Aus: In Hallstatt
Kleine Stimmungsbilder in Versen.
Von Alfred v. Wurmb. 1900
Die Ankunft.
Hallstatt! Hör' ich's schallend rufen,
Und das Dampfross schnaubend hält,
Hallstatt... wie das kleine Wörtchen
Tief mir in die Seele fällt!
Wieder liegt vor meinen Blicken
Ausgebreitet still der See,
Und die ersten Felsenhäupter
Grüßen nieder aus der Höh'.
Und da drüben, über'm Wasser,
Winkt das Örtchen, lieb und traut,
An des Berges schroffer Lehne
Wunderseltsam angebaut.
Drunten harrt der kleine Dampfer
Auf der spiegelglatten Flut,
Und ich eile rasch hinunter -
Wie so froh ist mir zu Muth!
Bald darauf die Wellen murmeln
Um den Bug des Schiffes leis',
Und mit wonnigem Entzücken
Halt ich Umschau rings im Kreis.
Wieder ist's das zaubervolle,
Unvergesslich schöne Bild,
Das dem trunk'nen Aug' sich bietet,
majestätisch groß und wild.
Tiefe Ruhe. Leise dunkelt's,
Nur der Felsen starrer Kranz
Duftumsponnen leuchtet röthlich
In der Abendsonne Glanz.
Da – ein greller Pfiff, das Dampfboot
legt am Landungsplatze bei,
Wie im Traum steig' ich ans Ufer
Fühle mich so wohl, so frei!
Hallstatt! Eine zweite Heimat
Warst du mir von Jugend an,
Sahst als Kind mich einst, als Jüngling,
Siehst mich nun als ernsten Mann.
Hallstatt, holde Alpenperle.
Sei gegrüßt vieltausendmal,
Lass bei dir mich froh vergessen
All des Lebens Sorgenqual!
Aus der Geschichte einer alten Hallstätter Gaststätte
Von Ludmilla Nowak.
Aus „Heimatland“, Linz, 1931, Nr. 26/27 der Beilage zur Welser Zeitung
Die Familie Seeauer.
Wenn man im Sommer mit dem Dampfer von der Haltestelle Hallstatt in den Markt hinüberfährt, so landet man vor dem Hotel „Kainz“, das früher Seeauer hieß.
Das Gebäude paßt gut in die Landschaft. Man ist ja überhaupt geneigt in Hallstatt alles passend zu finden. Denn wenn man durch den Ort geht, wundert man sich, daß die Menschen diese verhältnismaßig vielen größeren und kleineren Häuser auf diesen kargen Fleck Land zusammenbrachten und es scheint einem alles recht und gut und schön, was es auch ist.
Hallstatt ist der Ort der Bescheidenheit.
Verglichen mit anderen Riesenhotels ist das Hotel Kainz, vormals „Seeauer“, auch nur ein bescheidenes Haus – aber mehr kann eben nicht dastehen, denn es ist nicht mehr Platz!
Der Ausbauer dieses Hotels, der im Jahre 1889 verstorbene Gastwirt Franz Karl Seeauer, mußte ohnedies genug studieren und kämpfen, um nur diesen Platz zusammenzubringen!
Was war denn das Hotel zuerst? Ein einfaches Salzfertigergasthaus!
Das Heim einer jener bürgerlichen Salzverfrächterfamilien, die vor Zeiten verpflichtet waren, auf ihren leeren Salzschiffen Lebensmittel in das Salzkammergut einzuführen und auch die „Wirtsgerechtigkeit“ hatten.
Franz Karl Seeauer war der Sohn des Salzfertigers Franz Seeauer und der Franziska, geb. Buschiasis, der „Frau Franzel“, die als junge Wirtschafterin einst ins Bräuhaus nach Hallstatt gekommen war. Sie war die Tochter eines Ischler Geschäftsmannes.
Der Großvater Franz Karls – längst vor dessen Geburt verstorben – war Herr Ignaz Stephan Seeauer, Salzfertiger und Marktrichter in Hallstatt. Ein gestrenger und „g'studierter“ Herr, der über rechtswissenschaftliche Kenntnisse verfügte und auch die Würde eines ehemaligen Distriktskommissärs des Wildensteiner Bezirkes inne hatte. An dessen aufrechter Persönlichkeit haftete noch ein Abglanz der ehemaligen Salzfertigerherrlichkeit.
Franz von Sales Seeauer, der Sohn Ignaz Stephans und Vater Franz Karls, war in jungen Jahren Landwehrkorporal zu Napoleons Zeit, die auch das Salzkammergut zu fühlen bekam, später beeidigter Salzfertiger. Unter ihm wurden jedoch die alten Fertigerrechte immer mehr eingeschränkt und der einstmals so reiche Salzbürgerstand hatte schon schwer zu kämpfen.
Noch sind in dem Hotel Kainz die Räume erhalten, die der nun lange verschwundenen Salzfertigung dienten, noch ist überhaupt das ganze Bürgersheim erhalten.
Da ist vor allem der an dem Berg angebaute alte Trakt, der von jeher zweistöckig war; er reicht bis über die überwölbte Fahrstraße. An ihn schließt sich der geräumige Seetrakt, zuerst ein einstöckiges Gebäude, das an den Park vorreicht, und daran das kleine „Kuefhaus“oder Seestöckl, einst ebenerdig, das noch im großen Neubau sozusagen drinnensteckt.
Vom „Tremischen“ - Römischen her, ist das Anwesen Durchhaus. Oben an der Wölbung des Durchganges war früher das Abbild einer Schlange in Stuck angebracht.
So hoch sei einmal der See bei Hochwasser gewesen, daß hier nur mehr eine Schlange durchschlüpfen konnte, erzählte man.
Das kann nicht richtig sein. Das Schlangenbild war wohl das geheime Zeichen eines Bauopfers; eine Schlange dürfte in diesem Gebäude lebendig eingemauert worden sein, wie es im Mittelalter üblich war, „auf daß das Haus fest stehe.“
Bild von Carl Haunold
Das Seeauer Gasthaus hieß einst „Zum eisernen Mann“, noch eine Erinnerung an die Zeit, wo Königin Elisabeth anno 1311 sieben Salzfertiger die „Junkerrechte“ verliehen hatte und diese dafür verpflichtet waren, „geharnischt und mit einem Pferde versehen mit dem Pfleger im Notfall einen Tag weit zu reiten“.
Über dem Haustor zeigt sich die Jahreszahl 1659, auf dem schmiedeeisernen Schild, auf dem noch Hellebardemänner zu finden sind, 1652.
Im Erdgeschoß des Seetraktes ist ein langes, schönes Gewölbe, heute ein trauliches Gastlokal, das früher die „Kuefstuben“ war; dazu gehörte eben das „Kuefhaus“. In hölzernen „Kuefen“ wurde seinerzeit das Salz verpackt und verfrachtet. Auch dieses kleine Kuefhaus ist, wie schon erwähnt, heute noch in der Grundfeste da, aber man sieht es nicht mehr; es gab dem ganzen großen neuen Trakt die Richtung an und ist in ihm verschwunden, aufgegangen.
Bei diesem kleinen Kuefhaus fing ja überhaupt die vergrößerung des Hotels an. Hier setzte die geschäftstüchtige Mutter Franz Karl Seeauers, Frau Franziska, einen bescheidenen ersten Stock auf und schuf damit eigentlich „das Seestöckl“.
Die Frau Franzl mit ihrem Ischler Vatergeld hatte ja auch 1849 das Seeauer-Haus gerettet, als damals, nach gänzlicher Einlösung und Löschung der alten Salzfertigerrechte, manche Familien des einst so blühenden Standes in bedauerlicher Weise verarmten.
Wie zu allen Salzfertiger-Gasthäusern, gehörte auch zum Seeauer-Haus eine kleine Gastwirtschaft in der Lahn, das „Bachl“ (bei der Volksschule), das über dem Zauner-Bacherl steht und das meist Arbeiterfamilien in Pacht gegeben war. Arbeiter kehrten dort gerne zu.
Schon Frau Franziska Seeauer erlebte das Aufblühen des Fremdenverkehres im Salzkammergut.
Wer fand nicht aller den Weg hinein in die tiefen Täler der hohen Berge!
Die hohe Aristokratie des In- und Auslandes, feine reiche Wiener Geschäftsleute, Beamte und viele Maler. Alle wollten wissen, wie es dort aussah, wo die Berge so hoch und der Himmel darüber so klein war, wo das ewige Eis auf kahlem Felsen liegt.
Zeichnung von F. Simony.
1840 kam ein junger Naturforscher, Friedrich Simony. Er wohnte im Deubler'schen Gasthaus. Schon 1836 war Stifter dort gewesen und kam wieder. Später kam Wilhelm Raabe.
Durch die vorgeschichtlichen Funde am Salzberg wurde Hallstatt weltberühmt. Durch guten Geschäftsgang veranlaßt, begann Frau Franzl weiblich bescheiden mit dem Seeauerstöckl das Bauen und wies ihrem Sohn Franz Karl damit den rechten Weg.
Der junge Seeauer heiratete im Jahre 1851, wieder eine tüchtige Frau, die mit ihm im selben Wirtsgeschäft gelernt und gedient hatte, im Gasthof „Zum goldenen Löwen“ bei Mayreder in Linz. Beide Ehegatten waren damals 27 Jahre alt, zwei frische, arbeitswillige Menschen, der junge Wirt, die Mäßigkeit selbst, ernst und klug.
Anno 1851 wurde auch schon unter ihm auf dem Gemüsegarten, der bis an den See ging, ein für heutige Begriffe kleinwinziger „Salon“, gebaut. Da konnten nun die Gäste behaglich unter Dach sitzen und noch besser den herrlichen Anblick der Landschaft genießen. Der Gemüsegarten verschwand natürlich und machte einigen Bäumchen und Sträuchern Platz, dem Beginn eines Parkes. Im selben Jahr bekam Hallstatt auch ein Postamt. Postmeister wurde der Wirt Deubler.
Das alles waren nur Anfänge und doch glaubten die Leute, weiß Gott, was sie schon hätten!
Noch gab es kein Dampfschiff auf dem See.
Ruderschiffe genügten für den Verkehr.
Aber die Zeit schritt weiter. Die Umwandlung des einst zu Maria Theresias Zeit wegen der Ernährungsschwierigkeiten streng abgeschlossenen Salzkammergutes in eine Stätte regsten Fremdenverkehres vollzog sich unaufhaltsam. 1856 wurde auf den Seetrakt des alten Seeauer-Hauses der zweite Stock aufgesetzt. Das Dach trägt heute noch die schweizerartige, anheimelnde Holzzier, die ihm damals, im Geschmack jener Zeit, gegeben wurde.
1750 war Hallstatt durch einen größeren Brand verheert worden und manches erstand darauf in anderer Form. Neben dem Seeauerhaus war auch eine Brandstatt, der sogenannte „obere Garten“, der in die Mauerreste hineingelegt worden war, wie es auch anderswo geschehen ist. Er ging bis an die Straße vor. Ihm gegenüber war eine alte Kegelstatt vom Seeauerhaus und eine Scheune, die die Schweine des Keferbäck (heute Backhaus de Pretis) beherbergte. Dem Stadel gegenüber, durch einen Weg getrennt, lag das evangelische Bethaus und dahinter, dicht am See, der Kefergarten. Es führten da mehrere Brücklein über den Mühlbach.
Franz Karl Seeauer fand den Keferstadel nicht schön. Er kaufte ihn vom Besitzer und gab diesem dafür ein Stück vom oberen Garten.
Immer war Seeauer bestrebt zu verschönern und bedacht, den Einheimischen Arbeit zu verschaffen.
Diejenigen der Hallstätter, die nicht im Bergwerk und in der Sudhütte unterkommen konnten, waren sehr arm.
Wie viele fanden bei ihm ein Unterkommen, einen Verdienst, wenn auch nur den Sommer über! An einem bestimmten Tisch neben dem Tor des alten Hauses saßen Sommers immer dienstwillige Hallstätter. Da waren Ruderer für die Schiffe, deren Seeauer mehrer für die Fremden hatte, Führer für kleine und größere Partien, Gepäcksträger und Sesselträger für die Herrschaften.
Das Sesseltragen war eine starke Arbeit für die braven Leute. Ein fest gearbeiteter Lehnstuhl war seitlich mit zwei festen Stangen versehen, hinten und vorne trug mit Achselbändern je ein Mann und so wurden die Herren und Damen sitzend befördert. Vielleicht war diese Art der Beförderung noch ein Rest des Sänftentragens. Jetzt ist es gänzlich abgekommen, damals aber war es recht gebräuchlich und man schleppte die Fremden bis nach Waldbach-Strub. Die armen, genügsamen Hallstätter waren aber auch froh um diesen Verdienst. Ein ganzes Kammerl voll Ruder und Sesseln war im alten Seeauer-Haus.
Bei dieser Zeit der Arbeitslosigkeit ist übrigens schon der Gedanke aufgetaucht, ob man das Sesseltragen für Kranke und Schwache nicht wieder beleben könnte.
Verschiedene Tätigkeiten brachte der Fremdenverkehr.
Einer der armen Hallstätter machte im Seeauer-Gaststübel im Kuefhaus auch die Fidibusse, feine Holzspannln, die man damals zum anzünden der Pfeiffen an der Kerze verwendete.
Ein recht armer Hallstätter blies die Flöte und erfreute damit die fremden Herren und Damen.
Franz Karl Seeauer war ununterbrochen tätig in seinem Geschäft. Er selbst zog den Wein ab – trank dabei nie einen Tropfen zuviel – schaute dem Personal nach, empfing die Gäste. Seine Frau Konstanze schaffte von früh bis spät in der Küche.
Im Winter wurden die Fremdenzimmer gesperrt, die meisten Angestellten entlassen. Es mußte so sein. Dann kochte die Wirtin selbst in der ehemaligen, geräumigen Kuefstuben, die jetzt Sitzkeller hieß und die Herren vom Berg, von der Saline und vom Forstamt und auch einfache Leute kamen als Gäste. Frau Konstanze hat sich redlich geplagt und bei all der Arbeit noch sechs gesunden Kindern das Leben geschenkt.
Ender der Fünzigerjahre kam das Deubler'sche Gasthaus zum Verkauf, das jetzige Badhaus Nr. 107. Seeauer erstand es. Dieses interessante Haus besteht eigentlich aus zwei Häusern, dem am Baderplatz gelegenen mit dem schönen Johannes-Eck und dem gegen den See zu, das übrigens zweifellos nichts anderes ist als das eben immer vergrößerte Kuefhaus auch dieses alten Salzfertigeranwesens. Die beiden Gebäude zusammen waren – wie noch die Inschrift am Johannes-Eck bezeugt – einst im Besitz der Salzfertigerfamilie Eysl, später von Eislsberg, aus der auch der berühmte Chirurg Anton Eiselsberg stammt.
Foto Wikipedia: Anton Eiselsberg
Durch den Kauf dieses Hauses wurde Seeauer auch Postmeister. Den Dienst versahen aber staatliche Angestellte.
Im Jahre 1859 wurde die evangelische Kirche zu bauen begonnen. Man riß dabei einige Häuser nieder, auch das Bethaus. Den Grund, worauf es stand und den dahinter liegenden Kefergarten kaufte Seeauer, um bei seinem Anwesen einen Ziergarten anzulegen und überhaupt Raum zu gewinnen.
Foto Wikipedia, Wilhelm Raabe
Am 16. Juni 1859 war Wilhelm Raabe Gast beim Seeauer in Hallstatt. Er schrieb über diesen Aufenthalt seine Erzählung „Keltische Knochen“.
Dasselbe Jahr ist auch ein Kriegsjahr. In Italien kämpften auch Salzkammergütler. Jeder Krieg fordert seine Opfer, bringt seine Lasten.
Aber wie gnädig waren alle diese kleinen Feldzüge, verglichen mit dem großen Weltkrieg!
Ihre wirtschaftlichen Wunden heilten schnell.
Bild von Josef Püttner
Mit der Zeit war der Fremdenverkehr derartig angewachsen, daß Seeauer zu wenig Ruderer für seine Schiffe auftreiben konnte. So entschloss er sich 1862 zum Bau eines Dampfschiffes. Dies war zuerst ein kleiner Raddampfer, der am Radkasten die Aufschrift „Hallstatt“ trug. Eine Zeit lang hatte Seeauer das Schiff in Kompagnie mit dem Besitzer der Gosaumühle, Herrn Johann Thalhammer, dann übernahm er es allein.
Dieses Dampfschiff war natürlich ein Ereigniss.
Es wurde auch jeden Herbst vorsorglich geborgen; wohl damit es nicht durch Vereisung beschädigt würde. Da wurden bei der großen Zufuhr vor dem Gasthof Seeauer große Bäume ins Wasser gelegt, runde Hölzer noch darauf, sogenannte „Dralling“. Zwei Männer, Johann Klackl und Christian Urstöger, stiegen ins Wasser und brachten das Schiff schwimmend und watend ins rechte Gleis. Dann trat die arärische Winde, die man schon am Lande bereithielt und die von der Saline geliehen war in Tätigkeit und unter Rufen, Anstrengungen, Befehlen und stetem Nachhelfen der beiden Schwimmkünstler, beobachtet von einer Anzahl andächtiger Zuschauer, begann die Landfahrt des Schiffes. Diese alljährliche Bergung ihres Dampfers vor den Wintergefahren beweist, welch großer Schatz, welch Kostbarkeit dieses Seefahrzeug für die braven Hallstätter damals war!
Die wackeren Schwimmer und die anderen hilfsbereiten Männer wurden natürlich nach vollbrachter Tat von Seeauer in seinem Gasthaus mit warmen Tee erquickt.
Kapitän Klackl, Foto von Welterbemuseum Hallstatt
Anfangs vertraute Seeauer die Leitung seines Dampfschiffes ausgedienten Donaukapitänen an. Diese lernten dann Johann Klackl an, der mit gesundem Hausverstand rasch auffaßte und das kleine Schiff bald meisterte. So war ein einheimischer Kapitän ans Steuerrad gekommen. Christian Urstöger wurde Heizer und Maschinist; der Sohn Klackls Kapitän am Wolfgangsee. Der kleine Dampfer „Hallstatt“ wurde später in einen Schraubendampfer umgebaut.
Menschenverluste kamen zuerst und wirtschaftliche Lasten folgten. Und doch war alles nur eine kleine Prüfung im Vergleich zu dem Weltunglück das 1914 seinen Anfang nahm. Nach 1866 erholte sich alles wieder rasch.
Anfang der 70er Jahre zog die alte Ärztefamilie Löcker und mit ihr auch Dr. Atzinger von Hallstatt weg. Im Besitz dieser Familie war das Bräuhaus gewesen. Franz Karl Seeauer kaufte es, denn er hatte für sein Geschäft nichts besseres tun können. In dem Haus, dem einst seine Mutter diente, war er nun Herr.
Einem seiner Vorfahren verdankte das Bräuhaus sein Entstehen.
Auf Heinrich Seeauers Bitten verlieh Kaiser Maximilian I. Im Jahre 1504 dem Markte Hallstatt die „Braugerechtigkeit“. Das Brauhaus trägt heute noch die Jahreszahl 1596 über der Tür.
Zum Seeauerschen Besitz gehörte auch der Ecklingbühel, die schöne Bergwiese drübern See, wo später die Haltestelle der Eisenbahn und der Dampfschifflandeplatz entstanden.
Bis jetzt war es in Hallstatt ohne Straße gegangen. Saumwege und die Wasserstraße mußten genügen.
Seeauer hatte schon seit längerer Zeit Pferde gehabt. Der Stall war in dem an den Berg angebauten Teil des Hauses. Mit diesen Pferden aber mußte man immer bis in die Gosaumühle hinabgehen, dort erst war die Seeauerische Wagenhütte, denn bequeme Wägen wären für den schmalen Saumweg nach Hallstatt zu breit gewesen. Wollten Fremde von Hallstatt nach Ischl oder Gosau fahren, so brachte man sie zu Schiff nach Gosaumühle und von dort fuhren sie mit dem Wagen weiter.
Wie mühsam und umständlich!
Einmal ging der Seeauer-Pferdeknecht bei Nacht mit den Pferden nach Hallstatt herauf. Da tat eines einen Fehltritt und stürtzte vom Saumweg in die Tiefe. Zum Glück geschah dies nicht an steiler Stelle, sondern bei dem letzten kleinen Bauernhaus, beim sogenannten „Tuscher vorm Hundsort“. Der erschrockene Knecht ging bekümmert heim und er und andere suchten dann mit Laternen das Pferd. Es stand aber ganz ruhig und brav am Ufer bei einer Schiffhütte. Es war ihm nichts geschehen. Es war der „alte Fuchs“ gewesen. Seeauer hatte auch Maultiere, Muli genannt. Diese wurden als Reittiere für Ausflüge nach Waldbach-Strub verwendet. Im Winter mußten die Muli Holz ziehen, in der Plassen-Gegend, im sogenannten „Dehn“.
Von der jahrhundertelangen Geduld des Bergvolkes gibt auch folgendes Zeugnis: Alljährlich nach Neujahr im Winter holten sich die Goiserer und Gosauer nach uraltem Recht das „Gnadensalz“ oder „Muaß-Salz“. Die Goiserer fuhren dabei mit Ochsenschlitten, die „Gosinger“ hatten „Roß“. Sie züchteten von jeher auf ihren großen Almen Pferde und hatten ganz eigene, schmalspurige Fuhrwerke, weil die alten Saumwege oft so eng waren, daß sie grad nur durchschlüpfen konnten. Als der Gedanke einer Straße endlich auftauchte, setzten sich natürlich diese beiden Gemeinden dafür ein.
1874 bis 1875 wurde die Straße Gosaumühle – Hallstatt angelegt, erleichterte jeden Verkehr und Seeauer konnte nun auch mit seinen Zugtieren vom Ort wegfahren. Der „obere Garten“ mußte nun aber ganz den Stallungen und Wagenhütten weichen.
Jetzt konnten die Gäste noch leichter kommen. Sie kamen aus allen Weltgegenden.
Die nun schon erwachsenen, hübschen Seeauer-Töchter halfen bereits im Geschäft mit. Sie mußten manchmal heimlich lachen, wenn die Reichsdeutschen, besonders die Norddeutschen und Berliner, etwas mühsam den österreichischen Speisezettel studierten und noch nicht recht wußten, was Nockerl seien, dafür aber eine „Kaltschale“ verlangten, die man hinwiederum in Hallstatt zu dieser Zeit nicht kannte.
Beliebt waren die Engländer, die nicht lang um die Speisen fragten, sondern mit englischem Appetit sich alles gut schmecken ließen, gut zahlten und mit großem Mut und Geplätscher im See badeten, als Wassergewohntes Seevolk. Die Engländer fuhren auch bei ziemlich starken Wind auf Gondeln in den See hinaus, um den Wellenschlag zu genießen, den sie von ihrer Meerheimat her gewohnt waren. Diese gelinden Waghalsigkeiten lösten bei den jungen Hallstätterinnen natürlich Schrecken, aber auch Bewunderung aus.
Auch Professor Simony gehörte zu den Seeauer-Gästen. Er war nun schon ein älterer Herr, nicht mehr so wetterfest, wie in der Jugend. Er verkühlte sich oft bei seinen Studien am Eisfeld und erholte sich dann bei Seeauer wieder, wo er zuerst tagelang nur Tee trank. Forschungen forden Opfer. Er wohnte gerne auf Nr. 15 im 2. Stock.
Immer bekannter wurde das Haus Seeauer. Man sprach davon „bis nach Amerika hinüber“. Auch der reiche Amerikaner begann schon auf den Plan zu erscheinen.
Im Herbst 1875 wurde am jenseitigen Ufer des Sees die Rudolfsbahn trassiert. 1876 ging das Bauen an. Bauunternehmer, junge Ingenieure kamen nach Hallstatt. Zwei von ihnen holten sich Seeauer-Töchter zu Frauen. Unter den Bauarbeitern waren Italiener, die sich abens am Marktplatz von Hallstatt in Gruppen zusammenstellten und sehr hübsch in ihrer Muttersprache sangen. 1877 war der Bahnbau vollendet. Eine neue Zeit war gekommen, ein ganz neues Leben. Der Fremdenverkehr nahm natürlich noch zu.
1877 starb auch die Mutter Franz Karl Seeauers, Frau Franziska. Sie hinterließ ihr Ischler Spetzereiwarengeschäft ihrer Tochter Anna Fellerer, ihrem Sohn das Reiterndorfer Schlößl. Seeauer war somit nun auch Schloßbesitzer, freilich auch nur wieder hallstätterisch bescheiden im Salzkammergütlerischen Ausmaße.
Franz Karl Seeauer kaufte in dieser Zeit auch den Gasthof „Zum grünen Baum“, der damals „Hotel Bellevue“ hieß. Er war ebenfalls aus einem alten Hallstätter Bürgerhaus durch Zu und Umbauten unter den früheren Besitzern Fritscher und Frischmut zu einem großen Haus erweitert worden. In einem alten, sehr schönen Gewölbe ist heute noch die Küche dieses Hauses. Unter Seeauer dem Älteren und seinem Sohne Karl, den er in der Schweiz zum gebildeten Großgastwirt hatte erziehen lassen und der dem Vater im Geschäft tüchtig an die Hand ging, wurde es wieder „grüner Baum“ rückgetauft. Der französische Name Bellevue war für die Zungen der einfachen Hallstätter, die sich nichts dabei denken konnten, ohnedies nur sehr schwer auszusprechen.
Anfangs der Achtzigerjahre ging Seeauer der Ältere, unterstützt von dem klugen, jungen Karl daran, sein eigenes Haus zu erweitern. Er mußte dazu drei Nachbarhäuser gegen das „Römische“ zu erwerben: das Ecklhaus, das Haus des Dachsteinführers Wallner und das Zauner-Nora-Haus. Die Eckltochter ließ ihr Haus wieder nur um ein Haus. So mußte er sein ererbtes, kleines Wirtshaus in der Lahn, „das Bachl“, für ein Markthaus tauschen, das er ihr gab. Den Bau des neuen Traktes vom Seeauer-Haus erdachte ein Wiener Architekt, Otto Hieser, der am Hallstätter Friedhof begraben liegt. Der große Neubau ging von dem kleinen, alten „Kuefhaus“ aus. Bald erhob sich ein für Hallstatt weitläufiges Gebäude mit seinen Balkonen und einer großen, gedeckten Veranda zu ebener Erde. Der neue Trakt stand, wie er heute noch steht.
Das Seeauerische Geschäft war jetzt in höchster Blüte. Ein zweiter, größerer Dampfer gesellte sich zu dem ersten, der „Kronprinz Rudolf“ hieß; der kleinere war auf „Valerie“, nach der Kaisertochter, umbenannt worden. Wie viele feine, hohe Gäste brachten diese Fahrzeuge über den See, die dann speisend in der Veranda oder auf dem freien Platz davor saßen! Der Name Franz Karl Seeauer war weit und breit bekannt. Er selbst war ein idealer Wirt. Er hatte natürlich Anstand und gutes Benehmen und wußte auch mit Herzogen umzugehen. Er war beliebt, anerkannt, desgleichen seine Frau Konstanze mit ihrer Guten, feinen Küche.
„Es gibt nur ein Rom, ein Salzburg und ein Hallstatt!“
sagte ein feiner, alter Herr alljährlich zur würdigen Wirtin. In die Fremdenbücher schrieben sie sich mit manch begeistertem Wort ein.
„O wonnige Öde auf seliger Höhe!“
setzte eine Russin ihren Namen bei, als sie von einer Partie zum Eisfeld zurückkehrte. Worte, die nur der versteht, der den Zauber der Hochgebirgsnatur selbst gefühlt hat. Ein anderer Gast schwelgte: „Was ist Edelweiß?
Antwort: Des Hochgebirges Zaubertöne, der Alpen stolze Loreley“. Die Natur zog an und die gute Gastwirtschaft hielt fest. So wirkte Franz Karl Seeauer noch einige Jahre.
Dann heiratete sein Sohn Karl Helene, die Tochter des Ischler Hoteliers Franz Koch, des Besitzers des Hotels „Elisabeth“, in dessen Vorhalle heute noch die Riesenbüste der schönen Kaiserin steht. Die Tatkräftige Jugend wollte ihren Wirkungskreis. Das alte Seeauer Ehepaar übergab das Geschäft den natürlichen Nachfolgern. Franz Karl Seeauer konnte sich nicht lange der Ruhe freuen. Er starb am 15. Juli 1889, 65 Jahre alt. Er hattes, wie so mancher Geschäftsmann, aufgebraucht in rastlosem Schaffen. Sein Epitaph am Friedhofe zu Hallstatt ist noch geziert mit dem alten Salzfertigerwappen: Ein Kamel das über Berge schreitet, zum Zeichen des Salzhandels, der See und die Au mit einigen Bäumen, die „Seeau“. Die Inschrift verewigt ihn als „Realitätenbesitzer, Gründer der Dampfschiffahrt, k.k. Postmeister, langjähriger Bürgermeister, Ehrenbürger von Hallstatt...“
Nach seinem Tod bereits begann sein Besitz, der übrigens noch bescheiden bewertet wurde im Vergleich zum heutigen Maßstab, zu zerbröckeln bei der Erbteilung unter seine Kinder. Seine Frau Konstanze überlebte ihn 15 Jahre. Das alte Seeauer-Gasthaus blieb noch einige Zeit lang in der Familie.
Karl Seeauer, der Sohn Franz Karls, leitete es mit Umsicht und Geschick. Er war der moderne, feingebildete Wirt, wie ihn auch die heutige Zeit erfordert. Ihn zur Seite stand seine anmutige Frau Helene, klug und feingebildet.
In der Bürgermeisterwürde folgten Franz Karl Seeauer, unter anderen sein Schwiegersohn Dr. Ludwig Nowak, unter dessen Amtsausübung die Seestraße Markt – Lahn 1890 – 1891 gebaut wurde, nach diesem Karl Seeauer. Als geborener Hallstätter wirkte er wie sein Vater zum Wohl seines Heimatortes und darüber hinaus für das ganze Salzkammergut. Unter seine Gemeinderegierung fällt die Eröffnung des Reitweges zum Dachsteineisfeld, die Gründung des Musealvereines, die Legung der Straße Lahn – Obertraun in den Jahren 1900 bis 1901. In allem ging Karl Seeauer mit seiner Zeit, manchmal ihr vorraus. Er war ein würdiger Nachfolger seines bedeutenden Vaters. Er übernahm jedoch in späteren Jahren das größere Schwiegerväterliche Anwesen, das Hotel „Elisabeth“ in Bad Ischl. Das alte Seeauer-Gasthaus wurde verkauft und befindet sich heute unter der bewährten Leitung der Geschwister Kainz.
Erfinder des Abziehpickerls war Anton Schrödl, der Maler der Seestraße.
Karl Seeauer beherbergte in seinem Ischler Hotel viele hohe und höchste Gäste, gekrönte Häupter, Kaiser und Könige. Er erhielt viele wohlverdiente Orden und Titel, kaiserlicher Rat und Kommerzialrat. Er starb, tief betrauert von seiner Familie und den Bewohnern von Hallstatt und Ischl, am 31. Oktober 1925 als letzter Seeauer der Hallstätter Linie. Das weltbekannte Kurhotel „Elisabeth“ in Ischl ist Heute noch in den Händen seiner Witwe Frau Helene Seeauer, geb. Koch.
Aus dem Film: Der Obersteiger.
Kehren wir nochmals zurück zur Persönlichkeit Franz Karl Seeauers, des Sohnes der Frau Franziska.
Franz Karl Seeauer hatte in dem kleinen Hallstatt einen großen Besitz zusammengebracht: das aus dem Vaterhaus hervorgegangene Hotel Seeauer, der Gasthof „zum grünen Baum“, das Eisl-Haus (Badhaus), das Bräuhaus, der Ecklingbühel, die Hochwiese in der Hirschau, die Wiese beim Hirschbrunn (später Brants-Villa, heute gräfliche Villa „Almasy“), dazu die zwei Dampfschiffe, das Gut Reitendorf in Ischl, das alles gehörte ihm und von allem hatte er – wie so mancher reiche Mann – nur wenig!
Seeauer war manchen unheimlich geworden.
„Er kauft noch die ganze Hallstatt zusammen“, hieß es.
Man sagte der ganzen Familie den sogenannten „Seeauer-Stolz“ nach, an den Franz Karl so wenig dachte, denn er hätte gar keine Zeit dazu gehabt. Er war umneidet. Er kümmerte sich nicht darum und war und blieb ein Ehrenmann.
Er starb vor mehr als vierzig Jahren. Alles hat sich seither gewandelt. Aber sein Andenken soll für Hallstatt erhalten bleiben. Der Hauptschatz der armen Hallstatt liegt für immer im Salzberg und der Sudhütte; eine große Beihilfe aber für das von Natur aus arme Salzkammergut, ja für das ganze Kriegsverarmte Österreich, ist der Fremdenverkehr.
Die alten Salzkammergutwirte waren die Vorarbeiter der heutigen und Franz Karl Seeauer leistete mit den Koch und Sarsteiner in Ischl, Frischmut, Schraml, Lex in Aussee und vielen anderen, die hier alle gar nicht aufgezählt werden können, in dieser Weise das Seine.
Aus der Familie Seeauer ging einst ein Grafengeschlecht hervorgegangen, das durch Thomas Seeauer, der große Wasserverbauungen ins Werk setzte und dadurch 1636 in den Adelstand erhoben wurde, vom bürgerlichen Stamm abzweigte. Die Sage aber berichtet, daß der erste Seeauer vor Zeiten, vielleicht noch vor der Zeit der Königin Elisabeth, um 1308, ein ganz armer Mensch gewesen sein soll, der im Bergwerk oder im Sudpfanne mit eigenen Händen arbeitete...
Aus: In Hallstatt
Kleine Stimmungsbilder in Versen.
Von Alfred v. Wurmb. 1900
Die Abreise.
Abschiedsstunde! Wie so schmerzlich
Klingt das Wort und, wehmuthsvoll,
Mag es glauben kaum, dass wieder
In die weite Welt ich soll!
Immer noch hängt rings der Himmel
Wolkentrüb und regenschwer -
Wieder steh ich am Verdecke,
Schau im weiten Kreis umher.
Scheidend grüß ich euch, ihr Berge
Stolz und kühn! Zum letztenmal
Seh ich aus der Ferne winken
Dort mein liebstes Echernthal.
Und des Ortes kleine Häuser
Sanft verschwimmen immer mehr...
Dämmernd liegt der See, es flüstern
Seine Wellen um mich her...
Abschiedsstunde! Schweigend harre
Ich des Zug's gedankenvoll,
Der zurück mich aus dem Eden
Großstadtwärts entführen soll.
Und ich seh' ihn träge nahen
Durch den grauen Nebelduft,
Und sein Poltern und sein Zischen
Dröhnt erschütternd durch die Luft.
Hallstatt! hör ich's wieder schallen
Doch wie anders tönet mir
Jener Ruf heut' in die Seele,
Nun ich scheiden muss von hier!
Noch ein Blick... ein allerletzter!
Seltsam weh' ist mir's im Sinn -
Und durchs Koppenthal enteilend
Donnernd braust der Zug dahin.
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