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Hallstätter Streiflichter

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner



Von Melitta Adler (Tante Metta)

Aus: Unser Schaffen

Zeitschrift der Hilfsgemeinschaft der später Erblindeten Österreichs

Hallstätter Streiflichter


Hallstatt ist vielen ein vielseitiger Begriff.

Dem wissenschaftlich Orientierten ist er der Name einer Kulturperiode vorgeschichtlicher Zeit, dem Kraftfahrer eine langweilige Einbahnstrecke, auf der man 19 Minuten auf das grüne Licht warten muß, dem Schönheitsdurstigen ein gottbegnadetes Fleckchen Erde.

Und mir — eine zweite Heimat.


Als ich zu Weihnachten 1924, bei finsterer Nacht, in der Haltestelle Hallstatt ausstieg, dem abfallenden Pfade folgend das Schiff erreichte und über den dunklen See fuhr, lag es vor mir wie ein ungeheurer Weihnachtsbaum. Die Lichtlein der Häuserzeile an der Seestraße stellten die breiten Grundäste, die hellerleuchteten Fenster der Mühlenhäuser seine Spitze dar. Später ging der Mond auf und in seinem magischen Lichte erstrahlten die Wände des Hirlatz in zauberhaftem Glanze. Der mit Millionen Diamanten des Rauhreifs überstreute Wald funkelte und gleißte. Wer solche Pracht zum erstenmal sieht, ist davon überwältigt.

In dem schlichten Häuschen, in dem ich gastfreundlich aufgenommen wurde, atmete alles Behaglichkeit. Der gewaltige, grüne Kachelofen verbreitete wohlige Wärme und lustig knisterten lange Buchenscheite in seinem Inneren. Jedes Möbelstück erzählte von alter Volkskultur. Auf der Biedermeierkommode stand die Standuhr mit den Alabastersäulen, auf dem Nussholzkasten ein wächsernes Christkind im Glasschrein, unter dem Wandschrank ein bequemes, altmodisches Sofa, davor der Tisch.

Die Krone des Ganzen: eine große Weihnachtskrippe. Die hatte der, erste Besitzer dieses Hauses an langen Winterabenden selbst geschnitzt und sich dabei an die Vorbilder anderer volkstümlicher Künstler gehalten.


Die Hallstätter Krippe

Die Hallstätter Krippe ist nach ganz besonderen Gesetzen gebaut und unterscheidet sich bedeutend von Krippen aus anderen Orten Oberösterreichs. Das Hauptstück bildet wie überall der Stall mit Maria, Josef und dem Christkind, vor .ihm knien die Hirten, die später von den Heiligen Drei Königen abgelöst werden. Links steht das Gasthaus zum ,,Goldenen Stern“, vor dessen Tür Maria und Josef barsch abgewiesen wurden. Hinter dem Stall erhebt sich die „Hoad“, auf der die schlafenden Hirten vom ,,Halleluja“ den Engel geweckt werden. Nur einer will sich nicht ermuntern lassen, der ,,Stacherl“. Daher heißt es auch im Hirtenlied:


,,Stacherl, mußt früh aufstehen! Ja was denn toan? — Mi wunderts daß’d schlafn magst. — Ja i schlaf schoan. — Geh mit mir auf die Weid — schau, was für a Musi, geit — is so licht wie ban Tag. — Ja, was war das? — Die Musi hör i wohl — ja i hör nix, nimm dein Pfeifen mit dir — die is schon gericht — die Boarn deant singa; obn, es sei ein Kind geborn!“

Wie plastisch, anschaulich hier die Weihnachtslieder sind, erkennt man an dem Dreikönigslied, in dem der Hirt nach der Begegnung mit dem fremdländischen Zug erzählt.

An Roßknecht hab i zupft beim Rock, den tu i halt glei fragn, i bitt di gar sehen,; sei koan Stock, tua mir die Wahrheit sagn.“

Um aber wieder zur Krippe zurückzukehren, will ich noch sagen, daß sie oft viel schmückendes Beiwerk enthält, das mit dem eigentlichen Gegenstand gar nichts mehr zu tun hat. Dort schießt ein Jäger einen Hasen, hier schwimmen Enten auf einem gläsernen Teich, oder eine Frau schwemmt Wäsche.




Alte Geschichten

An den Abenden dieses Weihnachtsurlaubes saß man gemütlich beisammen, und da ergab es sich von selbst, dass die Herrin des Hauses aus der alten Zeit erzählte, da noch keine Straße, sondern nur die Schiffahrt auf der Traun und schmale Pfade am Seeufer die abgelegene Siedlung mit der großen Welt verbanden. Damals erhielten die Bergleute ihren Lohn noch zum größten Teil in Naturalien — Getreide und Schmalz.


In dieser Zeit ging es in den Familien der Salzarbeiter spärlicher her als jetzt. Der soziale Fortschritt hat auch hier Wandel geschaffen. Wenn die erwachsenen Söhne nach dem Mittagessen zu den Eltern sagten: „Schen’ Dank, Herr Vatter, schen’ Dank, Frau Mutter, gut wärs gwesen!“ so erkennt man daraus, dass sie noch mehr vertragen hätten. Und das Schmalz war so sparsam zugemessen, dass man genötigt war, aus dem frischen Unschlitt (eigentlich zum Kerzenziehen bestimmt), Krapfen zu backen. Aber wenn man’s so recht bedenkt, waren diese Menschen, die abends beim Schein des Kienspanes ihre Figürchen schnitzten, vielleicht glücklicher als mancher moderne Mensch mit seinen vielen Bedürfnissen.


Und an Witz und Humor hat es diesen Älplern nie gefehlt. Wieviel Spitznamen wurden da erfunden, die bei dem häufigen Auftreten der gleichen Familiennamen (Pilz, Zauner, Hemetsberger) direkt notwendig waren! Ein Mädchen, das häufig bemüht war, aus dem Hotel unentgeltlich Suppe zu erhalten, wurde zu,,Suppendunst“, ein Knabe, der einst einen kühnen Sprung über das geborstene Eis wagte, musste sich noch als Mann den Namen „Wunderkind“ gefallen lassen. Daher das Sprüchlein:


Aus Aussee ohne Kind, Aus Ischl ohne Wind, Aus Hallstatt ohne Schand und Spott Is a b’sondre Gnad von Gott.“

Hallstätter Schlagfertigkeit

Als Beweis für die Schlagfertigkeit der Hallstätter im Alltagsleben sei ein Geschichtchen erzählt. Ein Knappe, der sich schon öfters Versäumnisse zuschulden kommen ließ, wird zum Bergrat gerufen, der mit finsterer Miene sagt:

,,Sehen Sie nur einmal her, schon wieder ist eine Seite mit Ihren Untaten vollgeschrieben. Was soll ich machen?“ —

„Umblatteln, Herr Bergrat!“ war die mit stoischer Ruhe gegebene Antwort.

Die Hallstätter sind ein eigener Schlag, geformt von ihrer herben Umwelt und der langen Abgeschlossenheit früherer Zeit. „Ein eiliger Mensch hat kein Glück“ heißt hier ein beliebtes Sprichwort, das den Nagel auf den Kopf trifft. In Eis und Fels, bei der Arbeit im Hochwald wäre die Hast des Städters verhängnisvoll. Jeder Tritt, jeder Schritt, jeder Griff, jedes Ansetzen der Axt oder der Säge muss wohlbedacht sein.


Eine neue Heimat

Und diese Menschen haben mich in ihren Kreis aufgenommen. Fürsorglich umgibt mich, die Wienerin, ihre Liebe, und ich lebe mit ihnen, als wäre es nie anders gewesen, habe Anteil an ihren Freuden und Leiden, an ihren alten Sitten und Gebräuchen.

Am Silvesterabend wandert alt und jung dem Marktplatz zu. Wie reizend sehen die schmalen Giebelhäuser mit ihren hohen Schneehauben aus! Auch die zierliche Dreifaltigkeitssäule ist mit weißen Spitzen geschmückt. Drei hohe Weihnachtsbäume geben dem Platz festliches Gepräge. Da naht die Salinenkapelle und begrüßt das neue Jahr mit schmetternden Fanfarenklängen.


Das nächste Mal sah ich Hallstatt im Frühling, sah die Wiesen im ersten Grün des Lenzes, übersät mit den blauen und weißen Sternchen des Krokus, sah sie in ihrer hohen Zeit knapp vor dem Schnitt, diese würzig duftenden, eine unglaubliche Vielfalt an Blumen bergenden Wiesen. In der Hirschau pflückte ich Alpenrosen, auf der Zwieselalm Kohlröserln. Ich wanderte durch das herrliche Echerntal am schäumenden Waldbach entlang bis zu den prächtigen Wasserfällen. Über den Gangsteig kletterte ich empor zum Salzberg, dessen altes Gräberfeld soviel vom Bergbau der vorgeschichtlichen Zeit erzählt, wanderte weiter zur Steingrabenschneid, von der man einen wunderbaren Ausblick auf den Hallstätter Gletscher des Dachsteins genießen kann.


Ein andermal stieg ich empor zur Simonyhütte und blickte verlangend zum Dachsteingipfel hinüber, ohne den Anstieg zu wagen. So blieb auch der Plassen, diese prachtvolle Bergpyramide hinter dem Salzberg, unerfüllte Sehnsucht. Aber den Sarstein bezwang ich trotz einer langen Plateauwanderung und genss einen weiten Rundblick hinauf zum König Dachstein und hinab sowohl zum Hallstätter See als ins Ausseerland. Ich machte manche genussreiche Wanderung in den Koppenwinkel mit seinem verträumten. Weiher.


Eines der schönsten Erlebnisse, die der Sommer bietet, ist eine Seebeleuchtung. Dem Ufer entlang erstrahlen vielfarbige Lichter, in den Fenstern brennt Kerzlein um Kerzlein. Auf dem See aber fährt das hellerleuchtete Musikboot, dem viele mit Lampions geschmückte Plätten und Gondeln folgen. Wenn der Himmel dann ein Einsehen hat und über all den kleinen Lichtern der Menschen seinen weiten Sternenmantel ausbreitet, fühlt man ehrliche Begeisterung. Jetzt kann ich von all dem Schönen kaum einen Schimmer mehr sehen — aber in meinem Inneren lebt es fort!


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