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Ein Jüdischer Zweig im Salzkammergut.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Der jüdische Friedhof in Gmunden Foto: Wikipedia



Aus

Von Hofrat Ing. Karl Raudnitzky, Gmunden.


So mancher der zahlreichen jüdischen Reisenden, die zum ersten mal das herrliche Salzkammergut und insbesondere das malerisch am Traunsee gelegene Gmunden besuchen, sind einigermaßen von der Tatsache angenehm überrascht, auch in Gmunden Glaubensgenossen zu finden, die ihren ständigen Wohnsitz daselbst haben.



Benützt der Fremde einen Dampfer oder ein Motorboot zu einer Fahrt über den Traunsee und genießt die Reize der imposanten Natur und entschließt er sich von der Endstation der Seefahrt, von Ebensee aus, mit der im Sommer 1927 eröffneten Personenschwebebahn das Höllengebirge zu besuchen, dann bleiben ihm die einstürmenden Eindrücke der gewaltigen Bergwelt, das imposante Karls-Eisfeld des Dachsteingebietes unvergessen.


Wenn er die Rückfahrt mit der Schwebebahn über tiefe Täler und Schluchten angetreten und schließlich den gewohnten sicheren Talboden wieder unter den Füßen hat, dann hat er das Gefühl, wie wenn er von einem mächtigen Alpdruck befreit würde, und freudig sucht er dann gleichgesinnte Menschen auf, die ihn ganz anders verstehen als der Durchschnittsreisende und deren ihm entgegenschlagende Wärme erdoppelt angenehm empfindet.


Wie entstand nun die kleine jüdische Niederlassung in Gmunden?


Wir müssen bis in das Jahr 1866 zurückgehen, da es zum erstenmal gestattet wurde, daß sich ein Jude in Gmunden seßhaft macht. In diesem Jahre ließ sich der erste Jude, der Kaufmann Markus Kohn in Gmunden dauernd nieder, nachdem er schon einige Jahre zuvor fallweise, selbst durch zwei Monate hindurch, sich in Gmunden aufhielt.

Im Jahre 1873 zogen der Kaufmann Ignatz Fischer, gest. 1875, der Schneidermeister Moritz Steiner und der Kaufmann Siegmund Rujder in Gmunden ein.


Durch weiteren Zuzug in den nächsten Jahren, bzw. Jahrzehnten wurde langsam der Grundstock zu einer kleinen jüdischen Glaubensgemeinschaft gelegt, der auch schließlich durch die mittlerweile in Ischl eingewanderten Juden eine Verstärkung erfahren hat.

So lebten die Glaubensgenossen friedlich und in bestem Einvernehmen mit der Umgebung, wobei wir der Vollständigkeit halber noch erwähnen müssen, daß Verstorbene, in Ermanglung eines jüdischen Friedhofes in Gmunden nach Linz überführt wurden und erst 1913, speziell für die Erfordernisse des Marktes Bad Ischl, dank des Entgegenkommens des damaligen evangelischen Pfarrers in Ischl, auf dem Ischler evangelischen Friedhof für die Juden eine eigene Abteilung reserviert wurde.


Da trat der Weltkrieg ein und nun zeigte es sich, insbesonders in der Nachkriegszeit, wie verlassen das kleine Häuflein Juden dastand.


Im Jahre 1922 starb eine ältere Frau in Gmunden. Eine Überführung nach Linz oder Ischl war infolge der großen Kosten nicht möglich. Nach längeren Verhandlungen war das katholische Pfarramt bereit, auf seinem Friedhof eine Grabstätte zu gewähren, doch zeigte es sich in letzter Stunde, daß die Leiche im Selbstmörderwinkel hätte bestattet werden müssen; nur dem Eingreifen der politischen Behörde war es zu danken, daß eine provisorische Bestattung auf dem evangelischen Friedhof erreicht werden konnte.


Nachdem in der Nachkriegszeit noch eine kleine Anzahl Glaubensgenossen aus den ehemaligen östlichen österreichischen Provinzen nach Gmunden übersiedelte, ging man, aus dem letzten Vorfall die entsprechenden Lehren ziehend, energisch daran, einen eigenen jüdischen Friedhof zu schaffen. Im Jahre 1923 wurde er fertig gestellt, dank der Unterstützung der Kultusgemeinde Wien, der heimischen Kultusgemeinde Linz, des früheren Präsidenten der Unionbank Herrn Bösel und der kräftigen Förderung der Gmundner sowie zahlreicher auswärtiger Glaubensgenossen.


Die Not der Zeit führte aber auch die Glaubensgenossen näher zusammen: man empfand deutlich, daß nicht jeder seinen eigenen Weg gehen könne, daß nur in der Zusammenfassung aller Elemente die Bürgschaft für eine gewisse Sicherheit aller und für die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen liegen könne. Diese Zusammenfassung ist zunächst auf gesellschaftlichem Gebiete durchgeführt worden und da zeigte sich, daß die gegenwärtig in Gmunden lebenden 13 jüdischen Familien, im Ganzen 52 Seelen umfassend, die notwendige Lebensenergie jederzeit zu entfalten in der Lage sind, um sich nicht nur auf diesem einsamen Posten zu behaupten, sondern auch jederzeit bereit sind, ihre religiöskulturellen Aufgaben zielbewußt durchzuführen.


Die Auswirkung dieser Bestrebungen bildete zunächst die Gründung eines Bethausvereines für den politischen Bezirk Gmunden, dessen Aufgabe es ist, die Errichtung eines jüdischen Bethauses anzustreben, um den bisherigen unwürdigen Verhältnissen ein Ende zu machen. Die Statuten des Bethausvereines wurden seitens der oberösterreichischen Landesregierung rasch genehmigt und dank der Opferwilligkeit der Gmundener Glaubensgenossen, die sich zu Monatsbeiträgen von S10.—bzw. S5. Entschlossen hatten, sowie dank einer namhaften Unterstützung durch Schweizer Glaubensgenossen war es dem jungen Vereine möglich, im September 1927 in einer Villenstraße Gmundens einen Bauplatz von zirka 450m2 um S3300 zu erwerben.

Damit haben die Bestrebungen des Gumundener Bethausvereines eine feste Gestalt angenommen, da das Ziel durch diesen Grunderwerb schon eindeutig und sicher gesteckt ist. Nun heißt es abermals, die Mittel zu beschaffen, die für ein noch so einfaches Bethaus nicht unbeträchtlich sind und doch ungefähr S15.000 erfordern dürften.

Die Opferfreudigkeit der Gmundener wird gewiß nicht erlahmen, aber ein Betrag von S15.000 ist selbst durch die hohe Beitragsleistung der Gmundener Glaubensgenossen nicht sobald aufgebracht. Deshalb ergeht an die gesamte jüdische Mitwelt die herzliche Bitte, die kleine jüdische Siedlung im Salzkammergut zu unterstützen und zum Bethaus ein Schärflein beizutragen. Es handelt sich doch auch um die Förderung eines an exponierter Stelle erwachenden Zweiges des Judentums und wir brauchen wahrlich nicht weiter auszuführen, was dies in der gegenwärtigen Zeit bedeutet.



Wir rufen daher alle nochmals zur gütigen Mithilfe auf und bitten, Spenden für den Bethausbau an den Kassier des Bethausvereines Herrn Berthold Kormany, Großkaufmann in Gmunden, Kamerhofgasse, übermitteln zu wollen.

Glaubensgenossen, die irgend welche Auskünfte über Gumunden wünschen, wenden sich an Herrn Hermann Smetana,Vorstand der jüdischen Glaubensgemeinschaft in Gmunden, Bahnhofstraße 5

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