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Die Sage vom obern Gosau-See

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Aktualisiert: 22. Juni 2021

Aus den Bergen.

Geschichten, Sagen, und Wanderbilder von Rudolph Hinterhuber

1864



An jenen Tagen, wo alle diese Muschelthiere noch Leben und Bewegung hatten, die sich auf unsern Bergen lagerweise vorfinden, wo das riesige Mamuth noch einher schritt und mit seinen Zähnen an den Wurzeln der Bäume wühlte, wo noch die Golderze in großen Klumpen zu Tage schauten, während jetzt die tiefsten Schächte nur spärliche Beute liefern, lebten in dem Thälchen, welches sich zwischen dem Hallstädter Salzberg und dem Dachstein einerseits, so wie zur rechten von dem Hochfeld, dem Zwieselhorn und den Donnerkogeln enge begrenzt, ausdehnt, und heutigen Tags mit dem Namen Gosau bezeichnet wird, einige Familien in patriarchalisicher Eintracht und gegenseitiger Liebe.


Die ältesten Leute unter ihnen wußten sich keines anderen Aufenthaltes zuerinnern. Jahrhunderte mochten schon vorüber gegangen sein, ohne daß in diesem Zusammenleben irgend eine Änderung eintrat.

Was kümmerte diese Leutchen die Außenwelt, sie fanden unter sich, was sie zu ihrem Glücke bedurften, sie hatten ihre Nahrung, ihre Vergnügungen, ihre lieben Kinder, an deren harmlosen Spiele die Alten sich wieder verjüngten.

Die Viehzucht bot ihnen hinreichend Beschäftigung, die üppige Weide aber reichen Segen.

Frohes Gejauchze durchtönte die Thäler, die unermüdliche Art aber erweckte nur selten das geschwätzige Echo.


In einer dieser Hirtenfamilien wuchs ein gar liebes, frommes Mädchen heran. Wir wollen sie Geta heißen, denn aufrichtig gesagt, verschweigt uns die Sage ihren Namen, wie sie es so oft zu thun pflegt, wenn sie uns ganz treuherzige Ereignisse erzählt, die vor Jahrtausenden geschehen sein sollen, und uns billig überläßt, deren Glaubwürdigkeit anzuerkennen, oder zu bezweifeln.


Greta war ein gar herrliches Wesen.

Alle hatten sie lieb, sie liebte aber auch wieder alle, und betete und opferte für sie, und wirklich schien sich mit dem heranblühenden Mädchen der Segen zu verdoppeln.

Noch nie sah man sonst auf den Weiden so schöne und, saftige Kräuter. Das Gras der Wiese eiferte an Farbe mit der schattenreichen Buche, die Gerölle überdeckten sich mit buntem Rasen und zahlreiche Quellen tränften sorgsam die blumigen Abhänge, die sonst im heißen Sonnenstrahl verkümmert wären. Die Wälder belebten sich mit Singvögeln aller Art, die im geschäftigen Chorus die fromme Bitte Geta's begleiteten, und zu schweigen schienen, wenn sie mit sanften Weisen die zarte Hirtin in friedlichen Schlummer gewiegt.


Ob hier der Zufall im Spiele war? Wer kann das entscheiden?

Die Leute alle dieses Thales schrieben die Mehrung ihres Wohlstandes dem freundlichen Mädchen zu, umso mehr, als sie zu bemerken glaubten, daß Greta auch mit überirdischen Wesen in näherer Verbindung sei. Welche Ursache ihnen aber diese Meinung aufdrang, werden wir bald erfahren.


In jenen Zeiten soll es nichts seltenes gewesen sein, auf einsamen Wanderungen Wesen getroffen zu haben, die jetzt nur noch in der Phantasie der Dichter leben. Die Haine waren mit Feen, die Gewässer mit Nixen, die Berge mit geschäftigen Gnomen bevölkert.


Die Poesie hatte sich damals verkörpert und den Menschen zu sich hinangezogen, der sich wohl befand, und sicher glaubte unter dem Schutze jener Wesen. Es mußte eine glückliche Zeit gewesen sein; denn wir waren noch die frommen willigen Kinder und das Gemurmel der Quelle, der ferne Donner der Lawine, die hohestralende Leuchte am blauen Himmelsdome, die Sternlein alle mit ihren farbigen Lichtern, die oft gar freundlich herableuchten auf den müden Erdenkörper, das wachgerufene Echo, der heisere Ruf des einsamen Raben, sie alle sprachen noch gleich Geisterstimmen zu unsern Herzen, und schienen uns mahnen zu wollen vor bösen Pfaden.


Und alle diese Stimmen, wir hören sie noch immer, aber sie lassen uns gleichgiltig, oder wir bewundern das eine oder das andere, wie man ein schönes Kunstwerk bewundert.

Es gefällt uns sehr, aber es rührt uns nicht. Wir sind ja jetzt alle zu klug geworden!


Auch in jenem Thale gewahrte man zuweilen so ein Wesen. Es war ein kleines aber wohlgebautes Männlein, welches gar selten in die Wohnungen kam, von Greta aber sicherlich erwartet werden mußte; denn sie blickte gar lange nach jener Höhe und schien sehnsüchtig alle Felsen zu fragen und lächelte dann wieder so hold, wenn das Männlein erschien. Fragte man sie aber nach ihrem Freunde, dann glühten ihre Wangen und sie neigte das Köpfchen und pflückte ein paar nahe Blumen, denen sie die Antwort einzuhauchen schien; ihren Gespielinnen aber blieb sie selbe schuldig; denn sie suchte dann in weiten Kreisen den neugierigen Fragen zu entgehen, bis die üppigen Tannen ihre niedliche Gestalt dem fernern Anblicke entzogen.


Dieses Männlein war sicherlich ein Gnome, denn es kam stets von der Höhe, und ereignete sich der Fall, daß irgend ein anderer Einwohner des Thals desselben ansichtig wurde, so war es in der Nähe des Gletschers, den wir noch jetzt ansichtig werden, wenn wir nach den schroffen Wänden schauen, die der riesige Dachstein nach der Gegend des oberen Gosau-Sees herabsenkt.


Eine besondere Neigung des Gnomen zu diesem Mädchen sprach sich auch hierin aus, daß er nie erschien, ohne ihr irgend ein Geschenk zurück zu lassen. Sie erhielt von ihm prachtvolle Erze, die im Sonnenschein mit allen Farben des Regenbogens strahlten, Goldstufen, rothe, blaue, grüne und farblose Kristalle, deren salziger Geschmack keinen Zweifel über ihre Wesenheit ließ, vorzugsweise aber gar hellglänzende grüne Steinchen, die im Dunkel mit eigesnem Lichte zu funkeln schienen. Von diesen Steinchen brachte er ihr recht viele, so dass sie es schon versuchte eine Anzahl davon an eine Schnur zu fassen, mit welcher sie jezuweilen sich lächelnd zierte und gar große Freude hatte, wenn die hohe Leuchte des Himmels sich in diesen niedlichen Dingerchen spiegelte. Da der Gnome so freundlich war und ihr recht liebliche Erzählungen von den hohen Bergen machte, die rings ihre weißen Häupter in's Blaue streckten, und von den tiefen, wunderbar erhellten Schachten, und von dem blauen Eise, welches in unermeßlicher Tiefe des Gletschers große Lager bilde-welche Geschichten sie alle wieder ihren Gespielinnen zum Besten gab, die sie wohl auch zuweilen etwas beneideten um das Wohlwollen des räthselhaften, aber jedenfalls sehr gutgesinnten Fremden- so wurde Greta höchst arglos und gab in ihrem Herzen nicht dem mindesten Verdacht Raum, welcher ohnedieß in reinen schuldlosen Gemüthern nur gar schwer Wurzeln fassen kann.


Das Mädchen blühte sichtbar heran zur Freude ihrer Eltern, die sie gerne gewähren ließen, wenn sie des Morgens ihre Schäfchen auf die Weide führte und oft erst des Abends, geschmückt mit duftenden Alpensträußchen und bunten Kränzen, zu den Ihren zurückkehrte. Am liebsten trieb sie aber ihre Herde gegen den höhern Bergsee, der, von sonnigen Wiesen begränzt, zugleich frische Tränke bot, und von dessen Ufern sie ganz treuherzig in die Höhen schaute, von denen sie so schöne Steine in ihrer kleinen Habe barg.


Einige Jahre mochten so vorüber geschwunden sein aus dem großen Borne der Zeit, und nichts trübte das Wohlsein und die ländliche Abgeschiedenheit dieser wenigen Hirten. Da kam eines Tages ein langer hagerer Mann vom Hochfelde her, gegen das freundliche Thal.


Er trug am Rücken einen Sack, vielleicht mit nöthigen Lebensbedürfnissen, war aber jedenfalls recht ärmlich gekleidet, und wie es schien, vom Alter bereits etwas heimsgesucht. Ein langer Stock unterstützte seine wenigen Kräfte nur ganz spårlich, so wie über haupt sein ganzer Anblick das Mitleid der braven Thalbewohner nicht wenig rege machte. Es war ein milder Frühlingstag. Noch lagen in der Ebene die unverkennbaren Spuren der rauhen Jahreszeit.


Hie und da hatte der häufig gefallene Schnee die Äste der Fichten gebrochen, die noch zerstreut und unaufgelesen umherlagen, während durch die verzweigten Ästchen schon die weißen duftigen Glocken durchlächelten, und auch in ihrer Mitte manches Blümchen bargen, dessen Farbe mit dem Azurblau des Himmels zu wetteifern schien. Einzelne Schneefelder reichten noch mit schmalen, zugespitzten


Streifen nach dem Thale herab, in deren Umgebung die Thauwärme kleine Bächlein bildete, die sich wieder in dem neu herankeimenden Grün verloren, oder, ehe sie das Erdreich tränkten, in Gestalt kleiner Nebelchen verdunsteten und mit den Küssen der Frühlingsblumen sich in dem blauen Aether auflösten. Hoch in der Luft aber fächelte die Lerche mit ihrem zarten Gefieder, und sang so schön, so hell, daß er das Herz erwärmte und zur Andacht zog, um dem Schöpfer all dieser Herrlichkeiten mit kindlichem Gesmüthe ein Dankopfer darzubringen. Es war, wie gesagt, ein gar lieblicher Tag, und die ganze Natur schien trunken ihrem Schöpfer zuzujauchzen.


Der hagere Mann hatte bald ein Obdach gefunden, wo er sich von seiner Reise etwas erquicken und für deren Fortsegung Nachfrage halten konnte. Jede Hütte stand ihm offen, er konnte der Beihilfe eines jeden versichert sein. Er nahm in Greta's Hütte Platz, wo er sich auch der Länge nach ausstreckte, und ohne auf die einzelnen Fragen der Bewohner zu achten, bald in tiefen Schlummer verfiel.


Indeß růckte der Abend heran, und Greta kam mit ihrer Herde frohen Sinnes einher gesprungen. Sie war heute besonders reich mit Blumen geziert, von deren schönsten sie einen dicht gewundenen Kranz im Haare trug, während sie um den Hals eine von jenen Ketten geschlungen hatte, die sie so kunstgeübt aus den grünlichen Steinen des Gnomen verfertigte. Sie staunte, einen Gast zu treffen, als sie aber den Mann genauer betrachtete, stieß sie einen Schrei aus, und enteilte der Hütte, die sie nur auf Zusprache der Eltern später wieder betrat. Dieser Mann, meinte sie, sei ihr im Traume erschienen, und seine Anwesenheit könne nichts Gutes mit sich bringen.


Gleichwohl war dieser Mann gegen Greta sehr freundlich.

Als er bei seinem Erwachen, welches erst vor einbrechender Nacht stattfand, sie erblickte, schien er ein besonderes Wohlgefallen an ihr zu haben. Er reichte ihr aus seinem Sacke einige Früchte, wie sie das Thal nicht hervorbrachte, ja, deren Greta nie in ihrem Leben gesehen hatte, welche sie jedoch anzunehmen standhaft sich weigerte.


Besonderes Augenmerk richtete er auf die farbigen Steine, mit denen Greta heute so reich geschmückt war. Er war von ihrem Glanze überrascht, er prüfte ihre Härte, er schien sie mit den Händen zu wiegen, welches alles Greta gerne geschehen ließ.


Indeß hatte völliges Dunkel in die Hütte reges Leben gebracht. Lustig loderte die Flamme am niedern Herde empor, sorgsam genährt mit dürrem Holze, und Greta hatte vollauf zu thun mit Zubereitung der Abendkost. Der Fremde bat um Nachtlager und erhielt es auch gerne. Er wurde gesprächig, und erzählte ihnen von seinen Reisen in den fernsten Ländern, und über die unermeßlichen Gewässer, und fand dabei willige Zuhörer.


Als bereits das volle Sternenheer am Himmel leuchtete, und sich alles der Ruhe überließ, war man auch mit unserem Gaste und seinem eigenthümlichen Wesen völlig ausgesöhnt.


Kaum verkündete die heranbrechende Dämmerung das baldige Herannahen des Tages, als Greta mit ihrer Herde die Hütte verließ. Noch zeigte sich der hellglänzende Morgenstern am Rande des Gebirges, in welches er eben unterzutauchen schien. Einzelne lichte hellröthliche Wolkchen streiften längs den Bergen gegen den Dachstein, der sich immer mehr und mehr in eine dichte Hülle zu bergen schien. Der Wind blies etwas scharf und beurkundete hinlänglich, daß er eben seinen Weg über große Schneefelder genommen. Endlich kam auch die liebe Sonne heran, aber nicht sehr rein und hell strahlend. Sie hatte um sich einen großen Kreis von schwärzlichen Wolken gesammelt, aus deren Mitte sie wie eine gelbe Kugel matt und glanzlos durchsah, ohne ihre Strahlen auf die benachbarten Berge zu richten, deren fahle Wände sonst so schön vor ihrem Purpur übergossen, den fröhlichen Tag in die noch dämmernden Thäler verkündeten. Auch keine Lerche wollte hinaufwirbeln in die hohen Lüfte und ihr Liedlein trillern vom lieben Schöpfer. Es war alles so still, so traurig, daß die ältern Hirten, als sie hinan sahen nach den Schneefeldern und nach der bereits emporgestiegenen Sonne, bedenklich die Köpfe schüttelten, und ganz ernst in ihre Hütten zurück kehrten, wo sie mit einiger Misstimmung ihre Arbeit begannen, eine Mißstimmung, die wir wohl auch heutzutage fühlen, wenn die Natur ihr graues Kleidchen anzieht, und uns kalt anbläst, und eine nie endende Dämmerung die Tage belastet; eine Mißstimmung, welche sogar die Thiere mit uns theilen, verdrossen und knurrend in ihrem Winkel verbleibend.


Greta war indessen mit ihrer Herde nach dem obern Gosau-See geeilt, vielleicht in der Hoffnung, den freundlichen Gnomen zu sehen und ihn um Aufschlüsse zu bitten über den Fremdling. Auch heute war sie wieder mit ihren Steinen geschmückt, umso mehr, als sie die selben in kluger Voraussicht bei dem Manne in der Hütte nicht zurück lassen wollte, indem sie diese wohlwollenden Geschenke ihres Freundes vor den lüsternen Blicken des Fremden nicht völlig gesichert glaubte


Auch der Fremde verließ bald die gastliche Hütte, nachdem er den Zurückgebliebenen seinen Dank gebracht und sich nach einem Pfad über die nach Süden liegenden Gebirge erkundigt hatte. Solange man ihn sehen konnte, schritt er langsam vorwärts, kaum aber war er ihren Blicken entzogen, als er eilig gegen die Berge sich wandte, jenen Pfad verfolgend, auf welchem er Greta vermuthen konnte, von deren Herden er zuweilen durch unverkennbare Töne auf sichere Fährte zurück gerufen wurde.


Endlich hatte das Mädchen, den untern See zur Linken lassend, über steile Anhöhen und durch dichte Waldungen den obern Gosau-See erreicht. Schon hatte sie eine Weile auf einem umgestürzten Baumstamme Platz genommen, während sie ihrer Herde völlig ungeschmälerte Freiheit gönnte, erst noch jedes Schäfchen mit ihren zarten Händen streichelnd und liebkosend und die einzelnen zuweilen beim Namen rufend, die auch dann durch freudiges Blöcken ihre Dankbarkeit für ihre so liebevolle Fürsorge und Aufmerksamkeit erkennen geben zu wollen schienen und blickte nun gar sehnsüchtig hinan nach dem fernen Gletscher und beobachtete jedes Geräusch, jedes Knistern der Aeste; aber der gute Gnome wollte noch immer nicht kommen. Sollte er Greta heute an diesem See nicht vermuthet haben?


Nun gewahrte sie in ihrer Nähe ein Rauschen, wie wenn jemand sich durch dichtes Gebüsch Platz zu machen suchte. Sie schlug erfreut in ihre Händchen, aber-- siehe da es war nicht der Gnome, es war der Fremde.


Greta erschrack heftig, der Fremde aber lächelte sie gar seltsam an , und wollte an ihrer Seite Platz nehmen; doch eben vermochte er noch das sich flüchten wollende Mädchen am Kleide zu erfassen und zurück zuhalten. "Fürchte dich nicht,“ sprach er, ,,es soll dir kein Leid widerfahren; ich achte solch Weibervolk nicht. Aber sage mir, wo du die schönen Steine bekommen, mit denen du so hochmüthig geschmückt bist?"

„Ich erhielt sie zum Geschenke."

"Zum Geschenke! ei, ei das muß einwackerer Freund sein. Wo hauset er denn, daß auch ich ihn aufsuchen kann, und mir einige solche Dingerchen von ihm zum Geschenke ausbitte?"


Damit riß er der Armen die Kette vom Halse, sie wild lächelnd vor die Augen haltend und dann schnell in seinen Sack bergend, gleich als fürchte er, seiner gemachten Beute nicht ganz sicher zu sein. Furcht und Schmerz überwältigten das Mädchen, und mit einem gellenden Schrei sank sie auf das weiche Moos hin.


In dem selben Augenblicke aber hörte man ein fernes Donnern, welches immer stärker wurde und endlich mit mächtigem Rollen Berg und Thal erfüllend, tausende von Echo's erweckte, die mit einstimmend, nun gar wild und verworren durch die Waldungen kreischten und die Bewohner des Thal's mit Entsetzen erfaßten. Von dem Gletscher herab drängte sich eine hohe bläuliche Masse, die im Herannahen an Größe zunahm und schonunglos alles mit sich fortriß.


Und die blauen Fluthen des Sees rauschten auf, und heulend warf sich die Masse über das Gewässer und stürzte in seine Tiefe, See und Ufer, Menschen und Herde mit seiner Wucht bedeckend. Das Plätzchen aber, wo Greta lag, blieb verschont und es erschien ein Männlein, welches die Leblose über die Wucht hinweg trug und in den Bergen mit ihr verschwand. Der Unbekannte fand unter den mächtigen Felstrümmern, welche die Lawinen mit sich fortgerissen, sein Grab, die wunderlieben Smaragde aber, einst so reich gelagert auf jenen Höhen, hatten sich sammt ihren Felsbetten in den See versenkt, lösten sich in den Gewässern und färbten sie so freundlich grün und verliehen ihnen ihren Schimmer, wie wir es heute noch schauen können, wenn wir bei einem Ausflug nach dem schönen Gosauthale die Mühe nicht scheuen, hinan zusteigen nach jenem Zauberkessel, wo der erzürnte Gnome die reichen Lager vergrub, aus deren Fundgruben er zeitweise die liebe Greta beschenkt hatte. Wer diesen See sieht, wird gestehen müssen, daß er mit keinen andern jene Farbe theilt, die von der düstern lautlosen Umgebung, von den schwarzen Föhren und den fahlen Wänden und den bläulichen Gletschern so lieblich hervorblickt, wie die Krystalle aus dem dunklen Schachte, wie die hohe Sonne aus den schwarzen Wolken.


Von Greta konnte man trotz langem Suchen nichts mehr entdecken. Es hatte sie ja der Gnome mit sich genommen in seine krystallene Felsenburg, wo sie nicht gefährdet von bösen Menschen und ihren Heimsuchungen, in nie endender Liebe farbige Schäfchen hütet für das zahllose, aber freundliche Volk der Gnomen, und schöne Blumen pflegt, die erst, wenn sie den Garten des Mädchens durchduftet, emportreiben aus der Erde, und zu den Menschen sprechen von den verborgenen Wundern und unbekannten Tiefen.


Wer das freundliche Ischl mit seinen Heilbädern besucht, versäume ja nicht, nach Gosau zu wandern, nach dem schönen, smaragdenen See, an welchen der gute Gnome ein Blümchen gepflanzt, welches so tiefblau, wie Greta's Augen, an jener Stelle wuchert, wo das arme Mädchen von Schreck erfaßt, zusammensank, und blicke dann so fromm und so gläubig hinan nach den beschneiten Firnen, an denen er die Almacht des lebendigen Gottes und seine Größe, durch dieses Bild seltener Art begeistert, anstaunen und bewundern wird. Er spricht dort durch den Donner der Lawinen, während uns seine Vatergüte in den Wundern der Natur ein himmlisches Eden weist.



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