Regina Leihmann 1822 - 1904
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Aus:
Der Meisterschnitzer von Hallstatt.
Von Prof. Dr. M. HABERLANDT.
und
Volkskundemuseum Wien
Die Arbeiten des Schnitzers Johann Kieninger.
Von Prof. Dr. M. HABERLANDT.
1914
Ein würdiges Seitenstück zur Baderin ist die Figur der „Regerl“, eines alten Weibsoriginals von Hallstatt, welche von Lebenswahrheit bis zur Karikatur erfüllt ist.
Dieses Dorforiginal hat der Schnitzer, wie es scheint, mehrfach verewigt, wenigstens befinden sich drei verwandte, in unwesentlichen Zügen voneinander abweichende Darstellungen dieses Motivs im Besitze des Museums für österreichische Volkskunde.
Sie lehren, daß der Künstler sein Sujet stets mit gleich charakterisierender Kraft aufgefaßt hat, ohne sich mit einfachen Wiederholungen abzugeben. Es ist uns glaubhaft bezeugt, daß der Meister trotz seiner großen Not solche simple, vom Verleger bestellte Wiederholungen seiner Arbeiten nur äußerst ungern ausgeführt habe.
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Aus Hallstatt wird uns geschrieben: Am 21. d. M. abends ist hier die allbekannte Regina Leihmann („Rögerl") im Alter von 82 Jahren gestorben. In der einen Hand ein Häferl, in der andern ein Binkerl tragend, sah man diese alte Waise, armselig gekleidet von Haus zu Haus um Almosen bittend herumziehen, von jedermann gerne beschenkt, da selbe zu den Ärmsten der Armen zählte. Auch fremde Gäste unterhielten sich mit ihr, oft die längste Zeit im Gespräche und beschenkten sie.
Aus der Versteigerung der Kollektion von Generaldirektor Viktor Zuckerkandl: Donnerstag den 26. Oktober 1916
Das Kriehuber Aquarell.
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Aus Wikpedia:
Man findet kaum eine bedeutende Persönlichkeit dieser Zeit, die nicht von Kriehuber porträtiert wurde.
Kriehuber ist 1876 gestorben, daher ist die alte Frau leider nicht Regina Leihmann.
Von Ludmilla Novak, aus "Hallstätter Winter."
Auch die „Regerl", ein armes schwachsinniges Wesen, das durch seine unbewußte Originalität urkomisch wirkte, versuchte diese Lieder zu singen. Sie war stets von ihrer Habe, die sie in zwei oder drei Binkeln trug, umgürtet und hatte immer zwei Haferln in der Hand, in die sie sämtliche milde Gaben, die man ihr reichte, hineinwarf. Oft sah man da einen Biererpatzen im schönsten Sauerkraut liegen, wozu sich dann noch ein Krapfen oder ein Stück Gugelhupf, in Hallstatt mit „Bunkel" angesprochen, gesellte.
Die Regerl, eigentlich hieß sie Regina, wohnte bei ihren Geschwistern im Spital, welche abends die milden Gaben sortierten. Alltäglich, ob es schön war, ob es wetterte, ging die Regerl aus und erreichte dabei ein ziemlich hohes Alter. Sie strickte auch Jahrein, Jahraus an einem Strumpf, der aus vielen, vielen farbigen Fäden bestand, die sie alle sorgsam von der Straße aufgehoben hatte. Sie war harmlosen Gemütes und tat niemanden etwas Zuleide. Im Sommer trug sie einen großen „Gugnhut", über den ein grüner Schleier geworfen war, den sie unterm Kinn in einer Masche zusammenband. Ihre Schuhe glichen meist jenen der demutsvollen Seelenruhe, die Wilhelm Busch so vortrefflich gezeichnet hat.
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Regerl
Von Maria Reisenbichler.
Der Frühling schickte sich an, weiterzuwandern und seinem stärkeren Nachfolger vollenden zu lassen, was er vorbereitet hatte. In den Wiesen, die noch einem bunten Teppich glichen, begannen bereits einzelne Blumen ihren Samen zu streuen, Buchenlaub und Tannensprossen färbten sich dunkler und die Bienen hatten es eilig, noch recht viel von den Obstblüten zu sammeln, in denen sich schon der Fruchtknoten bereitete und die ihn schützenden Blättchen dem Winde preisgab. Wärmer grüßte die Sonne hernieder und lud die Menschen zu fröhlichen Schaffen.
In ein kleines Hausgärtchen trat eine Frau, welcher nicht die schwarzen Kleider allein, sondern hauptsächlich ein bitterer trotziger Zug um den Mund ein düsteres Aussehen gab.
Vom Friedhof war sie gekommen. Sie hatte die Blumen am Grab ihres Kindes mit frischem Wasser versorgt und das Unkraut entfernt, das sich auf dem kleinen Hügel breiten wollte. Doch kein Gebetlein war dabei über ihre Lippen gekommen und ihre Füße gingen an der Kirche vorrüber. Sie hatte diese nicht mehr betreten, seit man ihr kleines Mädelchen in jenen stillen Friedensgarten hinausgetragen hatte. Ihr einziges Kind, das der Sonnenschein ihrer Witwentage hätte werden sollen. Viel hat sie geweint und gebetet in den langen Nachtwachen, und der Schluß war immer der gleiche gewesen: „Herr, du musst es mir lassen“. Sie hatte ja die Überzeugung, daß sie es zu einem guten Menschen erziehen könnte.
Es ging ihr wie vielen, die in Ölbergstunden dem Herrn am ähnlichsten, indem sie rufen: „Nimm den Kelch hinweg“, doch auch am unähnlichsten sind, weil sie nicht anzufügen vermögen, nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Ihr beten war zu leidenschaftlich gewesen.
Tröstende Gedanken kamen ihr wohl manchmal wie: „Schau deine Nachbarin an. Sie ist auch Witwe wie du, der Mann war bei der Ausübung seines Handwerks (er war Maurer) verunglückt. Noch dazu, als sie bereits das dritte Kind unterm Herzen trug. Hatte die es nicht viel schlimmer? Tag für Tag arbeitete sie von früh bis spät, bald dort, bald da im Taglohn. Am Abend, wenn sie todmüde heimkam, da wartete die häusliche Arbeit und die Kinder. Frau Berger hatte einmal gemeint, sie werde eines davon herübernehmen als Gespielin für ihr Kleines. Doch das ältere Mädel „Kati“ würde ihre Mutter wohl sehr ungern hergeben. Zudem war Kati gar nicht hübsch und die Kleinere schien in allem zurückzubleiben. Vielleicht würde sie das dritte nehmen. Aber als der Nachbarin das Wochenbett Sterbebett geworden war und die Not am größten, da war das Herz der Frau Berger verhärtet. Sie trotzte dem Herrgott. „Hätte er mir das meine nicht genommen, ich könnte auch für zwei sorgen.“ Die gute Tat aber unterblieb.
Jahre vergingen. Die drei Waisen wurden von den Ortsbewohnern „Halinger Diandln“ genannt, obgleich sie Leihmann hießen. Ihr Vater war ein Otsfremder gewesen, aus Hallein zugezogen. Alle die in den kleinen Häuschen ringsum wohnten, hatten selber genug mit Frau Sorge zu kämpfen, so daß sie den Waisen nicht mehr geben konnten, als höchstens einmal einen alten Rock, ein Häferl Suppe und ein paar Holzscheiter für den Winter. Die helfen gekonnt, die hatte nicht gewollt, die ältere der Geschwister, die „Kati“, führte die Wirtschaft so gut oder so schlecht es eben ging, und schickte die zwei jüngeren, Kretins betteln. Diese selbst fühlten sich gewiss nicht unglücklich. Loisi, von den Kindern Loipan gerufen, machte sich hie und da durch Holz und Wassertragen nützlich, schnitt dem sie Neckenden haßliche Gesichter, und die übrige Zeit, in der sie guter Laune war, sang sie meist unverständliches Zeug oder spielte auf ihrer Mundharmonika; dies letzte war ihr das liebste; doch sie und ihre Schwester Kati wurden nicht sehr alt. Aber die jüngste, die Regina, die als Erbteil die Mundharmonika übernahm, die wurde ein Original. Die Regerl ging jetzt fast gar nicht mehr in ihre Stube. Sie lebte am liebsten auf der Straße. Eine kleine, gedungene Figur, den Hut mit einem Tuch unter dem Kinn gebunden, einen großen Regenschirm in der einen Hand, am andern Arm ein Bündel, in welchen sie ihr übrigen Kleider immer mittrug, und ein Blechhäfen in der Hand, in welches sie alle geschenkten Speisen zusammentat, war es nun Fleischsuppe, Kaffee, Gemüse oder Süßspeise. So ging sie herum, Gäßchen auf, Stiege ab. War sie hungrig und müde,so setzte sie sich meist auf das Kniebänkchen in einer Kreuzwegstation, aß aus dem Häfen mit einem Löffel, den sie auch immer im Sack hatte, und schlief dann ein. Weckte sie Sonne oder Regen, so spielte sie sich eines auf ihrer Mundharmonika, die sie gerade so liebte wie ihre Schwester, oder brummelte unverständliche Laute. So lebte sie jahraus, jahrein und die Leute wunderten sich, daß sie nie krank war. Einst stand sie an Frau Bergers Gartenzaun, ärgerlich wollte sie diese fortschicken, als zwei fremde Frauen vorüberkamen. Die jüngere der Damen, welche einen Buben an der Hand führte und in Trauerkleidern war, blieb jedoch stehen. „Um Gotteswillen, was ist das für ein Geschöpf?“ rief sie aus, in das schon von Runzeln zerfurchte Gesicht der kleinen Regerl blickend. Frau Berger gab Auskunft. „Wie arm“, sprach die Dame weiter, „wenn ihre Mutter sie so sehen müßte“, und zwei helle Tränen rannen über ihre Wangen. Frau Berger sah sie mit neugierig fragenden Augen an. Die Dame bemerkte es und freundlich sprach sie weiter: „Ich habe nämlich vor kurzer Zeit erst ein Kindchen durch den Tod verloren und war untröstlich. Jetzt ist mir der Gedanke durch den Kopf gegangen, was würdest du leiden, wenn es so geworden wäre.“ Sie reichte inzwischen Regerl ein Geldgeschenk und schritt dankenden Grußes weiter, fest die Hand des Kindes drückend.
Die Dame war fort, Regerl war weggegangen; Frau Berger aber stand noch lange am Gartenzaun und sann. Hatte sie nicht auch Schuld am Unglück der Halingerischen?! Je länger sie nachdachte, desto gewisser wurde es ihr. Ein Stachel drückte ihr Gemüt, es ist zu spät, du kannst nicht wieder gutmachen. Es war, als senke sich eine schwere Last auf ihre Schulter, und gebeugt schritt sie dem Hause zu. Wohl hatte Regerl jetzt wieder ein Haus mehr, in dem sie manch guten Bissen zugesteckt erhielt, doch ein neues Tuch oder Wäschestück, das ihr Frau Berger reichte, stopfte sie gleich alten Flicken in ihr Bündel.
Regerl überlebte Frau Berger um Jahrzehnte. In mancher Holzschnitzerei sieht man noch heute eine kleine Figur, ein altes Weiblein mit großem Schirm, das Bündel am Arm und ein Blechhäfen in der Hand. Das war: „Die Hallstätter Regerl“.
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