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Ein G'sangl.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner




Ein G'sangl.

An einem Samstagabend.

Im größten Wirtshaus vom ganzen Markt, in der großen Gaststuben zu eb'ner Erd', sitzen zwei Gäst', der Wallner Dominerl und der Stimitzer Wena. Es ist jetzt grad kein anderer Gast da, als sie. Die Kellnerin steht auch draußen beim Hausknecht. Die Frau Wirtin, eine stattliche Wittib, ist im Haushalt beschäftigt. Die zwei Männer sind ganz allein. Es macht ihnen aber die Einsamkeit nichts. Wird schon anrucken, die Gesellschaft, und sie haben Geduld.

Sie sind all' zwei Fuhrmacher. Schon ihre Väter haben die Fuhren für den See miteinand gezimmert, in einer großen Hütten ganz beim Wasser. Der Dominerl und der Wena werken wieder mitsamm' weiter und haben sich noch nie zerkriegt. In allem Fried' machen sie die großen und die kleinen Fuhren, wie 's ihnen halt angeschafft werden. Und ihre Fuhren sind gut und schießen nur so über's Wasser dahin. Alle zwei Männer sind in kräftigsten Jahren und ehrsame Familienväter, 's Geschäft geht nicht übel, weil der See groß und wild ist, und sie die einzigen Fuhrbauer da umher sind. Den Weibern und den Kindern fehlt auch nie was, ein jeder hat seine Wiesen beim Haus, ein paar Kühe dazu und Schweindln. So finden sie s' Leben nicht ungut, der Dominerl und der Wena, sind allweil gut aufgelegt, und einen jeden Samstag, wann sie früher Feier­abend machen, kommen sie auf die Nacht daher in's Wirtshaus „zum grünen Anger".

Sie sitzen ganz im Eck von der Stuben beim offenen Fenster. Ein jeder hat ein Halberl Bier vor sich, eine Pfeife im Mund und so reden und trinken und rauchen sie, schön langsam halt.

Der Tag ist am längsten jetzt. Die Sonn' ist grad hinter die Berg' gegangen und der Schatten vom Sommeraukogl ist schon über den See gefahren und steigt allweil höher und höher auf den Spitzlberg hinauf, der dem Sommeraukogl gegenübersteht. Man merkt es derweil noch nicht, aber es fangt doch schon's Dämmern an, schön langsam halt.

Bald kommen sie allweil her, der Dominerl und der Wena, aber bald geh'n sie auch wieder heim.

Sie haben sich grad gegenseitig so an den seligen Wirt erinnert und jetzt hören sie ein bisserl zum Reden auf. Es fallt ihnen halt gleich nichts mehr ein. Sie machen all' zwei, als wie verabredet, zugleich einen Zug aus den Krügeln. Nachher wischen sie sich mit den Händen den Schaum von den Schnauz­bärten ab, räuspern sich, stecken die Pfeifen wieder an den Mund und blasen— wieder all' zwei zugleich— ein paar dicke Wolken in die Stuben hinein.


Dann tut der Wallner einen heimlichen Lacher. Der Stimitzer schaut ihn an. „Wo ma's heunt me wieda z'he'n kriagn we'n?!" fragt der Dominerl.

Da lacht der Stimitzer auch und schaut nachher so auf den Tisch hin.

„Is da allweil nu nixi nit ei'g'fall'n?" fragt er dann. „Na", sagt der Andere. "Es is halt a so. Unta da Wocha denkt ma nit a so auf. Bon Tag hat ma nit daweil und auf d' Nacht is ma moanst z'müad dazua, und in an Samstagfeierambt und in an Sunntag netta, da fallt ma allmal grad nix recht's ein."

Der Stimitzer deutete: „Ja— is eh bo mia akrat ar a so und bo dö anern halt a!"

„Und hiat hend ma's schan öppar a viermal!"

„Ja." „Is schein glei z'dumm a!"

Der Wallner schaut beim Fenster hinaus. Ganz leis summt er dazu in seinen kleinen Schnauzbart:

„Annamial hast d'Henn' eintoan? Ja Frau, bis auf'm Hahn.

Den muaßt ja ar eintoan— ar eintoan— "

„Grad dös löst Stückerl gang nu a, netta dös", sagt er und beutelt den Kopf. „Daß 's üns a gar nit ei'fall'n mag", wundert sich der Stimitzer. „Könntns aftn so gschmah singa." Der Wallner biegt sich ein bisserl vor gegens Fenster und schaut genauer auf den Weg hin.

Dort geht sein Gödenkind, der jüngste Bub vom Waldbachmüllner, der Karl. So neunzehn Jahr wird er jetzt alt sein. S' Hütl auf der Seit', ohne „Leibl", die Joppen vorn weit offen, daß man die „rupfano Pfoad" sieht und die grüne „Hosen­kraxen", in einer kurzen, abgeschabten Lederhosen und grünen Strümpfen, die Knie nackt, geht er so recht kuraschiert daher. Tüchtige Schritt macht er in seinem „grobgnahten" Schuhzeug, und ein feines Zigarrl raucht er. Das hat er gewiß wieder von so einem fremden nobligen Herrn, die den jungen Buben da fast lieber als wie die älteren, erfahrenen Leut' zum Bergführer nehmen. Weil er halt so viel waghalsig ist. Weil er überall aufsteigt mit ihnen, wo sie wollen, wenn auch kein Weg da ist. Das ist denen recht.

Der Wallner schaut sich sonst nicht viel um sein Gödenkind um. Es ist ihm nicht recht, daß der Müllner den Buben so mir nichts dir nichts den gefährlichen Führerstand ergreifen laßt. Freilich, stark und rührsam genug dazu ist der Bub schon, mit Leib und Seel ist er auch dabei, ist auch im Winter, wo 's mit dem Führen nichts ist, nicht faul, das ist wahr. Da schnitzt er Almküh und Gamsen und Hirschen für die Schnitzwerkhandler in der Gegend umher. Kann's nit bald einer so fesch, wie der Karl, sagen die. Und ein Fuhrmacher ist er auch. Kleinwinzig sind halt seine Fuhren, wohl kleiner, als wie die vom Göden, sind aus einem Holzscheit hergearbeitet, und kleine hölzerne Manderln und Weiberln werden drein geleimt. Ja, ein Geld verdient er sich allweil, der Müllnerbub, aber der Wallner haltet nicht viel auf sein Verdienen.

„Dös van is muatwüllis Halsbrechagehn und dös anar is a Tandlweri", und er meint, der Karl sollt' lieber ein anderes ruhigeres Handwerk lernen. Seine eigene Fuhrhütten kann er ihm wohl nicht auftun, da muß er sich den Platz für seine und dem Wena seine Kinder sparen. Aber es gibt noch so viel anderes: schneidern, schustern oder die Schlosserei, wenn sie ihn schon in der Mühl' nicht brauchen, die so einmal der ältere Bub kriegt, und die zwei Familien wohl nicht satt machen tät.

Aber was! Heut schreit der Dominerl sein Gödenkind ein­ mal freundlich an. „Karl! Höi!"

Der Bub schaut um. Er sieht den Göden. Er grüßt brav. Der Wallner winkt ihm mit der Pfeifen. „Kim he!" Der Karl folgt und geht gegen dem „grünen Anger" zu. Aber er wundert sich. Er weiß, der Göd ist „a wenig harib" auf ihn, weil er in der schönen Zeit nicht daheim hocken mag, bis auf einen Rasttag hie und da, weil er aushin und aufhin muß auf die Höh', weil 's ihm da nicht leiden tät in der Stuben bei einem Handwerk. Nachher ist's ihm ein bisserl zuwider, daß er jetzt aufgehalten wird. Er hat heut' „a Gehats", das ist ein gutes Geschäft gehabt, und möcht' schon gern im Hallerwirtshäusl drunt sein. Dort kommt er allweil mit seinen guten Freunden zusamm'. Und da ist auch die fesche Reserl Kellnerin. Der hat er schon einmal ein Bußl gegeben und sie ihm eins. Wann ihn der Göd nur nicht etwan recht einspannt. Aber nur nichts ankennen lassen!

„Was wllllst denn vo'n Buam?" fragt der Stimitzer den Wallner.

„De mua' üns 's firti macha."

„A— so! Moanst e kans?"

„Ja i moa."


Wann er auch was gegen den Karl hat, der Dominerl, er muß es sich doch eingestehn, der Bub ist nicht dumm. „Is grad guad, da' mar alloa'hand." Schön ruhig kommt der Karl zum Fenster hin. Ein bisserl ein ernsthaftes, respektvolles Gesicht macht er sich an, hebt den Hut und grüßt dir Männer nocheinmal.

„Gua'n Ambt." Er duckt sich ein bisserl, 's Fenster ist so viel nieder, weil die Gast­stube so tief hinunter gebaut ist. „Grüaß Di," sagen die zwei Freund und schaun zu ihm hinauf.

„Was schafft da Göd?" fragt der Bub. Das Zigarl haltet er bescheiden in der Hand. Der Dominerl ruckt ganz eng an's Fenster an und stemmt den einen Ellbogen auf's Brettl. „Du Karl," hebt er gemütüch an. Da schreit ihm aber schon die Frau Wirtin von einem obrigen Fenster drein: „Anamial!" Da zieht's dem Wallner den Mund auf die Seit'.

„Lost" sagt er heimlich, und der Karl „lost." Der Stimitzer lacht so in sich hinein.

„Anamial," schreit die Frau wieder „Hast d'Henn ein' tan?" „Ja Frau!" kommt eine Antwort vom Stall her.

Das ist die Dirn, „Bis aufm Hahn."

„Den muaßt ja ar ein'toa! Geh a a weng! la da schaun!"

„Ja!— Pi, pi, pi, piberl! scht, scht— gehst!"

Der Wallner schaut den Karl an.

„Hast as ghert?" „Ja?" Der Bub weiß nicht recht, was er damit tun soll.

„Na, alsdann! Und hiat los weida! Balst as gscheid machst, kriagst was!"

Der Karl schaut und lost wieder aufmerksam, und der Göd singt ihm ganz leis für:

„Anamial hast d'Henn eint«. Za Frau bis aufm Hahn, Den muaßt ja ar ei' Ioan —"

Der Karl hat fest aufgepaßt. „Na, und wia gehts weida?" fragt ihn jetzt der Wallner.

„Ja— dös woaß i nit —"

„Ja! dös solltst halt wissn, mei Bua! Z'wegn den han i da ja gschrian," lacht der Göd.

„Geh, b'sinn di a weng! Mia hent dos Gschroa da da gwissa schon oft bmua, hamt a Gsangl draus macha wölln und künant's Endt nit finden!" Der Karl versteht. „Ja so, und auf dös sollt' i leicht kem'?"

„Ja, ja. Bist ja sist a findiga Bua, hast ja schan woitla artlanö*) Weg gfundtn, öppa findtst dös a!"

*) viel seltsame

„I's a Lob, oder is a Spod?" denkt sich der Karl. „A g'spötti's Lob," tut aber gar nichts dergleichen und bittet schön sanft: „Singt ma's da Göd öppa nu oamal fü'?"

„Nun ja, bals dar aft bössa ei'fallt!"

Und der Dominerl singt wieder:

„Anamial hast d'Henn ei' ton, Ja Frau bis auf'm Hahn, Den muaßt ja ar ei' toan -"


Der Karl merkt sich ein jedes Wort. „Den muaßt ja ar ei' toa."

Ein verhaltenes Lachen stiegt ihm über's Gesicht. Er weiß schon, was er wissen soll! Aber soll er's dem Göden sagen, der alleweil so grantig ist mit ihm, und ihm jetzt nur schön tut, weil er ihn brauchen kann? Sollt' er ihm nicht einen Posten spielen, sagen, ihm fallt nichts ein, und das fertige Gsangl nachher beim Hallerwirt singen, dem Göden zu Fleiß? Er besinnt sich. Die zwei Männer glauben, er studiert nach. Er denkt sich aber alleweil nur grad: „solld i, oder solld i nit? Aber richtig! Er kriegt was, wenn er's gscheit macht. „Nu?" mahnt ihn jetzt der Göd neugierig. „Sist sands alloa"— stoßt's es dem Buben gah vom Mund.

Der Göd und da Wena lachen laut vor Vergnügen und der Karl lacht ganz zufrieden und stolz auch mit. „Du bist ja do a recht a Sappra!" sagt der Wallner, langt mit der Hand über's Fensterbrett! und schlagt seinem Gödenkind aus die Schulter. Nachher greift er willig in den Sack. „Sö!" er biegt sich hinaus und drückt dem Buben was in die Hand. Der Karl greift gschwind ein bisserl dran. Ein Viertelgulden! Er kennt's Geld recht gut, ohne daß er's anschaut. Na, hat sich schon ausgezahlt, daß er's dem Göden nicht verschwiegen hat. Ist nicht schuftig der Göd. Ein leichter Verdienst! Und es kommt ihm grad gelegen auch. Er möcht' der Reserl einmal was kaufen, eine Brosch oder ein neues Halstüchl. „Schen Dank, Herr Göd!" Er schiebt's ein. „Ja, ja, is schan guad! Und gal! sagst as neamd bis auf moring! Woast, mia wöün's da Anamial und da Wirtin zescht singa." „Ja, ja, awa frali!" Die fünfundzwanzig Kreuzer haben den Karl fünfundzwanzigmal gutwilliger gemacht wie eher. Nachher fragt der Herr Göd noch wie's daheim gieng, und nachdem der Karl gesagt hat, es tät's schon und die Frau Godn schön grüßen laßt, wird er in Gnad' und Freundlichkeit entlasten. Dem Dominerl ist's wohl eingefallen, er könnt' dem Buben auch einmal ein Glasl Bier zahlen, aber „gar a so toan de'f ma nit mit eahm, e is halt do a weng leichtsinni und terkopfat*) und seine Leut' ah.

*) dickschädlig.

Und an Viertlguldn hats mar eh schan aussa grissn, is eh bmua. Na, all' Tag is nit Kiritag!" Den Stimitzer freut's, daß das Gsangl jetzt ganz ist, denkt sich aber: „Da Bua und da'n da Dominerl gruafm hat, geht mi nixi an," und haltet den Karl auch nicht auf. Der Bub ist froh, daß er feine Freiheit sobald wieder hat und den Viertler noch dazu. Er schaut wieder zu feinem Zigarl. Na, grad daß es ihm halt nicht ausgegangen ist! Ganz vergnügt und verschwiegen zieht er beim Hallerwirt ein. Der Wallner und der Stimitzer sitzen nimmer lang allein. Bald ist die Frau Wirtin und die Kellnerin da, und alleweil mehr und mehr Gäst', Bekannte und fremde Herrn kommen und mit denen kommt auch die Anamial in die Gaststube zur Bedienung, denn sonst wird's der einen Kellnerin „z'dravi." So recht gut kann sie's nicht s'Bedienen, die Anamial. Sie tut alles so viel langsam. Aber sie ist jung und sauber und lustig, das genügt den Gästen in der Gaststube— für die Damen im Extrazimmer ist so sie nicht da. Finster wird's in der Stube, sie zünden 's Licht an. Bei dem Tisch, wo der Dominerl und der Wena mit ihren Freunden sitzen, raunelts und lacht's heut' so seltsam. Und auf einmal— die Frau Wirtin steht grad bei ein paar fremden, lustigen Tou­risten und die Anamial lacht mit ein paar großen Bauern— auf einmal fangen die alle um den seltsamen Tisch kraftvoll und recht deutlich zum singen an:

„Anamial hast d'Henn ei' tan, Ja Frau, bis auf'm Hahn, Den muaßt ja ar ei' toa' Sist sand's alloa."

Die Frau Wirtin und die Anamial sind baff. Die andern Gäst' lachen und fragen. Die vom Ecktisch geben Antwort und erzählen lustig. Nachher greint die Frau Wirtin im Spaß. Die Anamial ist zuerst ganz rot und stumm, endlich schreit sie:

„Na, da Hahn, dös dumm' Vieh, wal ar a allmal nit ahi mag!"

„Ja! Du kannst as Ei'toan nit!" zankt die Frau lachend auf sie hin. „A mei' Han", nimmt einer von den Gästen das Dirndl in Schutz. „E mag halt nu nit hoamgehn, da Hahn. We woaß, was ar eahm guads nu allmal heraust müßt! Mia lögnd üns a nit gleich schlaffm, bal d'Sunn ahi is, hand irwa nu weit spöda bo da Nacht a nit dahoamt—Frau Wirtin oft zu Deina Freud!" Da lachen sie und singen wieder und jetzt alle, alle Gast' von der Gaststube, die fremden Herren singen auch mit:

„Anamial hast d'Henn ei tan. Ja Frau, bis auf m Hahn, Den muaßt ja ar ei' toa' Sist sands alloa!"





Ludmila Nowak.

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