top of page
Suche

Der Arbeiterverein und die Aufhebung der Proviantbezüge.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Die ersten Zeitungsberichte über den Arbeiterverein.






Fr. Simony 1867 in der "Österreichischen Revue"


Eine wichtige, in ihren Wirkungen auf die Lebensverhältnisse der Arbeiter und ihrer Angehörigen zweifellos wohlthätige Einrichtung ist der Proviantbezug, durch welchen jeder stabile Arbeiter für seine Person Korn und Schmalz, für Weib und Kinder das erstere allein (als sogenanntes Familienkorn) nach einem fixen Minimalpreise (den Metzen Korn zu 94 kr., das Pfund Schmalz zu 17 1/2 kr.) in einer mit den Classen abstufenden Menge zugetheilt erhält. So kommen beispielsweise dem Bergarbeiter erster und zweiter Classe 8 Metzen Korn und 48 Pfund Schmalz zu, während auf den Arbeiter vierter Classe nur 6 Metzen Korn und 36 Pfund Schmalz entfallen.


Das Familienkorn ist für alle Classen gleich, und zwar mit 5 Metzen für das Weib, 2 1/2 Metzen für jedes Kind bis zum zwölften, beziehungsweise vierzehnten Lebensjahre, bemessen.

Eine weitere Begünstigung für den Arbeiter in Bezug auf die „Fassung" ist der vollständige Wegfall des für die letztere stattfindenden wöchentlichen Lohnabzuges, sobald der Preis des Kornes eine bestimmte Höhe (wenn wir recht berichtet sind — 4 fl. 50 kr.) überschreitet.


Die Einrichtung des Proviantbezuges hat für die Betheiligten nicht nur ihren materiellen Werth in einer Gegend, deren Boden den Nahrungsbedarf der Bevölkerung nur zum kleinsten Theile zu decken vermag und wo daher auch eine Verteuerung der Lebensmittel sich für jeden doppelt fühlbar macht, der einzig und allein auf einen fixen Gelderwerb angewiesen ist; sie übt auch eine moralische Wirkung auf den Arbeiterstand insofern aus, als sie einer leichtfertigen Vergeudung des Arbeitslohnes Schranken setzt und die Familie wenigstens theilweise vor den Folgen derselben schützt.


Simony weiter hinten, in diesem Text:

So dürfte allmählich auch für unsere Salinenarbeiter die Zeit gekommen sein, wo der ursprüngliche Gedanke der Bruderladen auf einer breiteren Basis fortgebaut wird, und durch Schaffung neuer, außerhalb des Salinendienstes liegender Erwerbszweige einerseits, durch zweckmäßig organisirte Cousumvereine andererseits die patriarchalische Einrichtung der Proviantbezüge für die Zukunft entbehrlich gemacht werden kann.




 



Verhandlungen des Reichsraths. Abgeordnetenhaus. (89. Sitzung) Wien, 1. April, 7.30 Uhr Abends. Der Arbeiterverein in Haltstadt petitionirt um Abhilfe des Nothstandes unter den Arbeitern der Saline Hallstadt.



Der Reichsrath. Wien 22. Juni

Nächster Referent Abg. Dr. Stieger referiert über die Petition des Arbeiterverein zu Hallstatt in Oberösterreich um Abhife gegen die unter der Arbeiter-Bevölkerung der Saline Hallstatt herschende Noth, Lohnaufbesserung und Einrechnung der Militärdienstzeit in die arärische Arbeiterdienstzeit.

(Wird vom Finanzministerium zur Würdigung auf das wärmste empfohlen.)





Anzeige des Konsumvereines in der Presse vom 15. September 1868




Hallstatt. *). Hier soll eine große Aufzugmaschine, ein sog. „Bremsberg“ gebaut werden, welcher die Bestimmung hätte, das Steinsalz von der Höhe des Salzbergs zu den Magazinen im Markte herabzufördern. Bisher verrichteten dieses Geschäft die Weiber der Arbeiter, und verdienten dabei per Centner 21 kr.– Sehr wenig für eine Stunde solchen Weges!



Hallstadt. Hier hat sich schon seit einiger Zeit ein Arbeiterbildungs-Verein zusammengefunden, welcher in vergangener Woche seinen Obmann Anton Kogler nach Linz zum Abgeordneten Mayer, (Schiffbauer) absandte, um sich mit demselben über die Arbeiterfrage zu besprechen.

Anton Kogler soll mit der Devise zurückgekommen sein: „Freie Arbeit, freies Gedinge, alles frei, keine Bevormundung durch Aufdrängen des Proviants.“

Die Obmänner von Ischl und Ebensee sollen ebenfalls zu diesem Zwecke in Linz anwesend gewesen sein.– Die Hallstädter verlangen dringend einen Aushilfspriester.



Der Arbeiterverein in Hallstatt und die Aufhebung des „Proviant.“

(Vom Hörlatz.)

I.


Unterm 5. Juni in Nr. 126 Ihres sehr geschätzten Blattes, Herr Redacteur! bringt ein Correspondent aus Hallstatt die Nachricht, daß der Arbeiterverein daselbst die Aufhebung des Proviants, d. i. der Abgabe von Korn und Schmalz an die ärarischen Arbeiter aus dem Amtsvorrathe der k. k. Salinenverwaltung anstrebe, um, wie es da heißt, auch hierin die Bevormundung abzuschütteln.

Erlauben, Herr Redacteur! daß ein Mann, der nahezu 30 Jahre unter dem Volke in seinem Berufe arbeitet, und sohin die Zustände und Bedürfnisse desselben aus so langjähriger Erfahrung durch und durch kennt, und gewiß auch von wahrer Liebe, namentlich für Hallstatts Bevölkerung durchdrungen ist, über obiges Vorhaben des Arbeitervereines seine unparteiische und wohlwollende Meinung in Ihrem bewährten Blatte, welches so eifrig und erfolgreich für das wahre Volkswohl wirkt, aussprechen darf.


Also der Arbeiterverein will keine Bevormundung mehr durch Aufdrängen des Proviant!–

Er weiß wahrlich nicht, was er hiemit begehrt! Er schneidet sich und dem ganzen Arbeiterstande den Lebensnerv ab!

Fragen wir vorerst, im Falle das Proviant aufgehoben würde, wie viel Lohn für einen ärarischen Arbeiter ausfallen dürfte? Da es verschiedene Klassen und Abstufungen unter den Arbeitern gibt, so würde sich auch der Tageslohn diesen gemäß verschieden gestalten, und zwar von 50 Kreuzern bis höchstens zu 1 Gulden aufsteigen. Hievon müßten, um alle Lebensbedürfnisse: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Holz, Licht c. für die ganze Familie, die oft aus 6 und auch 8 Köpfen besteht, die Curkösten, Steuern u. s. w. bestritten werden. Da in Hallstatt, mit Ausnahme von Lahn und Obertraun kein Grundbesitz vorhanden ist, so müssen alle Lebensmittel in dem 11 Stunden weit entfernten Gmunden angekauft und unter kostspieligen Transportkosten zugeführt werden, was eben zur Folge hat, daß in Hallstatt beinahe um's Drittel theurer zu leben ist, als anderswo, was die Handwerker und besonders jene Arbeiter, welche nicht im Genuße des Proviant stehen, und selbst die Herren Beamten und Geistlichen mit ihren kleinen fixen Besoldungen schmerzlich empfinden, während der stabile Arbeiter mit seinem Korn und Schmalz, das er um einen mäßigen Limitopreis bezieht, wenig davon berührt wird; ja in Zeiten großer Theurung, wie sie schon öfter waren, wo z. B. der Laib Brot 40 Kreuzer und darüber gekostet hatte, und alle Bewohner seufzten und klagten, konnte er lachen, denn er bezog sein Korn und Schmalz nicht nur umsonst, sondern erhielt noch überdieß eine Theurungszulage! Er war vor Hunger gesichert und konnte sogar anderen Nothleidenden ein Stücklein Brot reichen; denn er erhält mit Weib und z.B. 4 Kindern 23 Metzen Korn.


Es ist zwar wahr: Der Mensch lebt nicht allein vom Brote, er hat noch viele andere Bedürfnisse; und überdieß ist auch das Proviantschmalz nicht ganz genügend, in den meisten Familien muß noch Marktschmalz angekauft werden;– und es ist wahr, daß in Zeiten großer Theurung der kleine Arbeiterlohn zur Bestreitung aller Lebensbedürfnisse nicht ausreichen will; aber dennoch bleibt es unbestreitbar, daß der stabile Arbeiter in Vergleich mit den Taglöhnern und Handwerkern immer noch gut daran ist, denn er hungert nicht! Erst vor wenigen Tagen erhielt diese Behauptung ihre Bestätigung aus dem Munde eines ärarischen Arbeiterweibes, welche Mutter vieler Kinder ist, sie sagte: „Wir hatten, da Alles so theuer war, doch Brot genug und litten keinen Hunger, während Andere vor Hunger wehklagten.“ Daher kommt es, daß die männliche Bevölkerung im Salzkammergute um die Aufnahme als stabile Arbeiter aus allen Kräften sich bewirbt. „Da habe ich doch“, so sprechen sie, „den Brotspann und darf nicht hungern.“


Der Arbeiterverein in Hallstatt und die Aufhebung des „Proviant.“

(Vom Hörlatz.)

II.


Wie wird's aber ausfallen, wenn die Arbeiter nach Aufhebung des Proviant sämmtliche Lebensbedürfnisse von dem Taglohne, und wenn er auch in 1 Gulden bestehen würde, sich anschaffen sollen?

Es läßt sich an den Fingern herabzählen, daß das Resultalt ein schlechtes sein wird. Berechnen wir z. B., was eine Familie mit 6 Köpfen, wovon der Brotverdiener in 6 Arbeitstagen 6 Gulden erwirbt, wöchentlich, d. i. in 7 Tagen braucht.


Brot 8 Laib à 25 kr... 2 fl.– kr fl=Gulden / kr.=Kronen

Schmalz 2 Pfd. à 58 kr.. 1„ 16„

Mehl 6 Maßl à 14 kr. –„ 74„

Gries 2 Maßl à 34 kr.... –„ 68„

Für den Sonntag 1 Pfd. Fleisch. –„ 26„

Milch täglich, Maß 5 kr... –„ 35„

Zugemüse in der Woche... –„ 21„

Summa: 5 fl. 40 kr.,


sage: fünf Gulden vierzig Kreuzer blos für die Lebensmittel!

Es verbleiben somit nur mehr 60 Kreuzer auf Schuhe, Kleider, Wäsche, Licht, Wohnungszins, Holz, Steuern und Krankheitsfälle u.sw.–

Fällt ein Feiertag in der Woche, so entgeht, mit Ausnahme der Pfannhäuser, jedem Arbeiter der Taglohn, aber die Bedürfnisse bleiben gleich! Wie aber, wenn der Broterwerber erkrankt? Bisher bezieht er in diesem Falle ein wöchentliches Patientgeld zu 1 Gulden nebst dem ungeschmä- erten Proviantgenuße, wohl wenig, aber seine Familie hat doch Brod und Schmalz. Wird sie es auch dann noch genügend haben, wenn das Proviant aufgehoben und dafür ein größeres Patientengeld verabreicht wird. Gewiß nicht! Und was dann, wenn die Lebensmittel Änd im gleichen Maße auch die anderen Bedürfnisse im Preise steigen,– wird auch lsobald eine entsprechende Lohnerhöhung gewährt werden? Das ist wohl sehr zu bezweifeln! Grinset da nicht Hunger und Elend bei allen Fenstern herein?- Erwägen wir noch überdieß, daß der Preis der Lebensmittel sich gewöhnlich nach der Nachfrage richtet;

ist diese stark, so ziehen die Preise auch allsogleich an.

Bisher hat das Salinen-Aerar Korn und Schmalz auf auswärtigen Plätzen ankaufen lassen, der Gmundner Wochenmarkt blieb davon unberührt; das wird aber nicht mehr der Fall sein, wenn das Proviant aufhört; die Bevölkerung wird gezwungen sein, allen Mundvorrath in Gmunden anzukaufen, und die unausbleibliche Folge davon wird das Steigen der Lebensmittel-Preise sein!–


Man wird freilich entgegnen:

Diesem Übel steuert der bestehende Consum-Verein, der alle Lebensmittel wohlfeiler (?) und auch besser (?) liefert. Es soll denselben das Gute nicht abgesprochen werden, aber bei alldem gibt es manche Übelstände!

Da der Consumverein nur gegen baare Bezahlung abgibt, so geschieht es, daß die meisten Arbeiterfamilien den ganzen Wochenlohn zum Ankaufe von Lebensmitteln dorthin tragen und nichts mehr für andere Bedürfniße erübrigen, wodurch sie oftmals in eine sehr mißliche Lage gerathen. Braucht z.B. der Arbeiter ein Paar Schuhe, welche 5 Gulden kosten, so ist die erste Frage des Schusters: Hast du das Geld dazu? Und so fragt der Schneider, der Krämmer u. dgl. Niemand will und kann auch nicht mehr auf die Borg geben, daher oft die schwersten Verlegenheiten.–


Vor der Einführung des Consumvereins verabreichten die Verkäufer fast Alles auf Borg; „Zahlst mich halt," so hieß es, „wenn Auszahlung ist.“ Und wenn auch manche Schuldpost uneinbringlich hängen blieb, so wurde doch immer wieder auf Borg gegeben, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Man hat freilich und nicht mit Unrecht den Verkäufern vorgeworfen, daß sie bei ihren Artikeln einen zu hohen Gewinn verlangten; aber, wenn man bedenkt, daß gar manche Partheien fleißig aufschreiben ließen, und wenig ans Zahlen dachten, und daß sie selbst das Meiste auf Credit von den großen Kaufleuten beziehen und daher größere Procente zahlen,– wer kann es ihnen im Grunde verargen?

Es war anfänglich nach dem Entstehen des Consumvereins ein großes Geschrei über die Wohlfeilheit und Güte der Artikel; aber wie kommt es denn, daß jetzt, nach kurzer Zeit schon hie und da eine Familienmutter sagt:

"Beim Müller, bei diesem oder jenem Greißler bin ich doch besser daran ?“

Es muß also im Consumvereine doch nicht Alles Gold sein; und eben darum steht es sehr in Frage, ob dieser das Verderbliche der Proviant-Auflassung hindan zu halten vermag.



Der Arbeiterverein in Hallstatt und die Aufhebung des „Proviant.“

(Vom Hörlatz.)

III.


Aber, was treibt denn den Arbeiterverein auf Proviant-Aufhebung zu dringen? Man schützt vor Allem die schlechte Qualität des Korns und Schmalzes vor!

Es läßt sich allerdings nicht läugnen, daß oftmals und besonders in jüngster Zeit, namentlich das Schmalz, völlig ungenießbar war; nach vorgenommener chemischer Untersuchung zeigten sich Roßfett, Schweinschmalz, Unschlitt und Leinöl in nicht unbeträchtlicher Menge dem guten Rindschmalze beigemischt; aber soll das schon ein genügender Grund sein, um die Aufhebung des Proviant zu urgiren? Hieße das nicht, das Kind mit dem Bade ausschütten?


Wenn der Arbeiterverein sein eigenes und besonders das Wohl seiner Familie im Auge hat und für dasselbe sorgen will, so wirke er dahin, daß den Proviant-Lieferanten schärfer auf die Finger gesehen werde und daß sie nur gute Waare liefern. Es dürfte indeß kein ungegründeter Argwohn sein, wenn man glaubt, daß die schlechte Qualität des Proviants nur ein plausibler Vorwand ist, hinter welchem etwas Anderes steckt.


Im Arbeitervereine befinden sich einige Männer, die wohl verheirathet, aber ohne Familie sind, und auch solche, welche einigen Grundbesitz haben;– für diese wäre es allerdings besser, wenn statt des Proviant ein um so größerer Taglohn ausfiele, allein ihre Zahl ist klein, im Verhältnisse zu den Arbeiterfamilien beiläufig wie Eins zu Zwanzig!


Wie, damit es für Einige besser würde, soll es für Hunderte schlechter werden? Wäre dieß nicht der herzloseste Egoismus? Aber auch noch in anderer Richtung wäre die Auflassung des Proviants verderblich. Es ist eine unbestreitbare Thatsache, daß manche Familie mit dem Gelde nicht zu gebahren versteht, hat man viel, so wird, wie man sagt, ein guter Tag sich angethan, wodurch leider oft so viel Kreuzer aufgehen, daß man dann bis zur nächsten Zahlung wieder darben muß, und nicht einmal das nöthige Brot sich anzukaufen im Stande ist, um viel weniger etwas Anderes, während sie bei dem Proviante doch Brot und Schmalz haben.


Hebet das Proviant auf, und es wird nicht lange anstehen, so wird aus den ärarischen Arbeitern und ihren Familien eine unverläßliche, vielleicht sogar gefährliche Fabriksbevölkerung werden, welche gegenüber dem Brotherrn nicht mehr die bisherige Anhänglichkeit, Liebe und Treue haben wird;– eben deßhalb liegt die Aufhebung des Proviant nicht einmal im Interesse des Staates!


Alte christliche Männer haben oft prophezeit: „Aus dem Salzkammergute wird noch ein Jammergut“, und leider ist diese Prophezeiuung fast schon zur Wahrheit geworden, und wird allem Anscheine nach ganz in Erfüllung gehen. Noth, Elend und Jammer herrscht vielseitig im ganzen Kammergute und besonders in Hallstatt, wo die Bevölkerung, ganz ohne Grundbesitz, einzig auf den ärarischen Verdienst angewiesen ist, welcher aber leider mit jedem Tage mehr abnimmt. Bisher haben die Weiber durch das Salzkerntragen sich einen nicht unerheblichen Kreuzer neben dem Verdienste des Mannes erworben und dadurch sich und ihrer Familie ein leichteres Fortkommen verschafft; nun aber soll auch dieser Nebenerwerb ganz aufhören, nachdem man ihn ohnehin schon auf ein Minimum eingeschränkt hat.


Man ist daran, einen Bremsberg anzulegen und mittelst desselben den Salzkern vom Berge an den See herabzuschaffen. Überdieß werden auch die anderen ärarischen Arbeiten immer mehr eingeschränkt, so daß viele junge und starke Burschen ganz ohne Beschäftigung und Erwerb sind, und oft nicht einmal so viel Mittel haben, um auswärts Verdienst zu suchen, denn es mangelt ihnen an Kleidung, Reisegeld u. dgl., und so manche sind durch ihre Eltern angebunden, die sie als alt und gebrechlich nicht verlassen können. Bei diesem wahrheitsgetreuen Sachverhalte kann es nicht befremden, daß Noth und Jammer besonders unter Hallstatt's Bevölkerung im hohen Grade herrscht.


Kein Wunder! Es muß ja die ganze Familie von dem kleinen Lohne, welcher bei den meisten stabilen Arbeitern nach Abzug des Proviant in 14 Tagen drei Gulden und bei vielen nicht einmal so viel beträgt, leben und alle Bedürfnisse bestreiten!


Soll daher wirksam geholfen werden, so möge der Arbeiterverein, statt um Aufhebung des Proviants, um entsprechende Lohnserhöhnng und Arbeitsvermehrung an kompetenter Stelle sich aus allen Kräften verwenden.


Dieß ist’s, was uns noth thut!

Aber vor Allem muß noch ein anderes Element hinzukommen, nämlich die Religiosität, die christliche Genügsamkeit und Sittlichkeit,– ohne diese wäre die materielle Aufbesserung ein gefährliches Messer! Und leider ist viel geschehen und geschieht noch, wodurch die religiös-sittliche Basis erschüttert, untergraben und aus den Herzen der Leute gerissen wird, so daß endlich jeglicher Damm einstürzen muß.


Es wärt in dieser Beziehung viel zu sagen; aber für den, der es verstehen will, ist es genug! Vielleicht ergibt sich später eine Gelegenheit, hierüber und über manche andere Sachen, welche in's Volksleben eingreifen, des Näheren sich aussprechen zu können.

Ein aufrichtiger Volksfreund.



Hallstadt, 18. November.

Der hiesige Arbeiter- Bildungsverein schickte vor kurzem an die k. k. Bezirkshauptmannschaft Gmunden eine Petition, worin die Bitte gestellt wird, genannte Behörde möchte dahin wirken, daß der hiesige Beneficiat Joſef Harberger, welcher der älteste und verdienstvollste Competent um die hierortige Pfarre ist, diese nicht erhalte, weil er so „unbeliebt in der Gemeinde“ sei, weil er „aufwiegelnde Reden“ wider die Regierung führe u.s.w., das ist aber Verläumdung. Gerade das Gegentheil ist wahr. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, daß die Arbeiter-Vereinsversammlungen dahier (ausgenommen Consum-Vereins-Versammlungen) so spärlich besucht werden, daß selbe fast nie beschlußfähig sind, und daß bei der Versammlung, welche jene wunderliche Petition beschlossen hat, von 300 Mitgliedern vielleicht nur 10 gegenwärtig waren.) Wäre angezeigt, wenn in mehreren Blättern dieser Gegenstand besprochen würde.

*) Und wie viele Protestanten befinden sich bei dem Vereine?

A. d. R.


Aus Hallstatt wird gemeldet, daß der dortige Consumverein, so wenige Mitglieder er auch noch zählt, doch im Jahre 1869 eine Summe von 19.000 fl. in Umlage gebracht habe.— Dagegen ist die Kapitalsum­lage des Consumvereines zu Goisern bis auf 29.000 fl. gestiegen.




Hallstatt 23. März 1872.

Ein Wort über die bedrängte Lage der arärischen Arbeiter im Salzkammergute.

Die arärischen Arbeiter des Salzkammergutes sind seit Jahren bestrebt, ihr materielle Lage in etwas zu verbessern und hat besonders der Arbeiter-Bildungsverein zu Hallstatt alle Anstrengungen gemacht, um in dieser Beziehung Abhilfe zu schaffen.

Leider sind diese Bemühungen nicht nur ohne Erfolg gewesen, sondern ist jetzt sogar die Gefahr eingetreten, daß diesen Arbeitern unter den Scheine des Rechtes ein Lohnregulativ aufokrtuiert wird, welches ihre Zustände eher verschlimmert als verbessert.


Nachdem schon vor dem Jahre 1868 von Seite des Personales des Salzkammergutes zu verschiedenen Malen gebeten wurde, sandte der Arbeiterverein zu Hallstatt im Jahre 1868 seine erste Petition durch Herrn Dr. von Kremer an das hohe Abgeordnetenhaus ein. Eine zweite durch Herrn Mayer in Linz, eine dritte richtete derselbe direkt an den Finanzminister Dr. Brestl und eine vierte im Februar vorigen Jahres an das Finanzministerium.


In der Zwischenzeit haben die Arbeiter nicht unterlassen, bei den Verwaltungen und bei Ministerial-Reisenden zu bitten. Da alle diese Vorgänge keinen Erfolg hatten, erschien am 24. Mai 1871 die Berg und Hüttenarbeiter von Hallstatt im Salinen-Gebäude von Herrn Bergrath Schubert mit der Bitte, um endliche energische Verwendung von Seite der Verwaltung und um Aufnahme eines Protokolls. Die Arbeiter der anderen Salinen folgten diesem Beispiele. Darauf erschien im Juni ein Lohnregulativ, welches die Aufhebung der Proviant-Fassung beantragte und Lohnsätze von 60, 70, 80 und 90 kr. enthielt. Ein Pensionsnormale fehlte ganz. Stattdessen wurde den Arbeitern halb und halb angedeutet, daß dieselben ihre pensionierten Arbeiter künftig aus ihren eigenen Mitteln erhalten sollen und zwar sollen sie von den Arbeitern und ihren Vorfahren sauer zusammengetragenen Bruderlade-Kapitalien die Grundlage bilden. Diese Kreuzer, welche bei unserer Saline bereits zu ca. 2000fl. (Gulden) angewachsen sind, bezweckten aber ursprünglisch nur die Unterstützung kranker Arbeiter und der Arbeiter Witwen.


Ferner sollte durch das neue Lohnregulativ der bisherige unentgeltliche Deputats-Bezug der Sudhüttenarbeiter dahingehend abgeändert werden, daß dieselben ihren Holzbedarf künftig um den halben Amtspreis beziehen sollten. Alle anderen Arbeiter, für welche das hohe Aerear bisher nur den Stockzins bezahlte, sollten künftig diese Auslage selbst übernehmen. Dadurch werden aber die Arbeiter nicht nur einer sehr ungleichen Behandlung ausgesetzt, sondern ein Thel derselben der Willkür des Forstamtes preisgegeben. Es bestehen nämlich zwei Gattungen Stockzins, als: ein niederer für die Hausbesitzer welche alte Nummern haben und ein hoher,(welcher aber nach Belieben noch erhöht werden kann) für die Hausbesitzer, welche neue Nummern haben und für die Inwohner. Wir leben aber in einer Gegend wo wir meist 6 Monate Winter und 6 Monate kalt haben und wo den Arbeitern das Herbeischaffen des nöthigen Brennholzes und theilweise Geldauslagen ohnedem verursacht und wo es bisher auch kein anderes Brennmateriale gibt. (Die mittellosen, von der Hand in den Mund lebenden Arbeiter wären auch nicht in der Lage, ihre Heizstätten für ein anderes Brennmaterial einzurichten.)


Kurz und gut die Arbeiter des Salzkammergutes fanden sich veranlaßt, daß neue Lohnregulativ nicht anzunehmen und statt dessen um Beibehaltung der Proviantfassung, um eine Lohnaufbesserung von 15 kr., für die achtstündige Schicht, um Eintheilung der vierzigjährigen Dienstzeit in Achtel um den bisherigen Holzbezug am Stock zu bitten. Im Dezember vorigen Jahres wurde den Arbeitern das Regulativ mit denselben Lohnsätzen und ohne Pensionsnormale (aber mit einigen unwesentlichen Zugeständnissen) abermals aufgetischt aber auch wieder einstimmig zurückgewiesen und abermals von Seiten der Verwaltung Protokolle aufgenommen.


Nachdem den Arbeitern die üblichen Vorrückungen aus Ersparungsrücksichten jahrelang vorenthalten wurden, werden jetzt die Vorrückungen vom Übertritt zum neuen Lohnregulativ abhängig gemacht. Infolge dessen haben am Salzberg zu Hallstatt, um sich die ersten Klassen zu sichern, beiläufig 25 Mann sich entschlossen, zum neuen Regulativ überzutreten und wird den Andern von ihren Vorgesetzten bedeutet, daß nur diejenigen vorrücken werden, welche jetzt übertreten und daß die Andern in ihren Klassen nicht nur sitzen bleiben, sondern auch zurückgesetzt werden können. Die Arbeiter halten ein solches Vorgehen für Zwangsmaßregeln und haben am 17 d. alle vier Salinen des Salzkammergutes an das Finazministerium um einen gnädigen Bescheid auf ihre Protokolle von Dezember 1871 telegraphisch gebeten und sind auch entschlossen, demnächst ein Deputation zu Sr Majestät nach Wien zu senden.




 



Ein Ausschnitt aus der Reportage von Minna Kautsky.

Von Wilhelm Wiener (Pseudonym von Minna Kautsky)

Die Neue Zeit / Stuttgart 3.Jahrgang 1885


Eine gleich kunstvolle Straße wurde von Gosaumühl nach Hallstatt durch Sprengungen hergestellt und damit waren diese Alpenthäler dem Verkehr erschlossen.

Der gewaltige Umschwung, den die Dinge von jetzt an nahmen, die zunehmende Vertheuerung der Lebensmittel, mußte von selbst dahin wirken, daß die noch bestehende Naturalleistung der Bergarbeiter vollständig aufgehoben und durchaus Geldentlohnung eingeführt wurde.

Es war eine tiefeinschneidende Maßregel, welche da ins Werk gesetzt wurde, und mit September des Jahres 1872 in Kraft trat.

Das neu ausgearbeitete Regulativ enthält folgende Lohnsätze der Arbeiter:


1. Klasse 1 fl.

2. Klasse 90 kr.

3. Klasse 75 kr.

4. Klasse 60 kr.


Der Paragraph 3 des Regulativs sagt:

„Die Versetzung der Arbeiter-Individuen (!) einer Klasse in einen höheren Schichtenlohn dieser Klasse findet nur noch nach längerer untadelhafter Aufführung und befriedigender Dienstleistung statt.“


In der Praxis stellt sich die Sache so, daß der ständige Arbeiter 60 fl. erhält und alle fünf Jahre (eine ausgezeichnete Konduite vorausgesetzt) um fünf Kreuzer hinaufrückt.

Höhren wir den Paragraph 4:

„Den Salinen-Verwaltungen bleibt es überlassen, wo immer thunlich, Gedingarbeit einzuführen, wobei die neu systemisirten Lohnsätze als Grundlohn zu gelten haben, jedoch

die Möglichkeit des, der größeren Leistung entsprechenden Mehrverdienstes keinerlei Beschränkung unterliegt“.

Diese „Möglichkeit“ scheint aber nicht leicht gegeben; Thatsache ist, daß, stößt der Arbeiter auf eine ergiebige Lage, wodurch sich in der Woche ein größerer Gewinn herausgestellt hätte, derselbe „nach Möglichkeit“ reduzirt wird. Man hält sich an den „Grundlohn“ und richtet die Sache so ein, daß ein Arbeiter durchschnittlich täglich 70 bis 75 kr. verdient, wofür er das Licht und das Pulver selbst zu kaufen hat.


Von diesen Löhnen werden auch die Beiträge für die Bruderlade und Krankenkasse wöchentlich abgezogen.

Bei seiner Aufnahme zum stabilen Arbeiter, bei seiner Verehelichung und bei jeder Vorrückung hat der Arbeiter je einen vollen Wochenlohn für die Bruderlade zurückzulassen. Das Aerar trägt zur Erhaltung dieser Kasse nichts bei, der jeweilige Salinenvorstand hat aber die Leitung der Verwaltung übernommen.


Mit dem Aufhören des Proviantgenusses war

nunmehr auch hier unter den Salzarbeitern dem Elend Thür und Thor geöffnet.


Es ist erschreckend wenig, was ein Hallstätter Salzarbeiter am Montag Morgen als Proviant in seinen Rucksack packt und womit er zu den Arbeiterhäusern emporsteigt, die in der Nähe des Stollenmundlochs in einer Höhe von 1120 Metern erbaut sind. Betrachten wir einmal ein solches Arbeiterhaus. Es enthält einen großen Mittelraum, der Küche und Speisesaal zugleich

ist, an welchen sich zu beiden Seiten ein Schlafsaal anschließt.

Hier sind 30 – 35 Betten so knapp nebeneinander aufgestellt, daß die Hacken zum Aufhängen der Kleidungsstücke in der Wandfläche über den Betten

angebracht werden mußten.

In diesen Schlafsälen findet der Bergarbeiter, der nach seinem mühseligen Tagwerke hier eintritt, das ihn ausschließt von Licht und Wärme, abermals nur Kälte und Finsterniß. Keine Heizvorrichtung befindet sich hier, weder Öfen noch Lampen; ein glimmendes

Nachtlichtchen bringt in diese Nacht nur jenen Dämmerschein, der gerade hinreicht, daß Jeder ohne anzustoßen sein Bett zu finden vermag.

In dieser Höhe sind die Nächte oft bitter kalt, aber man rechnet darauf, daß die eigene Wärme so vieler

Menschen, die hier zusammengepfercht sind, die Temperatur alsbald erhöhen müsse. Allerdings, aber ihre Ausdünstung, der Athmungsprozeß verschlechtert auch die Atmosphäre, so daß die Armen, die den Tag über die verdorbene Grubenluft in sich aufnehmen, nun auch des Nachts verdorbene, stinkende Luft athmen.


Unter keiner Bedingung ist es dem Arbeiter gestattet, des Abends eine Kerze anzuzünden, damit ist zugleich die strikte Befolgung jener Verordnung verbürgt, die ihnen das Lesen untersagt, wie denn überhaupt und von vornherein das Mitbringen von Büchern und Zeitungen in die Arbeiterhäuser strenge verboten ist.


Die Arbeitszeit erstreckt sich von 6 Uhr Morgens bis Mittag, von 2 bis 8 Uhr Abends.

Vor jedem Einfahren in die Grube wird vor einem Kruzifix, das im Schlafsaale aufgehängt ist, ein allgemeines lautes Gebet verrichtet.


Ist der Arbeiter nach sechsstündiger Schicht wieder ausgefahren, so muß er daran gehen, sich sein Mahl selbst zu kochen, das freilich so armselig ist, daß dessen Bereitung nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Es besteht Morgens und Abends aus einer Wassersuppe, in welcher etwas Quark, dort Schoten genannt, verrührt und Brod eingeschnitten wird; Mittags macht er sich Mehlnocken, die in heißem Schmalz herausgebacken werden. Der Bergarbeiter bedarf einer fettreichen Nahrung, welche dem Körper Wärme zuführt, denn er arbeitet tagsüber in einer Temperatur von nur 4 oder 6 Grad über Null. Bei einer Besichtigung der in der Mauerwand eingefügten Schränkchen, in welchen die Arbeiter ihre Eßvorräthe bergen, habe ich nur in zweien 7 bis 8 Stück Kartoffeln vorgefunden; selbst diese Nahrung der Elendesten ist bereits für die österreichischen Staatsarbeiter unerschwinglich geworden.


Der Eßsaal mit seinen ungeheueren Herden, den Auslaufbrunnen an der Hinterwand, wo alles Geräthe gescheuert und gewaschen wird, mit den in Reihen aufgestellten Tischen und hölzernen Bänken ohne Rücklehne, erscheint abstoßend, häßlich und schmutzig.

Die gewölbte Decke, das Mauerwerk selbst ist mit einer dicken Schicht von Ruß überzogen, der Fußboden schlüpfrig und morastig.

Da die Arbeiter für all ihre Bedürfnisse und die Instandhaltung des Gebäudes selbst zu sorgen haben, und zwar in der geringen Zeit, die ihnen nach zwölfstündiger Arbeit übrig bleibt, so sind sie gar nicht im Stande, einen von so vielen Menschen bewohnten Raum in jener Sauberkeit zu erhalten, die ihm allein noch einige Behaglichkeit verleihen könnte; für sie, die während der Woche von ihren Familien getrennt leben, ist dieser Eßsaal der einzige Ort ihrer Vereinigung und Erholung, und doch ist dieser auch während der Wintermonate nur von einer einzigen von der Decke herniederhängenden Lampe erleuchtet, was bereits als eine Neuerung betrachtet werden muß, die mit der Aufstellung der Sparherde zugleich eingeführt wurde. Vor einigen Jahren noch war dieser Versammlung von 70 – 80 Arbeitern nur das flackernde Licht der offenen Herde gewährt. Um 9 Uhr aber muß Licht und Feuer laut

Verordnung gelöscht sein. Dann versinkt hier alles in Nacht und Schweigen.


Das ist das Leben, welches der österreichische Staat seinen Arbeitern bietet, derselbe Staat, dessen Regierung ihren Beruf zur Sozialreform so laut verkündet hat; der Staat, der angeblich über den Klassen steht und der so vielen berufen erscheint, den Schwachen gegen den Starken zu schützen, den Kapitalismus einzudämmen. Diese freien Staatsarbeiter führen ein Leben, schlimmer als das der meisten Arbeiter in den Privatbetrieben, ein Leben, welches sich nur vergleichen läßt mit dem der unfreien Staatsarbeiter, mit dem Leben im Zuchthaus.




58 Ansichten0 Kommentare

Kommentare


bottom of page