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Hallstätterblumen

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Aktualisiert: 27. Aug. 2022


Hallstätterblumen.

von Ludmilla Nowak


An den stillsten Winkeln am See und in den Wäldern stehen die schönsten Alpenrosen, die prächtigsten Genzianen, und an den jähsten Wände der Berge wächst jene herrliche sattgelbe Aurikel, die man „Grafenblume" nennt.

Tief im Gemüt des Volkes blüht die Sage und ich möchte fast auch meinen die Geschichte, aber diese Blumen hegt das Volk nicht für den lauten Tag und nur in traulichen Stunden, etwa am Abend, wenn die Dämmerung das Auge mit einem wohltuenden Schleier umhüllt, oder zur Sonntagsjausenzeit, wenn der Kaffee duftend in bunter Schale auf dem reinlich blau oder rot gedeckten Tisch steht, öffnen sich die Lippen, und guten alten Bekannten werden die alten Geschichten erzählt, deren einige ich nun erzählen will.

Wenn man in Hallstatt den Weg nach der Sudhütte geht, so kommt man an den Stationen des Kalvarienberges vorbei, dessen Abschluß die Kalvarienbergkirche bildet, die hinter der Sud-Hütte schwalbennestgleich am Fuß des Hierlatz klebt. Die Stationen sind sehr schön und die Statuen darin lebensgroß und voll Be­wegung; auch die Kalvarienbergkirche ist eigenartig und zur Andacht stimmend.



Der Kalvarienberg von Hallstatt soll aber sehr dem Öl­berg gleichen, und zwar soll er auf folgende Weise entstanden sein: Nach dem großen Brande von Hallstatt im achzehnten Jahrhundert sandte Kaiserin Maria Theresia, jene tatkräftige Herrscherin, viel Geld in die alte Hallstatt, damit sich die Leute dort ihre Häuser wieder ordentlich ausbauen konnten. Sie sandte dieses Geld alles an den Pfarrer. Als sie aber nach einiger Zeit Hallstatt besuchte, fand sie die Bewohner sehr arm, in elend ausgebesserten Wohnungen, welchen man noch die Schäden des Brandes wohl ansah. Die resche Kaiserin zankte mit den Leuten und fragte sie, was sie denn mit dem vielen Geld angefangen hätten, das sie ihnen geschenkt. Aber die Hall­stätter erklärten: „Frau Kaiserin, mir ham von Geld nixi gseha". Die Kaiserin fragte nach dem Pfarrer— dieser war nicht hier, er war außer Land und niemand wußte wo.

Nach einiger Zeit kam er wieder und ließ den schönen Kalvarienberg bauen— er war im heiligen Land gewesen und hatte sich dort den Ölberg angeschaut und nach dessen Muster den Kalvarienberg gebaut. Er dürfte ein sehr resoluter und kunstleidenschaftlicher Herr gewesen sein, der sich dachte: „Not vergeht — Kunst besteht", vielleicht ein Hallstätterischer Wolf Dietrich. So hatten die Hallstätter mit ihren beschädigten Häusern wohl viele Mühe, aber sie hatten für alle Zeiten einen schönen Kal­varienberg.

Von der Kalvarienbergkirche weg führt ein sehr schöner Promenadeweg durch den Wald des Hierlatzabhanges zu dem sogenannten „Vesperbildl", einer netten Waldkapelle, in der das Bild der schmerzhaften Muttergottes, die das Schwert im Herzen und ihren toten Sohn auf dem Schoß hat, tront. Die Madonna soll von einem ganz einfachen Mann geschaffen sein, jedoch ihr Gesichtsausdruck und die rührende Haltung wirkt sehr erhebend.

Die beiden Fenster der Waldkapelle bestehen aus bunten Glas­täfelchen und es ist sehr ergötzlich, durch diese in den Wald hinaus zu sehen, der dann ganz märchenhaft bald in blaues, bald in rotes oder goldiggelbes, oder in magisch grünes und violettes Licht getaucht erscheint. Über das Vesperbildl ist mir keine Sage bekannt, doch dünkt es mich immer ein zur Wirklichkeit gewordenes Marienlied.

Da in diesen Zeilen schon die Sprache vom Sudhaus war, soll hier gleich auch einer Sage ziemlich neuen Ursprungs Erwähnung geschehen. Als das neue Sudhaus erbaut wurde, baute man die Türen und die Öffnungen der Öfen gegen das Echerntal zu. Jedoch so oft man einheizte, löschte der Waldbacher­wind das Feuer aus und es war nichts zu machen.

Da sah man eines Tages eine Jungfrau am See stehen, wahrscheinlich eine Seejungfrau, die herzlich lachte, gerade so, als wollte sie die Pfannhausknechte auslachen.

Die wackeren Männer ließen sich das natürlich nicht ge­fallen, sie fingen die spöttische Dame ein und erklärten ihr, sie nicht eher loslassen zu wollen, bis sie ihnen den Grund ihrer Heiterkeit bekannt gegeben. Da lachte sie wieder und sprach: „Ihr habt ja das Pfannhaus verkehrt gebaut, Ihr müsset es so machen, daß das Feuer zum See hinschaut, dann wirds Euch brennen." und man tat nach ihren Worten und seitdem hat man nie mehr Anstände mit dem Feuer im Pfannhause gehabt. Die Wasserleute waren also immer mit der Beleuchtung, die ihnen der Glanz der Hüttenflammen verschaffte, zufrieden.

Eine der schönsten Hallstättersagen ist die vom „Pfaffenpföhl", etwas ins Schriftdeutsche übersetzt „Pfaffenfall". Eigent­lich ist diese Geschichte wohl keine Sage, sondern eine Erinnerung an eine wahre Begebenheit, die sich in jener Zeit zugetragen, in der der Titel „Pfaff" noch ein Ehrentitel war, wie es auch seiner ursprünglichen Bedeutung entspricht.

Es muß schon viel Zeit über diese Begebenheit dahinge­flossen sein und wahrscheinlich stand damals noch gar nicht die heutige Hallstätter Pfarrkirche, die wohl auch schon ein ehrwürdiges Alter hat, sondern nur die kleine Michelerkirche, eines der interessantesten Bauwerke Hallstatts. Hallstatt hatte damals noch keinen eigenen Pfarrer, es wurde von der Pfarre Goisern mit Seelenhirten versorgt, die nur von Zeit zu Zeit, wahrscheinlich an Sonn- und Feiertagen oder gar nur an hohen Feiertagen nach Hallstatt kamen, und zwar bedienten sie sich bei dieser Reise des zur damaligen Zeit für Herren und Priester sehr gebräuchlichen Verkehrsmittels, des Pferdes. Eine Straße nach Hallstatt gab es damals auch noch nicht, es war nur ein schmaler Weg da, der sich so ziemlich an Stelle der heutigen Straße, aber bald steil aufsteigend, bald wieder scharf abfallend längs des Sees und eng an den Abhang des Steingrabengebirges geschmiegt, dahinwand.

So ritt denn wieder einmal ein Goiserer Pfarrer nach Hallstatt hinaus, einsam und gottergeben, das Allerheiligste an seiner Brust geborgen. Glücklich kam er mit seinem Roß durch das wiesenreiche Steeg und dann durch die waldige Strecke am See und zur Seite des Berges. Es ist eine Stelle in diesem Weg, da steigen blaugraue Felsen an seinem Rand senkrecht gegen Himmel und ebenso gerade führen sie in den dunkelgrünen See hinab, der gerade dort sehr tief ist. An jener Stelle scheute das Pferd des Priesters, man weiß nicht warum, und das Tier setzte über die Wegplanke und versank mit dem Gottesmanne und seinem heiligen Sakramente in der düsteren Flut. Und sie blieben versunken, auch die Leiche des Priesters ward nicht mehr gefunden.

Man brachte über dem Seespiegel ein Marterl an, das, immer wieder aufgefrischt, wohl Jahrhunderte lang erhalten blieb. Ich selbst habe es als Kind noch gesehen, der Priester und das Pferd waren darauf zu erblicken und ich weiß noch genau, daß das Pferd ein Brünnl war. Uns Kinder faßte immer ein ehrfurchtsvoller Schauer an, wenn wir an dieser Stelle über das böse Wasser fuhren. Als wir eines Tages wieder dahin kamen, war das bunte Marterl von der bläulichen Felswand herabge­fallen und wiegte sich auf den grünen Wellen. Es fiel uns nicht ein es herauszuziehen und an uns zu nehmen, heute ist mir leid, daß wir es nicht getan haben. Aber so ist es zu Grund gegangen und es wurde nicht mehr ersetzt, was sehr bedauerlich ist, denn es war, wenn auch ein schlichtes, so doch gutgemeintes Denkmal eines pflichtgetreuen Mannes, der eben bei Ausübung seiner Pflicht einen schrecklichen Tod gefunden hatte. Doch mag auch das Marterl verloren sein, das Andenken des Priesters ist es nicht, die Geschichte seines traurigen Endes wird in Hallstatt noch immer Mitleids- und andachtsvoll erzählt und gehört.



Der See, der schon so manches Opfer gefordert hat, soll aber noch ein Geheimnis bergen. Es war vor langer Zeit, als es des nachts einmal an die Tür einer alten Hebamme klopfte, deren Häuschen, das sogenannte Scheutzen-Altenhaus, im Markte „im Hof" eng am See stand. Die alte Frau erhob sich von ihrem Lager und sah zum Fenster hinaus und erblickte einen Mann vor ihrer Tür, den sie nie zuvor gesehen hatte.

Der Mann bat sie, mit ihm zu kommen zu seiner Frau. Die alte Frau erklärte sich gern bereit, kleidete sich an und ging mit dem Manne. Wie erstaunte sie aber, als dieser sie gleich von ihrer Haustür weg zum See führte, in dessen Tiefe eine wahr­haftige Stiege hinabging.

Der Mann jedoch bat die Frau, nur keine Angst zu haben, und von Mitleid und Pflichtgefühl getrieben stieg sie also auf Gott vertrauend mit ihm in den See und kam merkwürdiger­weise ganz trocken unten am Grunde vor einem hübschen Hause an. Dahinein geleitete sie der Mann zu seiner Frau und kurze Zeit später waren die Bewohner des Seehauses um ein neugebornes Kindchen vermehrt. Der Seemann und seine Frau bedankten sich nun bei der alten Hebamme und der Mann führte sie zu einer sogenannten „Schüsselrähm", die vollgesteckt mit schönen Zinntellern war, und sagte, sie könne sich zum Lohn einige von diesen Tellern nehmen.

Sie nahm zwei und der Mann brachte sie hierauf wieder zur Stiege, die sie nun allein und ohne ein nasses Fleckchen hinauf­ stieg. Als sie wieder an der Luft angelangt war, lag auf den Häuptern der Berge orangenrot der erste Sonnenblick, die beiden Teller aber, die die alte Frau in der Hand hielt, waren eitel Gold.

Sie sah sich nach der Stiege um, die sie soeben aus dem Wasser heraufgestiegen war, diese aber war verschwunden.

Vielleicht waren diese Wasserleute Verwandte jener Jung­frau, die die Pfannhausknechte fingen.




Drüber dem See nächst Schloß Grub ist eine Quelle—sie ist jetzt eingefangen und von einem Brunnhüttl eingesperrt — die das Goldbrünnl genannt wird. Der Felsen, aus dem sie springt, soll Gold enthalten. Dorthin kam von Zeit zu Zeit ein kleines Männlein, das niemand im Orte kannte, es hatte immer einen großen Sack auf dem Rücken, wenn es kam war der Sack leer, wenn es ging war es voll, es holte sich vom Gold­brünnl Goldgestein. Das ist natürlich auch schon sehr lange her.




Auf der neuen Straße von Hallstatt nach Obertraun, in der „Hirschau", entspringen bei starken Regengüssen oder zur Zeit der Schneeschmelze die zwei Riesenquellen, der Hirschbrunn und der Kessel, die einen prachtvollen Anblick bieten. Während vom Hirschbrunn bei Trockenheit überhaupt nichts zu sehen ist als eine zerwaschene Felsenhalde, ist der Kessel ein ziemlich großes kesselförmiges Loch im Fuß des Rauhkogels, auf dessen Grund immer Wasser ist, und zwar schaut es aus, als sähe man ein Uferstück eines unterirdischen Sees. In der Hirschau und besonders beim Kessel sollen „Stutzen" vorkommen. Stutzen sind kurze, starke Schlangen, die sich auf furchtbare Weise vom Boden auf und den Menschen durchs Herz schnellen können. Wenn man einen Stutzen sieht, so muß man der Seite nach laufen und zwar durch neun Türen, dann kann einem nichts mehr geschehen. Es geht auch die Sage, daß es hoch droben im Wald einen „alten Kessel" gegeben haben soll.

Dieser soll aber verschüttet sein, weil einmal eine Kuh hineingefallen ist. Er soll aber in den Überschwemmungsjahren 1897 und 1899 wieder geflossen sein. Die Hirschau ist überhaupt ein interessantes Terrain.

Nun aber zum Schluß! Ich habe noch lange nicht alle Hallstättersagen erzählt, ich wählte nur jene aus, die vielleicht noch weniger bekannt sind. Die Sage vom Kreuzstein im Echerntal, eine der schönsten, und noch manche andere hat bereits die bekannte oberösterreichische Dichterin Susi Wallner in sehr glücklicher Weise verwertet.

Fest wurzeln Sage und Geschichte in dem alten Bergnest und die Sagenfülle der Hallstätter gleicht einem bunten Strauß immerblühender Alpenblumen, den eine Generation der andern überreicht.

Mila Nowak.







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