Von Ludmilla Nowak.
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Bild von F. Simony 1842
Die Eissage von der hohen Hallstätter Schneealpe.
L. Novak,
Aigen bei Wels.
Am See liegt Hallstatt, der alte Salzmarkt, fast am Fuß des Hirlatz die Lahn mit ihrem Sudhaus, um das in jüngster Zeit so schwer gekämpft wurde und das wichtig ist für das Bestehen der armen Hallstätter. Drüberm See, zwischen hohe Wände und Waldabhänge gebettet, sind Obertraun und Winkl. Das ist alles tief unten. Die Ortschaft Salzberg liegt schon höher, dahinter steigt der Plassen auf, aber das ist alles nichts gegen den Dachstein und sein Eisfeld. Nicht weit hinter dem Hirlatz und hinter dem Zwölferkogel und in kurzem schwindelnden Steig erreichbar von der Hirschau-Alm über das sogenannte „Küefel", so nahe, daß man sie von den Seeortschaften gar nicht sehen kann, liegen das ewige Eis und die höchsten Spitzen des riesigen Gebirgsstockes. Vor hundert Jahren hieß es dort oben noch "Die hohe Hallstätter Schneealpe." Es sind auch Almen dort oben, die Ochsenwiesalm, die Gjaidalm und andere,— aber es soll noch eine gewesen sein, vor langer, langer Zeit,— vom Taubenkar hinauf, dort wo jetzt der Gletscher ist.
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Da war eine Alm, eine schöne große, mit festen Hütten und prangenden Wiesen. Und Tannen sind ringsum gestanden, kein kahles Fleckerl hat's gegeben, alles war grün bewachsen und ein klares Brünnl war da. Kurzum ein schönes Sein war's da oben, ein lustiges Leben. Die muntern Sennerinnen haben gejodelt vor Freud und gern gearbeitet. Das liebe Vieh ist gediehen; denn so schön und saftig wie dort oben war das Gras nirgends. Da gaben die Kühe Milch, daß die Sennerinnen schier nicht mehr wußten wo ein und wo aus damit, und die „Käser, die niedrigen steingebauten Milchkeller, wurden ganz und gar zu klein. Fleißig wußten die Almerinnen Butter und Käse in vollen „Fahrtln" (Schaffeln) zu Tal tragem. Nie gab's auf dieser Hochalm ein Unglück mit dem Vieh und jeden Herbst konnten die Tiere bekränzt heimziehen.
Wenn die Sonne so auf die Alm schien und der Himnel so blau darüber stand, dann glaubte man, im Paradies zu sein. und jedes Menschenherz ward leichter, das in diese gesegnete Höhe kam. „Wann l auf d' Alma geh, laß i mein Load dahoam..." So ging es lange Zeit und die Sennerinnen blieben brav und die Menschen gut und dankten Gott für den reichen Almsegen.
Aber allmählich sind's die Leut gewohnt worden, das Almglück, und sie haben's nimmer geachtet! haben geglaubt, es müßt' so sein und bleiben. So wurden sie nachlässig und die Sennerinnen ließen manches verderben, sie verschwendeten, sie kamen „ins Urrassen". wie man sagt, und endlich erfaßte die jungen Dirndln und die Hüterbuben auf der Höh' ein gottvergessener Übermut: um besser gehen zu können, schmierten sie den Weg mit Butter, auf daß er lind und weich würde! Ja, die eitlen Mägde vermaßen sich: „Jetzt wird's erst gut! Jetzt können wir bald die Tanzschuh anziehen statt "Grobg'nahten", wenn wir auf und abgehen mit dem "Fahrtl". Aber das war zu viel! Da kam die Strafe Gottes.
Furchtbares Gewölk zog sich am Himmel zusammen, so schwarz wie man es noch nie gesehen. Und es senkte sich auf die Gipfel der Berge nieder, so dicht, daß man beim hellichten Tag nichts mehr sah. Ein schreckliches Gewitter brach aus. Gott ließ, erzürnt und beleidigt über den Frevel an seinen reichen Gaben, alle Mächte der Finsternis über die Schuldigen los.
Über den Gjaidstein raste mit Geschrei und Gejohle das "wilde Gjaid" das wllde Heer. Schaurig heulte der Sturm. Wasserfluten gossen vom Himmel, darunter Hagel mit Eisstücken. Es war ein Ungewitter, so entsetzlich, daß die Leute im Tal auf den Knien um Gnade beteten.
Felsen hörte man stürzen und Bäume im Windbruch krachen. Die verzweifelten Schreie, die von der wunderschönen Alm am Taubenkar erschollen, konnten nicht zu Tal dringen. Schier bis zum See herunter waren die Berge unsichtbar. Das wilde Gejaide tobte weit in den Bergen umher. Bald schlossen brausende Wildbäche in trüben Fluten von den Wänden hernieder.
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Als sich endlich der Himmel wieder lichtete, die Wolken sich verzogen, da war die reiche Alm hoch droben verschwunden. Gott hatte die Fruchtbarkeit genommen, die er dieser Höhe ehedem so gnädig verliehen. Keine Spur war mehr da von all dem blühenden Leben. Eis türmte sich an dessen Stelle in erschreckender Todeskälte bis zu den höchsten Gipfeln und die Gegend herum war kahl; kein Baum, kein Strauch konnte hier fortkommen. Weitum hatte das wilde Heer alles verwüstet und in eine Steinwüste verwandelt, bis zur Herrengasse hinab, die früher so schauerlich zerklüftet war, daß man dort von Stein zu Stein springen mußte. Die frevelnden Sennerinnen sind nie mehr ins Tal gekommen, das Eis hat sie, ihre Hütten und das arme Vieh haushoch verschüttet und begraben. Das war die Strafe für den Übermut, der sich an der lieben Nahrung versündigt hatte.
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Das ist eine Sage, eine Warnungssage wie so viele und wir sie öfter in Alpengegenden vorkommt. Sie warnt vor Übermut im Glück. Fast dieselbe Mär geht ja von der „übergossenen Alm" im Salzburgischen, die heutzutage mehr unter dem Namen „Hochkönig" bekannt ist. Die Hallstätter Eissage kann nicht wahr sein, denn der Dachsteingletscher ist ein Überrest der Eiszeit, wo er einst das ganze Seetal ausfüllte, wie schon die deutlichen Spuren der Gletscherschliffe beweisen. Ein solcher trat nächst der der Bahnhaltestelle Hallstatt beim Bahnbau 1876 zu Tage. Auch die sogenannte „Platte" dort, das sich als ein Feld abgeplatteter Felsen schon unter Wasser am Ufer zwischen der Schifsshaltestelle und Schloß Grub zeigt, erinnert an die Arbeit des Eises.
Die Sage von der Hallstätter Schneealpe ist eine Geschichte, die sich das Volk schuf, das Alpenvolk, das so gern erzählt und in seiner Abgeschlossenheit einen so reichen Sagenschatz ansammelt.
Noch zu Professors Simony's Zeit ging der Gletscher als Karleisfeld viel weiter ins Taubenkar hinunter. Der jetzige Hallstatt-Forscher, Herr Regierungsrat Dr. Morton schreibt in seinem Führer von Hallstatt, daß eine Gletscherzunge einst bis zu den Wänden der Hirschau herabgereicht haben mag.
Vor dem immer mehr zurückschwindenden Gletscher steht heute nächst der Simonyhütts das Dachsteinkirchlein und ladet zu stiller Höhenandacht ein. Bald wird die Dachstein-Straße, an der ja auch das Land Steiermark interessiert ist, auf das Hochplateau hinaufführen und aller Welt den Zauber dieses unaussprechlich schönen Hochlandes erschließen. Auch diese moderne Straße wird die Natur hier nicht verdrängen, ihre Schönheit nicht beeinträchtigen.
Dort oben bleibt die Höhennatur Herrscherin, denn zur wirklichen Knechtung, zur Fruchtbarmachung und Bebauung mit nährenden Pflanzen durch die Menschen wird sich diese ergreifende Stein- und Eisöde nie zwingen lassen.
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