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Das war die Niese

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Das war die Niese

Zur Enthüllung des Hansi-Niese-Denkmals beim Volkstheater



Wenn sie mit ihrer Familie Jahr für Jahr nach Ischl kam und in der Villa Hansi in der Ahorngasse wohnte, waren der Seppl und seine Schwester, die Hansi, viele schöne Jahre lang meine liebsten Spielgefährten.

Schon die Ankunft im Bahnhof in Bad Ischl hatte etwas Sensationelles an sich. In einem reservierten Abteil reisten Josef Jarno, seine Frau Hansi Niese-Jarno, Seppi, der einzige Sohn, und Hansi, die einzige Tochter, mit zwei Hunden, einem Papagei, weißen Mäusen und Schildkröten, die reinste Arche Noah.

Der Rehbock Hansi, der in der „Förster-Christl“ spielte, war bereits in Ischl. Alexander Girardi sagte einmal scherzend zur Niese: „Das Geld für das reservierte Coupe könnts ihr euch leicht sparen. Wenn jemand die Tür aufmacht und sieht die ganze Menagerie, traut er sie eh nöt eini zu euch!“


Bis diese ganze „Arche Noah“ ausgeladen war und bis man sie in einem Einspänner verladen hatte, verging geraume Zeit, die Seppl und ich stets dazu benützten, um uns unsere Erlebnisse während des Winters zu berichten. Jedesmal, wenn ich mich ver­abschiedete und der Kutscher sein Roß antrieb, war es dasselbe: Die Niese war plötzlich Hausfrau und beugte sich aus dem Wagen:

„Du, Maxi, der Vater soll mir Kaffee und Tee und Zucker und Rum schicken, weißt eh, den guten alten Jamaikarum, und was man halt so für den ersten Ansturm braucht! Und morgen kummst zum Seppi, gelt?“


In den Jahren, da Ischl noch die Sommer­residenz des Kaisers war, spielte die Niese als Gast unter den Direktionen Wild und Stärk im Kurtheater. Wir saßen stets in einer Loge, und sie versäumte es nie, uns Kinder um unsere Eindrücke zu befragen. Und ich werde nie vergessen, wie einmal die Hansi irgend­eine Bemerkung machte, die einen Gast am Jausentisch, es war Georg Jarno, der Kom­ponist der „Förster-Christi“, veranlaßte, zu sagen: „Na, mir scheint, die Hansi kann das Blut ihrer Eltern nicht verleugnen...“ und die Niese aufsprang und mit Pathos rief: „Darwürgn tu i mei Madl eher daß ichs zur Bühne gehn laß!“ Seppl, ihr Sohn, zeigte kein Inter­esse für die Bühne und wurde erst in späteren Jahren vom Vater, Josef Jarno, in die Ver­waltung seiner Theater einbezogen.


Ais der erste Weltkrieg ausbrach, gab man die erste Vorstellung für das Schwarze Kreuz: „Mein Leopold“ von L’Arronge. Am Tag der Aufführung mußte man die Theaterzettel mit Streifen überkleben, auf denen ausdrücklich erklärt wurde, daß L’Arronge kein Franzose sei. Girardi spielte den Schuster Weigel, Louis Treumann den Leopold und auch die Niese wirkte mit. Nach dem Theater saßen wir beim Attwenger, noch ganz im Bann der Auffüh­rung. Und damals brachte ich es übers Herz und fragte: „Tante Hansi, im dritten Akt, wo du zum Flickschuster Weigel kommst, hast du da wirklich geweint?“ Und heute noch höre ich ihre modulationsfähige Stimme: „Weißt Maxi, wann der Xandl so dortsitzt und Schuach flickt, das is so, wie oft im Leben, da muaß i wana. Da kann i mir net helfen!“ Und damit hat sie das Geheimnis ihrer großen Darstellungskunst verraten, sie spielte ihre Rollen nicht, sie lebte sie.



„Der Maxi“ blieb ich bei ihr, als ich aus dem ersten Weltkrieg heimkehrte, und der „Maxi“ war ich, als ich in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg Kunstreferent war.


Girardi war gestorben und sie wollte seinen Sohn Toni durchaus als Nachfolger des großen Vaters managen Ihr Gatte, Josef Jarno, der große Künstler und tüchtige Direktor, en­gagierte den Toni Girardi für eine Saison im Kurtheater Bad Ischl. Die unverwüstlichen Brüder Golz schrieben Eintagspossen wie „Die Löwin und ihr Junges“ für die Niese und ihren Schützling. Aber Toni war zwar ein lieber Kerl, ein netter Kamerad, aber ein schlechter Schauspieler, und als ich einmal schrieb: „Toni Girardi hat Bewegungen auf der Bühne wie ein Konfirmand oder Gym­nasiast in der ersten Tanzstunde“, da war die Hansi-Tante fast böse. „Man darf ihn nicht so streng beurteilen, er ist doch noch so jung.“

Erst als ich sie aufklärte, daß der Toni Girardi und ich in derselben Stunde zur Welt gekommen seien, schloß sie resigniert: „Zu was muaß der Toni Schauspieler werden? Es gibt so viele anständige Berufe!“


Wieder einmal saßen wir im „Nürnberger Bratwurstglöckerl“ nach einer Theatervorstel­lung beisammen und aßen die guten Brat­würstel am Rost. Da kam als Gast ein An­gestellter des Hotels Kaiserkrone hin, der, wie mir bekannt war, an der Zwangsvorstellung litt, er sei der Sohn des Kronprinzen Rudolf.

Die Niese unterhielt sich glänzend mit ihm, titulierte ihn mit „kaiserliche Hoheit“ und fragte ihn, warum er nie ins Theater gehe. Er sagte, er sei oft im Stehparterre, aber die Niese sehe ihn nicht. Da meinte sie ganz harmlos: „Da müssens Ihnen melden, kaiser­liche Hoheit!“ Drei Tage später spielte sie in „Johanna macht kurzen Prozeß“. Ich wurde von der Polizei verständigt, daß ein Mann die Vorstellung derart gestört habe, daß der Vorhang fallen mußte. Es war unser Freund, der „Sohn des Kronprinzen Rudolf“, der, beim Auftreten der Niese, aus dem Stehparterre bis zur Orchesterrampe vorging und dort rief: „Frau Niese, heute bin ich da!“ Es gelang mir noch in der Nacht, den Armen aus der Haft zu befreien, und die Niese dankte mir mit einem Kuß.


Da spielte sie eine ihrer Glanzrollen, „Die Näherin“, und es passierte im zweiten Akt, daß ihr das schwarze Kleid am Rücken aufsprang. Sie spielte den ganzen Akt mit ge­platztem Kleid, ohne daß das Publikum etwas merkte. Der Bühnenmeister Schrangl sagte nachher zu mir: „Sagen Sie mir eine Schau­spielerin, die nicht nervös wird, wenn ihr so was passiert— außer der Niese!“



Maximilian Gottwald

war ein Bad Ischler Schriftsteller dessen Eltern eine Colonialwaren- und Modehandlung am Kreuzplatz betrieben. Seine Texte wurden hauptsächlich im Tagblatt und in der Arbeiter Zeitung veröffentlicht.

1938 wurde Gottwald wegen Erregung von Unruhe von den Nazis verhaftet.

Er schrieb auch zusammen mit Hermann Demel das Volksstück, "Der feurige Elias" über die Einstellung der Salzkammergut-Lokalbahn.


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