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Erinnerung an den Verlobungstag des Kaisers.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner


In Hallstatt von 1853 bis 1903.

Erinnerung an den Verlobungstag des Kaisers.

Von Emil A. Kath.

So oft ich wiederkehre nach diesem gottbegnadeten Erdenwinkel sei es im Schnee und Wintersturm, sei es bei Regen und Sonne im Sommer, lacht mir ein liebes, gemütliches Gesicht entgegen.

Grüß Gott und ich eile ihr zu. "Cilli!- Servus!"

Und dieses originelle Wesen, das in dem Bade und Wohnhaus regiert als Vertreterin des Besitzers, diese Frau Cilli muß mir heute was erzählen. Ich bewohne ja auch unter ihrer Obhut ein Zimmer des alten Eyselschen Salzfertigerhauses. Mein Eckzimmer bietet durch die eine Fensterscheibe den Blick auf die Ortschaft Lahn und die nach Mittag gelegenen Vorberge des Dachsteins. Durch das zweite Fenster schaue ich in den Garten und hinweg über die Badehütten auf den See. Da ist es bei schönen Wetter recht belustigend, den in dem See Badenden, Schwimmenden ihre verschiedenen Froschbewegungen anzuschauen. Aber heute gibt es da keine rosigen Menschenleiber im Wasser; unbelebt liegt das träge Grau draußen.


"Cilli, heute gibt es keine Schwimmenden!" sage ich um das Gespräch zu eröffnen. Darauf sie: ""Uh, aus is, na, bei dem Wetter müßten's alle erfrieren!" Und Cilli blickt mit mir durchs enge Fenster und fragt: "Erinnern Sie sich noch, wie's früher war in dem Garten, wie S' noch ein kleines Kind gewesen sind? Da ist alles noch in demselben Zustand wie dazumal gewesen, als der Kaiser seine Verlobung gefeiert hat. Nu, das wissen S’ nimmer, denn das ist im Jahre 1853 gewesen, da waren S’ noch gar nicht auf der Welt." Ach, die liebe Frau Cilli! Ich hätte sie umarmen können, daß sie mir an diesem trübseligen Nebeltage so was "Interessantes" erwähnte.

"Ja, Cilli, wie ging denn das zu damals? Erzählen Sie mir doch! Waren Sie denn bei der Verlobung dabei? Da müssen Sie ja doch auch noch ein kleines Dirndl gewesen sein"- "Ja, freilich, ganz klein! Uh, mein Gott, das war einer der seligsten Tage meines Lebens! Haben Sie die Tafel nicht gelesen auf der Hausmauer ober dem Balkon? Der Hausherr hat sie renovieren lassen, als vor fünf Jahren das fünfzigjährige Regierungs-Jubiläum Sr. Majestät war, denn der Herr Seeauer halt das Haus, wo der Kaiser ein solch bedeutendes Ereignis seines Lebens feierte, in Ehren und hat es als Eigentum behalten, daß es erhalten bleibt, als er vor sechs Jahren seinen Besitz hier in Hallstatt verkaufte und's "Elisabeth" in Ischl übernommen hat."


"Na, Cilli, das ist sehr schön, aber was war's mit dem Verlobungsfest des Kaisers?"-

"Ja, ich bin halt noch ein klein's Schuldirndl gewesen und weil meine Firmpatin von der damaligen Besitzerin von dem Haus- der bösen Frau Deublerin- eine gute Freundin war, so hat's uns an den Verlobungstag in eines von den zwei Gartenhäuserln, die rechts und links im Eck, wo jetzt die Badehüttenreihe steht, gewesen sind, gehen lassen und da haben wir unserer drei Madeln mit meiner Mutter die noblen Herren und Frauen ang'schaut. Und so lustig sinds gewesen und eins schöner als das andere, besonders der junge, fesche Kaiser und sei schöne, schöne Braut. Und der selige Herr Erzherzog Ludwig Viktor, der war halt gar so liab und übermütig. Das war halt für uns Kinda das Höchste, eine rechte Freud! Der hat uns immer vom Balkon herunter g'schrien: "Kommt's, Kinder! Breits die Schürzerln auf!" Und da sind wir unter den großen Balkon hing'lauf'n und haben die Firterzipfeln mit die zwei Händ' aufg'halten und er hat uns so viel Zuckerbacht von der Hoftafel herunter g'worfen, daß wir's gar nicht alles essen haben können. Und heut woas ich's so gut, wie wir damals über den lachenden, freundlichen Herren und die schöne Feier glückselig gewesen sind. Mein Lebtag denk' ich d'ran und Jahr und Tag haben wir uns die Zuckerfigürln aufgehoben im Gäserkastel zum Angedenka." "Cilli, die Tafel möcht ich mir abschreiben, denn es ist ein geschichtlicher Moment. Der schönen Bayernprinzessin und des jungen österreichischen Kaisers Verlobungstag im pitoresken Hallstatt." "Juhu!" Meine ganze Regenmelancholei ist verflogen über Cillis Erzählung. So ein junges Glück bringt Sonnenschein überall hin, auch wenn es noch so Nacht und Nebel ist. "Ja, es war auch ein wunderschöner, sonniger Augusttag, als damals die hohen und höchsten Herrschaften hier so lustig waren. Ich bin jetzt schon selbst lange Jahre im Seeauerhaus und denk' noch immer daran. Sehen Sie, die zwei immergrünen Sebenbäume stehen noch im Garten, die damals schon Sommer und Winter - Sonne, Regen, Schnee und Wind Trotz boten und so oft ich durch den Garten geh', fallen meine Blicke auf die Gedenktafel und ich schaue dankbar zurück auf den heiteren Tag. Warten S', ich führe Sie auf den Balkon, da können's die Tafel lesen." Und da lese ich dann: "Es lebe hier der Besuch unseres geliebten Kaisers Franz Joseph XIX. August als Tag seiner Verlobung."

Es war schön und pietätvoll, daß der damalige Besitzer Deubler diesen schlichten Stein einmauern ließ und selbstverständlich, daß der jetzige Besitzer des Hauses das in Ehren hält, wenn auch sogenannte »Moderne« die Köpfe schütteln über die schlechte Stilisierung und den bescheidenen Marmor. Die Ursprünglichkeit dieser Gedächtnistafel bleibt, wie sie ist, loyal gedacht, empfunden und ausgeführt, aus der Zeit des Geschehnisses und darin liegt der ehrliche Wert, daß es keine volltönenden Phrasen sind. Phrasen würden die erste gute Absicht nicht verbessern —- nur entweihen.

Ich stehe lange vor der weißen Mauerwand mit der eingefügten Marmortafeln woraus die krausen Buchstaben hin und her stehen und träume mir die hohe Gesellschaft in die Gegenwart. Die freudige Brautstimmung umgibt mich in den alten Mauern der dereinst hervorragenden Gaststätte »Zur weißen Taube« in Hallstatt. Ich höre die Gratulationen— ich höre die süßen Liebesworte des hohen, bräutlichen Paares— die Erinnerung flüstert aus allen Ecken und durchweht die Luft. Es überkommt mich wie ein Märchentraum— als sei alle Tragik, die der Herrscher Österreichs seit jenem lichten Tag durchlebte— nicht geschehen. Es träumt mir alles jung, wie an jenem Verlobungstage, als wäre alles stehen geblieben, denn das Haus —- der naive Denkspruch —- die immergrünen Bäume —- sie stehen unverrückt wie einst!

»Im Vordergrund von allem lebt aber die Erinnerung jung und frisch!« Die Cilli hat ’s gesagt -· die Cilli weiß es— die Cilli lacht so herzlich vergnügt, wenn sie an diesen Tag denkt, als wäre er gestern gewesen! —-— —-

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