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Der Riese Krippen.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Aktualisiert: 10. Sept. 2022

Und seine Tochter.

Eine alte Sage und die Erinnerungen von Eduard Suess.





Vom Krippenstein.


Von Maria Reisenbichler 1926.

Aus dem Buch: Heimatlieb

Sagen und Erzählungen aus Hallstatt.



Wenn die scheidende Abendsonne ihren letzten rotgoldenen Schein über die Berggruppe des Krippenstein und Däumling haucht und diese glühend macht mit ihrem feurigen Atem, da sehen wir staunend hinauf zu dieser Pracht und bewundern: "Oh, wie schön!" Sonst aber findet das graue kahle Gestein wenig Beachtung, und doch hat auch hier die Sage ihre Fäden gesponnen.


Vor langer, langer Zeit, da kam durch unser Tal ein großer, starker Menschenschlag gewandert. Einer davon, dem es besonders die duftenden Almwiesen mit ihren saftigen Kräutern angetan hatten, beschloß, sich hier nieder zu lassen. Seine Vieherden zogen von Alm zu Alm; sie standen beständig vor einer vollen Krippe in Gottes freier Natur. Ihren Besitzer nannten die Talbewohner "den Riesen Krippen". Sein Reichtum mehrte sich von Jahr zu Jahr und sein einziges Töchterlein, das er nie einem Besucher zeigte, war zur lieblichen Jungfrau geworden.


Ein Hirte erzählte einmal, daß er sie von Ferne gesehen und wie sie sich ganz sonderbar benommen habe. Sie war in der Wiese gekniet, ohne aber die Blumen zu pflücken, sondern war mit den weißen Händen langsam darüber hingefahren, als ob sie dieselben streichelte. Dann hat sie die Arme gegen die Sonne gestreckt, als wollte sie diese greifen.


Scheu blickten die Talbewohner von nun an zur Höhe hinauf, und doch würden sie den starken Riesen nur bemitleidet haben, der dort oben auf einen Felsen saß und grübelte.


Soeben war ein Mann, groß und stark wie er selbst, nur um viele Jahre jünger, vor ihm gestanden und hatte gesagt: "Gib mir deine Tochter, sie ist schön und sittig; ich weiß es. Mein Besitz ist nicht klein, sie soll es gut haben." "Aber weißt du auch, daß ihre Augen nie das Licht geschaut haben?" hatte Krippen geantwortet. Da entfernte sich der junge Mann mit bedauerndem Kopfschütteln. Dies war nun der zweite gewesen, und er mußte ihnen recht geben, wenn sie gingen. Es war besser als sie streiten um Geldeswillen.


Er hatte aber sein Töchterlein lieb, lieber als sein Leben. Wer aber sollte nach ihm darüber wachen, da es doch blind war! Sinnend schaute er hin über seine Acker und Fluren, über die das Hirtenvolk seine Herden trieb, und lehnte traurig sein Haupt über die Steinwand. Horch! Da drinnen klopfte und murmelte es, als ob kleine Bächlein rieselten, und dann wieder rauschte es auf, als ob sich ein Strom bahn breche durch das Innere des Berges. Da leuchtete es auf, in den Augen des Riesen: "die Berggeister". Mit lauter fordernder Stimme rief und beschwor er sie, ihm zu helfen. Und sieh, - langsam öffnete sich eine Felsspalte und in dem schwarzen Rahmen stand eine glänzende Gestalt, schneeweiß vom langen, wallenden Haupthaar bis zum Saume des Mantels, in dem sie gehüllt war.


Warnend hob sie die Hand und eine Kälte strömte von ihr aus, daß der Riese fröstelnd zusammenschauerte. Da vernahm er eine Stimme, die wie klingendes Eis tönte. "Ich bin Leuchteglitzer, der Fürst hier drinnen. Ihr Menschen dürft nach mir nicht rufen, es bringt euch selten Glück. Du tatest es bloß aus Kummer und Leid, deshalb soll es auch nur deine Schuld sein, wenn dir mein Geschenk Verderben bringt." Nun zog die Gestalt eine unscheinbare graue Rolle aus dem schimmernden Kleide und reichte sie Krippen. "Nimm! In der dritten Vollmondnacht geh zu jener breiten Fläche, lege die Rolle um deine Schulter, sie wird zum Mantel werden. Lass' deine Tochter sich dir zur Seite legen, und wenn der blasse Mond über dem Berge steht, den die Sonne mittags säumt, dann wird deine Tochter sehen.

Aber hüte dich, hüte dich! Solange dieser Mantel dich bedeckt, darf kein böses Wort über deine Lippen fliehen, nicht ein böser Gedanke durch deine Stirne Ziehen. Sonst wehe, wehe allen, die sich im Bereiche des Tuches befinden." Verschwunden war die Gestalt. Wie um ein Trugbild zu verscheuchen, fuhr sich Krippen über die Augen. Hatte er geträumt? Nein! Er hielt ja noch die graue Rolle in den Händen. Da stürmte er vorwärts, dorthin, wo er den Bergeseingang vermutete, doch er rannte nur gegen Felsen. Wie eine große Kostbarkeit barg er das unscheinbare Geschenk Leuchteglitzers auf seiner Brust und mit hellem Jubel schloß er sein Töchterlein, dessen Stimme ihm schon von Ferne rufend entgegenklang, in seine Arme.


Die zurückgetretenen Freier verbreiteten indessen die Nachricht von dem traurigen Schicksal, aber auch von dem großen Reichtum der Erbin Krippens. So kam sie auch zu Ohren eines kleinen, geizigen Ritters mit Namen Daume. "Hab ich erst den Reichtum, in den Mauern meiner festen Burg soll es mir keine Unanehmlichkeiten bereiten, wenn sie blind ist." Ha, ha, ha, ha, lachte er, ein häßliches Lachen, und machte sich auf zur weiten Reise.


Zum drittenmal hatte der Mond gewechselt, heute würde er sein letztes Stückchen ergänzen und in voller Pracht auf die fröhlichen wie auf die sorgenden Menschen niederschauen und sein weißes Licht über ihre Wohnstätten gleiten lassen. Prüfend schaute Krippen zum Firmament, von dem die kleinen Sterne ihm glückverheißend im zublinzelten, und in seiner Brust war stille, große Erwartung. Nun war es Zeit. Leichten sicheren Schrittes stieg er mit seinem Töchterlein zur Höhe empor. Sie hatten bald ihr Ziel erreicht und Krippen schlug sich die graue Rolle leicht über die Schulter. Und sieh, sie rollte sich auf zum weitwallenden Mantel, doch nicht mehr grau war er, sondern weiß und weich wie Samt, und in den Falten funkelte und blitzte es von leuchtenden Edelsteinen. Der Riese ließ sich nieder, zog sein Töchterchen sanft an sich und dieses ließ ihre Hände fühlend über den weichen Mantel gleiten, rollte dann ihre blonde Haarfülle auf und lehnte ihr Köpfchen vertrauend an die Schulter des Vaters, der harrend in die Ferne sah.


Eine Prophezeihung Leuchtglizers war ja bereits eingetroffen und es fehlte nur noch eine kleine Weile, bis der Mond über jenen Gipfel stand und sein Kind das Augenlicht wieder erhalten sollte. Nun wandte Krippen seine Blicke wieder der Umgebung zu, da gewahrte er, bereits nahe am Mantelsaume, einen Mann von kleiner Gestalt.


Deutlich ließ der Lichtschein des Mondes, welcher voll auf sein Angesicht lag, die Züge erkennen, in denen ein großes, großes Begehren geschrieben stand. Krippen sah auf seine Tochter. Diese schlief, die Hände über der Brust gekreuzt, die Knie etwas hochgezogen, den Haarknoten als Kopfkissen, ruhig an seiner Seite. Da schaute er wieder zu dem kleinen Manne hinunter. Dieser schob sich immer näher schleichend heran bis zum Saume des Mantels, und jetzt erkannte Krippen, daß das begehrliche Augenpaar nicht die Schönheit der Erde, nicht die Schönheit der schlafenden Jungfrau sah, sondern einzig und allein das blitzende Geschmeide, das er mit einer schnellen Handbewegung an sich zu reißen suchte. Doch Krippen übermannte der Ekel, ein fürchterlicher Fluch schallte dem Verwegenen entgegen und die Hände des Riesen griffen nach einem Stein, um jenen zu zermalmen. Doch es geschah etwas ganz anderes. Ein Tosen und Rollen erfüllte das Tal, die Erde bäumte sich hoch auf und fiel wieder in sich zusammen.


Ein Rutschen und Schwanken war es. Schreckensbleich stürzten die Talbewohner aus ihren Behausungen und zeigten hinauf zu den Bergen, von denen es rollte und bröckelte. Verschwunden waren dort oben die blühenden Almen, kahle Felsen ragten empor und Schutt und Geröll bedeckte die Halden. Aber heute noch, deutlich mit freiem Auge erkennbar, wenn man durch die einzige fahrbare Straße des Ortes schreitet, schläft die blinde Jungfrau, mit dem Angesicht nach Osten gewandt, die Knie hochgezogen, die Arme auf der Brust gekreuzt, den Haarknoten als Kopfkissen, zu Stein geworden, an der Schulter ihres Vaters, des einstigen Riesen, jetzt "Krippenstein". Auch der kleine geizige Rittersteht dort in einiger Entfernung als steinerner "Däumling".








Ich möchte hier die "Erinnerungen" von Eduard Suess vorstellen.

(1916)


Das .pdf vom Buch zum runterladen.



Direktlinks:

Als Geologe entwickelte er Thesen über die Entstehung der Alpen.


Im Buch:


Suess setzte sich für die Arbeiterbildung ein. Hier ein Treffen mit Konrad Deubler.


Eine Besteigung des Dachstein's.


Ein Kapitel über soziale Zustände in Wien.

Es gibt sehr wenig Berichte über die Armut während der Jahundertwende oder die Entwicklung der Sozialdemokratie usw.




Er war Geologe, Abgeordneter im Niederösterreichischen Landtag und im Wiener Gemeinderat.

Suess plante mit Karl Junker die 1873 eröffnete I. Wiener Hochquellenwasserleitung.











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