte. Er machte die Flüsse Traun und Moldau schiffbar. Die Adelsverleihung erfolgte im Jahre 1636.
Heute gibt es keine adeligen Seeauer mehr.
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