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"Das Häärmoos-Schwod-Liad".

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner



"Das Häärmoos-Schwod-Liad". Die Entstehung eines Volksliedes,

von Karl Kronfuß, aus "Das Deutschem Volkslied" 1905

Bei verschiedenen lustigen Anlässen, Zusammenkünften im Wirtshaus, Tanz und dgl., hatte ich während meines Aufenthaltes in der Obertraun bemerkt, daß die Burschen ein Lied drei- oder vierstimmig sangen, das mit seinem schwermütigen Klange schlecht zu der heiteren Stimmung zu passen schien. Dieses Lied hat das in der jüngsten Zeit erfolgte geheimnisvolle Ende eines „Schützen" d. i. Wildschützen aus Goisern zum Gegenstande. Es wird jetzt gern in der Obertraun, in der Gosau, in der Hallstatt und in Goisern gesungen.

Johann Kirchschläger war der Sohn der „Häärmoos-Rosl" und des „Schmod'n-Sepp", daher „Häärmoos-Schwod" oder auch kurzweg „Der Schwod" genannt. Ein leidenschaftlicher „Schütz", wurde er, wie dies ja öfters geschieht, vom Jagdherrn zum Jäger bestellt. Der „Schwod" hatte aber damit wenig Glück; er verstand es nicht, sich bei seinen Vorgesetzten in Gunst zu setzen, auch soll er, wie der Volksmund erzählt, verleumdet worden sein. Er verlor bald seinen Dienst.

Mit alter Leidenschaft ergab er sich seinem früheren gefährlichen Tun und wurde wieder Wildschütze.

Als er einmal ausgezogen war, um mit einem Kameraden in den Felsen- und Almenreichen Bergen zwischen dem Hallstätter-See und dem Gosautale dem verbotenen Waidwerk nachzugehen, es war dies im Frühjahr 1902, kehrte er nicht mehr zurück.

­ Sein Begleiter, der ohne ihn heimgekommen war, konnte nur aussagen, daß sie sich bald getrennt hätten und er seither vom „Schwod" nichts wisse. Eifrig und mühevoll wurde von Freunden und Verwandten das große Gebiet nach dem vermißten abgesucht, aber vergeblich. ­ Erst ein Jahr später, im Mai 1903, fand man in einer Schlucht des Hoch-Plassen (Hallstätter-Salzberg), auf der Gosauer Seite, die Gebeine Kirchschlägers. Uhr und Geldbetrag waren verschwunden, die schöne Büchse zerstört, die Eisenteile abgenommen. Der Unglückliche, der in der ganzen Gegend sehr beliebt gewesen war, hatte ein Alter von 28 Jahren erreicht. Der Begleiter, des Mordes verdächtigt, war geständig, bei diesem Auszüge eine Gemse geschossen zu haben, mußte aber von der Bluttat an seinem Genossen freigesprochen werden.

Heute noch soll er bitterlich weinen, wenn er an den Vorfall erinnert wird. Die Anteilnahme an dem Schicksal des verunglückten oder getöteten Johann Kirchschläger war in der ganzen Gegend um den Hallstätter-See herum, wo die Jagdleidenschaft den Einheimischen angeboren ist und der Wilddiebstahl nicht als entehrend angesehen wird, eine lebhafte. ­Man erwartete sicher, daß das Geheimnis, welches über dem Unglücke schwebt, bald offenbar werde. Bis heute ist jedoch diese Erwartung unerfüllt geblieben. Das Interesse an dem traurigen Ereignis rang nach Ausdruck. Johann Roth, Bahnwächter ­in Gosaumühl, und Josef Schattauer, Kalkbrenner in Obersee am Hallstätter-See, „machten" das Lied, welches unter dem Namen „Häärmoos-Schwod-Liad" bekannt ist.

Es kann als Schulbeispiel für die Entstehung eines Volksliedes aus Anlaß eines bestimmten Ereignisses angeführt werden. Ich habe es in der Obertraun wiederholt singen gehört von den Burschen: Dasch-Hans, Kaiser-Poldl, Elmer-Hias und Gregern-Weß nach der folgenden Weise mit dem Kehrreim: „O du mein schönes Gamsgebirg, mein Heimatland, lebe wohl!





1. Ich ging am frühen Morgen

Hinaus ins Gamsgebirg,

Mein Herz war voller Freude,

Mein Stutzerl voll Begier.

Kehrreim: O' du mein schönes Gamsgebirg,

Mein Heimatland, lebe wohll


2. Ich wollt a Gamserl schiaßen

Durt drob'n bon greanen Sproß,

Und eh der Tag sich neigte,

war ich bereits schon tot.

O du mein ....


3. Ich kann euch's nit mehr sagen,

wie es mir gangen war,

Doch stillet eure Klagen,

Bald wird es offenbar.

4. Da lieg ich hier im Grase

Und bin der Vögel Speis',

Doch suchet meine Beine,

Dann sei euch Lob und Preis.

5. Und wenn ihr mich einst findet

Bei dieser Felsenschlucht,

So bringet meine Beine

In die geweihte Gruft.


6. Habt Dank, ihr lieben Freunde,

Daß ihr mich treu gesucht,

Empfehlet meine Seele

Heut noch dem lieben Gott.

7. Und euch, ihr lieben Eltern,

Euch sag ich Lebewohl;

Muß jetzt indessen lernen,

wie man hier leben soll.


8. Und o ihr lieben Kameraden,

Auch euch gilt dieses Wort,

Habt auch so manche Freude,

So denkt an meinen Tod.


9. Und einst an jenem Tage

wird alles neu erblühn,

wird auch mein Körper grünen

In jugendfrischem Blühn.


10. Dann will ich euch empfangen

Und an mein Herze ziehn,

will niemals euch betrüben,

weil wir im Himmel sind.

O du mein schönes Gamsgebirg,

Mein Heimatland, lebe wohll


Das Lied läßt den Verunglückten selbst, gleichsam als einen Geist ans dem Jenseits, in dem gezwungenen Hochdeutsch reden, welches unsere Landsleute im Verkehre mit dem Lehrer oder Pfarrer einzuhalten sich bemühen. Der Abgeschiedene befaßt sich aber nicht mit der Erklärung ­seines Todes, sondern spricht nur die Hoffnung aus, daß diese bald erfolgen werde. Nirgends anklagend oder verdächtigend, sagt er Eltern und Kameraden Lebewohl und fleht, seine Gebeine zu suchen und in geweihter Erde zu bestatten. Rührend ist die Bitte, seiner auch bei freudigen Anlässen nicht zu vergessen. Sie wird, wie ich Eingangs erwähnte, auch redlich erfüllt. Der versöhnende Schluß weist auf das Wiedersehen im Jenseits hin.


Bei aller Unbeholfenheit im Ausdruck und einzelnen Trivialitäten ist der Eindruck, den man beim Anhören des meist vierstimmig gesungenen Liedes erhält, ein ergreifender. Man fühlt, wie diesen einfachen Menschen die Liebe zu ihrem rauhen Felsgebirge, dem sie mit harter Mühe ein karges Dasein abtrotzen, und der verbotenen, daher doppelt gefährlichen Gamspirsch ebenso im Blute liegt, wie das fromme Vertrauen auf das Wiedersehen im Himmel. Sympathisch berührt auch die Treue, mit welcher das Andenken des geschiedenen Kameraden bewahrt wird.


Die Behauptung, daß in der Gegenwart überhaupt keine Volkslieder mehr entstehen, ist entschieden unrichtig. Sie entstehen noch immer dort, wo die Bewohner die Einfachheit und Ursprünglichkeit der Sitte, die Heiterkeit und Naivität des Gemütes, endlich die Selbst Selbstgenügsamkeit und Zufriedenheit mit ihrem Lose sich bewahrt haben. Und es gibt, gottlob! noch solcheOrte, besonders in unseren deutschen Alpenländern.

Nicht lange wird es dauern, so wird man die Verfasser des Häärmoos-Schwod-Liedes gänzlich ­vergessen haben; konnte ich ja nur mit besonderer Mühe dieselben ausfindig machen, da man sich heute schon wenig um die Urheber dieses Liedes kümmert, wie bei allem, was im Volke gesungen und gesagt wird. Nach einer Generation wird das Lied, zersungen und verändert, wahrscheinlich auch verbessert, nur mehr von dem Ende des „Schützen" in seiner Jugendkraft und kühnen Jägerfreude mitten im geliebten „Gamsgebirg" melden, der Vorfall selbst, der zur Entstehung des Liedes den Anstoß gab, mit seinen Einzelheiten wird der Vergessenheit anheim gefallen sein, doch es wird wieder ein ganz eigenartiges Wildschützen-Volkslied mehr geben.



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