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Die Mär von Kreuzstein.
Von Susi Wallner.
Aus "Hallstätter Märchen"
Wiener Verlag 1900
Und ich sage nein; durchaus nein! Ihr habt alle unrecht, wenn Ihr behauptet, er könne nicht reden.
Fragt nur die lustig—flinken Vögelein, die sich ducken und schweigen und horchen, wenn er spricht.
Fragt den weisen Raben, der bedächtig auf dem Aste hockt, den Kopf in den aufgepluderten Federn versenkt, und mit dem langen, scharfen Schnabel vor sich hinweist, als sei dieser der Zeigefinger eines Gelehrten, der so der Wahrheit auf dem Kopf tippt.
Fragt die Wolken, die ihren Lauf hemmen, um zu lauschen. Und wenn euch dies alles nicht genügt, fragt meine liebe, kleine Lora, das lebfrische Dirndl, wie es mit den kleinen
niedlichen Ohren und den großen, blauen Augen zugehört, neben mir kauert und mit einem entzückenden Lächeln über das ganze, dicke Gesichtlein entgegennimmt, was ich ihr von dem gehörten wiedergebe.
Nein, Ihr müsst nicht sagen, der Wald könne nicht reden!
Wenn ihr, wie ich, an einem Abend, wo der Himmel alles Gold den Bergen, den Wäldern, den See zu eigen gibt, wo alles flammt und leuchtet, als loderten Freudenfeuer, — wenn Ihr da, wie ich, im Walde gelegen unter einem Tannenbaum, der so ernsthaft und reckenhaft ausgesehen, wie einer, der vertreten kann, was er spricht; mit mächtigen Ästen, die zart und treu obdachlose Waldessänger schirmen, mit Nadeln, schlankweg und gerade, wie die deutsche Rede einstmals war — — wenn Ihr gehört, wie er rauschte und raunte und flüsterte und dazu nicht selten mit dem stolzen Wipfel zur Bestätigung nickte, dann würdet ihr mir glauben, dass der Wald reden kann.
Jetzt aber — ich bitt' Euch — thut mir wenigstens den Gefallen und hört zu, was ich treulich wiedererzähle.
Der ernsthafte Tannenbaum hat sie miterlebt, die "Mär von Kreuzstein!"
Wenn Du heute nachhause kehrst — hub der Tannenbaum an — und sprichst davon, dass Du einen Waldalten zum Schwatzen gebracht, dann wirst Du sagen: "In Hallstatt wars, beim Kreuzstein, im Echernthal."
Denn sieh! Weil jeder laute Ruf und Schall zurückkommt, vermeinen sie, in diesem Thale necke sie das Echo.
Sitzt aber eine drinnen in dem Felsen, der jeder Menschenlaut zum Hass ist. Die schleudert jeglichen wieder zurück mit Kraft, in Groll und Hohn, zuweilend klagend auch — noch öfter lockend: und nimmer sinnt sie Gutes.
Als dies geschah, was ich erzählen will, war das Thal jedoch noch ohne Menschen, ohne Namen.
Wo jetzo Wiesen grünen, da stand der Wald; voll, stark und hielt zusammen, wie ein Mann; er sah trotzig hinauf gen die Felsenwände und Zinken und fürchtete sich nicht, trotzdem sie oft Grießbäche und Lawinen niedersandten, die so manchen aus unseren Reihen todwunde niederfällten.
Wilder noch als heute füllte das stille Thal des Waldbachs Toben und Tosen; das freie Kind der Berge sprang — kräftiger und toller als jetzumal, von den Gehängen des Dachsteins nieder, den alten grauen Felsen in die Arme. Duckte sich ein Weilchen, schüttelte die Wellenlocken und entsprang darauf, lärmend, jauchzend, plauschend — und lallend, recht wie ein übermüthiges Maidlein das mit vollen Backen reden will.
So zwängte es sich auch durch uns und wir ließen es gewähren, denn wir konnten ihm nicht gram sein, dem frischen, helläugigen Unband.
Aber siehst Du, dort, wo schmiegsam—schlanke Farrenkräuter die keuschen Häupter neigen und flüstern: "Hab' Bedacht, hab Bedacht, dem Brautbett eilst du zu" — da gluckste es schelmisch und ward schon milder.
Und wo dunkle Erlen und graue Weiden raunten: "Ein herrlicher Bräutigam wartet Dein" — da ward es stille, sinnig, langsam; und als es erst den See zu schaunen kam, und ihn ersah, so groß und edel und königlich, geschmücket mit der Felsenkrone, umwallet vom Sammetmantel grüner Ufermatten, beschenkt vom Sonnenlichte mit Demant und Edelgestein, da erschrak es gar, ward schüchtern, magdlich, und eilte ihm dann doch entgegen mit hellem Jauchzen und schmiegte sich an ihn und ward ganz fein! — — —
— Doch, sag, was horchst du willig zu und drängst mich nicht, auf dass ich meine Mär beginne; fändest Du Geduld, von der Schönheit meines Thals zu hören, was ich weiß, — Du kämst wohl heim mit grauen Locken: So lieb ich es!
Nun höre!
Vor langer, langer Zeit, da herrschte in den Felswänden dieses Thales eine Fei; ein schönes, stolzes, schlankes Weib, mit Haaren, dunkel wie die Nacht; mit Augen, kühn, wie die des Adlers, und ihre Glieder waren weiß, gleich wie der Gischt des Waldbachs.
Gar ein herrlich Anseh'n war's, wenn sie die glatten Wände niederstieg, so ihren Palast umschlossen, von außen kahl und grau, von innen aber köstlich, voll Prunk und Pracht und Glast und Schimmer.
Allerlei Bergbolde mit großen Köpfen, langen weißen Bärten und kleinen kurzen Beinen, waren ihr unterthänig.
Sie hielten auch die Becher und die Schalen, daraus zu trinken, zu essen sie ein Begehren trug.
Es waren Feien, schön, gar zart und fein, ihr zu Diensten, doch keine so wonnig gebildet von Antlitz und Gestalt als sie.
Desgleichen gehorchte ihr alles Gethier der Berge; sah niemalen aber, dass ihre weiße Hand eines davon geliebkoset hätte.
Sie war gar eine strenge Herrin.
Nicht selten weilte sie dort, wo der Waldbach am ungeberdigsten. Und da kam es vor, dass ein Lächeln ihre Lippen theilen konnte und that sich zuweilen die Falte, so sich fast immer auf der edlen Stirne zeigte, sänftiglich glätten, wie böses Schneegewehn vor der Sonnen.
Einmal folgte sie des Waldbachs Lauf, bis ihn der See in seinen Schoß schloss. Da aber hieb sie mit einer wanken Gerte, so sie sich abgeknickt, auf die erschreckten Wellen und rief zürnend aus.: "Was duckst Du Dich, was schmiegst Du Dich, gleich einem scheuen Bergwild, und ergibst Dich Deinem Bräutigam, dem See? Pfui, schämen magst Du Dich! Ha! Bei den alten Göttern, denen ich entstamme und die feig und morsch und müde im Kampf geflohen vor dem einen Gott, der jetzo herrschet: es dürfte meine Liebe mich nicht ketten. Frei müsste sie mich machen, frei wie die Macht!"
Und als der Sturmwind solches hat vernommen, da kam er hergebraust auf seinem dunklen Wolkenpferde, hinter ihm drein ein grimmig stattlich Heer.
Und er jauchzete und sang ein brausend Werbelied: "Ich liebe Dich, weil wild Du bist, wie ich; ich trage Dich auf meinem Rosse, Du alten Götterstammes letzter Sprosse, durch alle Länder trag ich Dich, Königin der Lüfte, frei wie ich, gefürchtet, mächtig — — —"
"O schweig'! Unterthan warst Du meinen Ahnen einst, wie jetzt dem Gotte, der sie hat vertrieben. Du bist ein Diener nur — nie mehr. Hinweg!"
Und heulend stob der Wind von dannen.
Da theilte sich der See und herfür aus den Fluten stieg der Nixenkönig.
Es blitzte sein Geschmeide und seine Wassergeister trugen die Schleppe seines Perlenmantels. Er pries ihr seine Schätze, pries die Schönheit seines Schlosses aus Kristall, seinen Reichthum auch und bot ihr seine Krone dar, auf dass sie Herrin sei zu Berge und zu Wasser; denn lieben müss' er sie, weil sie so hehr und schön.
"Kannst Du mir Menschenseelen geben?" so frug die Fei.
"Nein, Herrin, es kommt der Menschenleib nur in mein Reich."
"Dann spute Dich, die Glut zu kühlen in den Wellen Deines Wässerchens und bleib' mir fürder ferne."
Er wandte sich verstummt und schmerzgetroffen der Tiefe zu. Da schlugen die empörten Fluten seines Sees nach ihren Füßen.
Sie aber lachte, dass es wiederhallte an den Wänden und breitete die Arme aus, dass sich die weißen Brüste hoben und warf das Haupt zurück; gleich einem dicht Gespinst flatterten ihre schwarzen Locken von ihren Schultern.
Sie rief: " Nach Schätzen nicht, wie Ihr sie bietet, trag ich Begehr. Ein Menschensohn nur, jung und schön, soll mir in diese Arme sinken, soll erglüh'n an diesem Busen. Und mit seinen Küssen will ich seine Seele trinken. Dann bin ich unsterblich wie Du dort oben, und dann — dann fürchte mich, Du Gott der Götter!" ———————
Es rauschte mit den hurt'gen Wasern des Waldbachs auch die Zeit zu Thale; und es trug sich zu, dass eines Tages ein junger Knab' des Weges kam gegangen.
Schlank unf fein — und dennoch kraftvoll—trutzig war er. Trug ein blitzend Wehr um seine Hüften, über die Schultern hieng ein Ränzel nieder; mochte dasselb' wohl aber nicht schwer sein. Ein verschlossen Wams umschloss die Brust, und auf den blonden Locken saß ein argzersauster Hut.
Indes, er konnte jedes Schmuckes leichtiglich entbehren: aus seinen hellen Augen strahlte ein warm und treumuthig Gemüthe.
Er war ein lieber Knab'!
Wund waren seine Füße, doch schritt er tapfer zu. Da gönnte ihm der Waldbach gern Erquickung und wir Bäume fächelten ihm Kühlung zu.
Es war das einzige, das wir bescheren konnten, und uns wenig genug.
Ihm schien es nicht des Dankes zu gering. Lüpfte drum den Hut und meinte, sich verneigend: "Für das Labsal!"
War darauf zehn Schritte nicht gegangen — stund die Fei vor ihm.
Er schaute staunend ihre hohe Schönheit, doch auch ihr finster Zürnen. Drum that er sittig sich verbeugen, erwies ihr Ehre, gleich einer Königin.
"Wer gab Gebot Dir, allhier einzudringen?" herrschte sie ihn an.
"Edle Frau, da Ihr so hart mich anlasst, so zürnet nicht der Frage: von wannen Euer Recht stammt, mir das meinige zu schmälern?"
"Vorwitziger! Das Thal ist mein!"
"Herrin, mein ist die Welt, — denn sie gefällt mir."
"Du sollst Dein Wagnis büßen, Hochmüthiger! Ein Wink von mir, und meine Felsen zerschmettern Dich!"
"Wär't Ihr ein Mann," fuhr jetzt der Jüngling auf — "führwar! Ihr kämt nicht zu dem Winke. Ihr seid jedoch ein Weib — es wär' nicht ritterlich, Euch zu verletzen — und darum mag geschehen, was Euch mehr rechtens dünkt — als mir!"
Nun ward sie mild und sprach gar anmuthreich: "Lasst's Euch nicht kränken. Ich wollt Euch prüfen nur, ob Ihr voll edlen Muthes — da ich Euch dess befunden, so kommt — ich bitte Euch — mit mir und seid mein lieber Gast."
Ließ sich der junge, müde Wanderer dasselbige von einem minniglichen Weibe nicht zweimal sagen.
Er gieng mit ihr recht guter Dinge.
Sie führte ihn in ihren Fei'npalast, ließ ihm die wunden Füße pflegen und gab Geheiß, ihn zu erquicken mit allem, was ihr Eigen und dessen er begehrte. Es mussten zu seinem Ergötzen auch die Dienerinnen Reigen und allerlei Kurzweil behende aufführ'n.
Darnach begab es sich einmal, dass sich die Fei mit ihrem Gaste im Thal ergieng. Und so sie dicht bei mir die Schritte hemmten, da sprach sie also: "Erzähle mir von Deinem Gotte!"
Der Jüngling lehnte sich an meinem Stamm, blickte zum Himmel auf und hub an: "Herrin, die Mutter lehrte mich, er sei da oben; durch die Sterne schaut er nieder auf die Erden. Und in der Hände einer hält er die Sonnenstrahlen; die wärmen, beleben — und mahnen stets zum Schaffen. In seiner Hände zweiter hält er die Mondesstrahlen; die glätten mild und weich — und mahnen stets zur Ruh'."
"Ei wie! So zahm? Du kennst ihn nicht."
"Doch, Herrin, doch. Wer herzlich liebt, der fühlt ihn in der warmen Brust—"
"Was sagst Du, fühlt ihn, trägt ihn in sich!"—
"Ja, Herrin, seht! Dem wird das Herze weit vor Liebe, die nichts von Anfang mehr und nichts von Ende weiß. Da ahnt die Seele selig die "Unsterblichkeit".
"Unsterblichkeit", hauchte die Fei mit Lippen, als ob sie Durstes litten.
Dann warf sie beide Arme um des Jünglings Nacken und stammelte ein heißes Liebbekennen: Wild klang es, wie ein Adlerschrei.
Der Jüngling stund mit schlaffen Armen und that nichts anders, denn wie einer, dem nur zu Leide wird, was ihm zu Lieb geschieht.
Sie wollt' ihn küssen — doch jach entwand er sich.
Wie sie sich aufriss nun; und aufreckte und ihn anlohte mit ihren Feueraugen!
"Verzeiht mir, Herrin, doch Ihr — — ich — — Herrin! Ich hab' ein blondes Mädel lieb."
"So lass es und sei mein —"
"Herrin, nein: ich bin treu."
"Dann geh' zugrunde, Elender, Stolzer!"
Es war bei solchen Worten die Schönheit ihres Antlitzes verwüstet von Grausamkeit und Zorn.
Sie fasste nach ihrem Haar und breitete es aus wie einen schwarzen Mantel. Da ward es ringsumher gar kalt und schaurig, als sollte jedes Lebewesen erstarren nun. Und gegen das Gewände schüttelte sie die Fäuste — drauf kam's hernieder, prasseln dund polternd, mit tönenden Tosen und Donnern und Krachen — ein wüster, wirbelnder, wilder, vernichtender Hagel von Steinen und Blöcken und Felsentrümmern. —
"Willst du mich lieben?" zischte die Fei.
"Nein, Herrin, treu bin ich —"
Da stampfte sie den Boden mit unbändiger Kraft, darauf gähnte alsogleich ein tiefer Spalt, mit hässlich schwarzem Rachen — — —
Darin verschwand der liebe Knab'.
Sie aber führte einen Reigen auf, mit allerhandn Geberden und rief: "Hier sollst du liegen, sollst nicht sterben und nicht leben können, nur harren, harren zehrender Sehnsucht voll, bis Dich Dein Gott, den Du in Liebe fühltest, in Liebe Dich erretten kommt. Ja, zeige nun, Du Einziger, ob Du vermagst zu öffnen, was ich verschließe —" und sie ergriff ein mächtig Felsenstück und wältzte solches auf das Grab des Lebend—Todten.
Darauf fügte sie ein Kreuz aus Steingetrümmer und hauchte selbes an mit heißem Odem. —
"Hier sieh! Das Zeichen Deines Wesens setz' ich auf diesen Felsen als Zeichen meines Zauberwesens auch. All' meine Kraft hab' ich hineingelegt, vernichte, wenn Du kannst, Du Starker — haha. Ihr Wichteln all' heraus und hört: Verflucht ist diese Stelle, wüst soll sie sein, wüst sollen bleiben alle Wege, die der beschreitet, der mich und meine Lieb' verschmähte — um ein geringes Menschenweib die Sewele mir versagte!" — — — — —
So ward der Kreuzstein aufgerichtet.
Von meiner Sippe, die um mich stund, bin ich allein in jenem Grause übrig blieben.
Das war ein Leid! — — —
Und in dem Thale war's recht stille worden.
Zuweilen zeigte sich die Fei.
Wenn Sonnen oder Mondesstrahlen um den Kreuzstein spielten, dann kam sie wohl herzu und streichelte den grauen Felsen.
Sie lächelte dabei — doch war's kein Lächeln, das erwärmet, noch erfreut hätte.
Mein Stamm zählte um manche Ringe mehr, da trug sich's zu, dass in das Thal ein jungschlank Mägdlein kam gegangen, mit leuchtend blondem langen Haar und Augen blau und tief und rein. So recht wie eine lieblich Augenweide anzuseh'n, wär' es nicht traurig, blass, gebückt gewesen, als trüg' es eine schwere Last; und hatte doch nur einen schmalen Brotsack auf dem Rücken.
Es ließ sich nieder auf das Moos zu meinen Wurzeln, faltete ihre Hände ineinander und sprach: "O lieber lieber Tannenbaum! Mein Liebster, der ist weggezogen und kehret nimmer heim. Da machte ich mich auf, um ihn zu suchen; kannst mir nicht sagen, wo ihn finden?"
Und da sie weiter sprach, konnte ich wohl erkennen, wer sie sei — und musste traurig ihr die Stelle weisen, allwo ihr Liebster lag.
Da sprang sie auf, umfieng die Erde, dort, wo der Stein sich hob, schwang sich an ihn hinan und rief mit flehend lauter Stimme: "Du, die Du mir den Liebsten hast genommen, zeig' Dich und sprich: Was kann ich thun, ihn zu erretten?"
Als so die Maid zum drittenmal gerufen, da thaten sich die Felsenthore auf, und es erschien die Fei, die Arme vor der weißen Brust gekreuzt.
So sah sie grimmig auf die Bittende hernieder.
"Ei sieh!" so sprach sie. "Dein Haupt trägt lauter Sonnenstrahlen; und der, um den du bettelst, der sagte mir sein Gott hielt' alle Sonnenstrahlen in seiner Hand."
"Willst Du mein Haar? So nimm's, nur gieb mir meinen Liebsten."
Da kam der Bergfräulein eine, ein schlangenflinkes Ding; die fasste nach dem Haar der Maid und schnitt es kichernd knapp vom Haupte.
"Und was erheischtest du noch weiter, sprich, kürze meine Qual. Mein Herz erbebt in Lieb' und Pein — könntest Du doch, wie meine Hand, sein Pochen fühlen!"
"Ei sieh! Der, den ich lebend hab' begraben, der sagte, in der Liebe sei der Gott, der nimmer sterben wird. Den hast Du jezo wohl in deiner Hand?"
"Willst Du die Hand" O, nimm auch sie und gieb mir meinen Liebsten."
Da kam ein hässlich Wichtelmann gekrabbelt und schlug der Armen grinsend ihre Rechte ab.
Das rothe Blut troff nieder auf den grauen Stein. — —
"Erheischest Du noch weit're Löseschuld?"
"Du hast zwei Leben, Menschenmagd, gib mir das irdische für deinen Liebsten. —"
„So nimm auch das — für ihn —„
„Ha! Stürzet nieder, Felsen, und vernichtet dieses Weib, ihr Wichteln all', zerreißet sie!“
So rief die Fei.
Da — horch! Ein Krachen, Bersten, Dröhnen, ein dumpfer Sturz. —
Ein schreckhaft Wiederhallen — mählich vergrollend. — Und Schweigen.
Und dann — ein Ruf, wie Jubel ihn vom Munde trägt; — und dann ein Schrei, wie ihn Entsetzen nur von falschen Lippen peitscht.
Hoch am Gewände angekrallt war zu erschau'n die Fei, gleich einem weißen Vogel, mit flugerlahmten, schwarzen Schwingen, den Tod im Auge.
Kein Felsblock war zu Thal gekommen, kein Wichtelmann zu sehen.
Jedoch der Kreuzstein war gesprengt, gespalten, und leer vom Kreuz; das lag am Boden; das Zeichen nimmersatten Hasses lag zerschmettert und rothgefärbt vom Blute, vergossen nur um reiner Liebe willen.
Am Boden kniete auch die Jungfrau und raunte: Rinne, rinne, rother Zaubersaft aus wehen Wunden, zersplittert sanken Felsen, felsenfest gefügt, thau' tief die Erde auf, trag treues Leben mit und wecke wonnig Leben.“
Da zitterte der Boden, wie Eis im Lenzesodem, und es geschah, dass sich ein gähnend schwarzer Rachen aufthat, daraus herfür sprang frei der junge Knab' und war gerettet!
Er hob die Maid, die blasse, mit starken Armen auf und bettete ihr Haupt, dasd arme, verschnittene, das goldigscheinende an seine Schulter, ach! Küsste sie und herzte sie — mit warmen Lippen schloss er ihre Wunden.
Und sieh! Geschah da wohl ein lieblich Wunder: So Brust an Brust gedrängt, weckte sein pochendes Herze das ihre wieder auf. —
Da gellte ein furchtbar schriller Ton hin durch die Lüfte — verschwunden war der weiße Vogel am Gewände — die Felsenthore schlugen zu; kein Sterblicher find't jemals noch den Eingang.
Die beiden Liebesleute aber sind Arm in Arm geschmiegt und ohne Fährlichkeiten aus diesem Thal geschritten.
Wir Bäume freuten Nadeln auf sie nieder. 'S ist unser Segen.
Und hinter ihnen ragte auf todter Trümmerwelt der Kreuzsten auf, zersplittert und entzweigespalten und leer vom Kreuz. Er ist so bis auf heut'gen Tags verblieben.
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So war kein Gott, ein Menschenkind war kommen, zu lösen zu befrei'n.
Ein Kind der Menschen, göttlich hohe Lieb' in Herzen — — —
Dies Kind der Menschen aber — war ein Weib!
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