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Holzknechte im Salzkammergute.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner




Ein Beitrag zur Kunde von Land und Leuten.

Österreichische Revue: 1867, 10/12

Seite 131


Die letzten Fiedelstriche in der Tanzstube sind verklungen, die vier Talglichter in den blechernen Wandleuchtern niedergebrannt, die älteren der Gäste großentheils schon heimgegangen. Nur das jüngere Volk, meist Liebespaare, ergebt sich noch, traulich um den Mahltisch gelagert, in den Nachfreuden des Dorffestes.

Flotte, stämmige Kumpane, durchglüht von der Lustbarkeit der letzten Stunden, jeder sein Mädchen, wenn nicht auf dem Schooße, so eng an die Seite gepreßt, lassen noch ihre "Gsangln“, unterbrochen von gellenden Jauchzern, erschallen, dabei von Zeit zu Zeit in den Methkrug guckend, welcher zu Ehren der Auserkorenen credenzt wird, wenn diese es nicht etwa vorzieht, den eingeathmeten Staub des ländlichen Ballsaales mit einem Schoppen Caffe zweifelhafter Mischung zu löschen.


Doch alles muß sein Ende finden, auch ein Sonntagstanz, und selbst, wenn er der lustigste aller Sonntagstänze wäre.

„Ha, Narr'n moant's d'Bloh wer’n sel'm in Klausgrab'n ohi wålig'n?" *) ruft, den Zinndeckel des leer gewordenen Methkruges kräftig zuklappend, ein wettergebräunter Kernbursche, welcher eben den letzten Minnessold von den Wangen seiner Tänzerin eingeheimst hatte.

* ) Ha Narren! meint ihr, die Bloche werden selbst in den Klausgraben hinab rollen?


Der Mahnruf ist das Signal zum allgemeinen Aufbruche. Bald ist's stille geworden in dem vor kurzem von lärmender Freude durchrauschten Wirthshause und nur aus der Ferne tönen einzelne verspätete "Jugezer“ angeheiterter Gesellen durch die schwarze Winternacht herüber.


Noch fehlen mehrere Stunden vom Anbruche des Tages, als schon eine Schaar der Tanzcameraden aus dem Dorfe zieht. Aber diesmal ist es keine Lustpartie, welche sie antreten. Ein wüster Schneesturm fegt durch das Thal, jagt ihnen stechende Eisnadeln in die Augen und löscht bald dem Einen, bald dem Anderen die unstät leuchtende, "Puchel"*) ab. Hohe Schneewehen legen sich quer über den Weg, welcher in der tiefen Finsterniß ohnehin nur schwer einzuhalten ist. Indeß beirrt dies alles die abgehärteten Söhne des Gebirges nur wenig, sie sind derartiges Ungemach, gewöhnt und dagegen versichert. Jeder ist mit dem „Wettermantel“ angethan, einem an drei Ellen langen Stücke in Lohe wasserdicht gemachten, groben Schafwollstoffes (Loden), welches in der Mitte mit einem bis auf die Halsweite zu schließenden Ausschnitte, durch welchen der Kopf gesteckt wird, versehen ist. Häftchen halten die beiden Lappen unter den frei bleibenden Armen zusammen und ein Gürtel schließt den Überwurf noch fester an den Körper. Massive, fettdurchtränkte Schuhe und grüne Wolstrümpfe, nebst Gamaschen aus Loden, welche vom Knöchel bis unter die Kniebeuge an die enge Hose aus Bock- oder Gemsleder hinanreichen, schügen die Füße vor dem zudringlichen Schnee, während die Hände in derben Fäustlingen gegen jede Kälte geborgen sind. Der strammgefüllte Proviantsack auf dem Rücken läßt entnehmen, daß es sich um eine mehrtägige Abwesenheit vom Hause handle, und der „Zweschperne“, welcher hie und da verrätherisch aus einer Joppentasche hervorduftet, wird wahrscheinlich als geistiger Kraftspender für schwere Arbeit aushelfen müssen.

*) Die im Lande allgemein gebräuchliche Holzfackel, bestehend aus 2 — 24 1/2 Fuß langen, dünnen Spaltstäben von wohl ausgetrocknetem Tannen- oder Fichtenholz, welche durch zwei verschiebbare Ringe aus Weidenruthen zu zwei Zoll dicken Bündeln verbunden sind.

Eine bunte Ausrüstung ist es, welche die Rotte mit sich führt. Ein paar Männer tragen Seile und Leinen, andere große Handschlitten, während der leichte Vortrab nur mit frisch zugerichteten Sägen, Hacken, Bohrern und Schneeschaufeln armirt ist. Keinem aber fehlen die massiven zehnspitzgen Fußeisen und das lange Griesbeil, die dritte Hand des Holzknechtes, mit dem starken, vom Dorn rechtwinkelig abstehenden Hacken.


Von Viertelstunde zu Viertelstunde wird die Wanderung mühsamer, der Sturm heftiger, der Schnee tiefer. Bei jedem Schritte sinken die Männer bis an die Kniee, ja oft genug bis über den halben Leib in die lockere, vom Winde hin - und her gewirbelte Masse ein. In immer kürzeren Zeitabschnitten muß der Vortrab gewechselt werden, um Bahn zu machen; sorgfältig sucht jeder in die Spur des Vormannes zu treten, um dem eigenen Fuße das ermüdende Einbrechen zu ersparen. Am steilen Berghange wird die Schaufel zum Pfadfinder, denn ein Ablenken vom schmalen, schon vollkommen unkenntlich gewordenen Steige kann den Schnee unter den Füßen zum Abgleiten bringen und den Absturz des unvorsichtigen Gehers zur Folge haben.


Plötzlich verwandelt sich, das Sausen der Baumwipfelin ein unheimliches Tosen. Der Wind, welcher bisher dem Thale entlang zog, fährt jetzt mit der Wucht eines alles niederschmetternden Orkans gerade vom Gebirgskamme berab.

„Mana, floigt's, d'Lahn kimmt !" **) schreit der Hintermann mit einemmale entsetztauf, doch sein Schreckensruf verhallt schon in dem Donner der nahenden Lawine. Die Fackeln verlöschen, undurchdringlicher Schneestaub erfüllt die Luft – ein dumpfer Aufschrei dringt momentan aus der Tiefe, aber eben so schnell verhallt er im betäubenden Dröhnen des Schneesturmes. Immer neue Massen, hier zu steinharten Ballen gerollt, dort wieder in Millionen Atome zerstoben, brausen in die umnachtete Tiefe. Endlich wird es still und selbst der Wind ist verstummt, wie von Entsetzen erfaßt über das, was er angerichtet.

**) Männer, flieht, die Lawine kommt


Unter einer nahen Felswand haben die Geflohenen Schutz gefunden; aber sie sind nicht mehr vollzählig; einen ihrer Cameraden hat die Lawine mitgerissen. Sogleich geben alle daran, die Spur des Verunglückten auszufinden. Der dämmernde Morgen kommt den Suchenden zu Hülfe. Bald ist auch der ängstlich Vermißte entdeckt und zu Tage gefördert. Glücklicherweise hatten ihn nur die lockeren Massen des Lawinenrandes erfaßt und zugedeckt, so daß es ihm möglich wurde, sich weit genug empor zu arbeiten und Luft zu gewinnen. Die Schaufeln der Genossen thaten das Uebrige. Kaum aber ist der Ausgegrabene sich seiner geraden Glieder bewust geworden, so ist auch schon der erlittene Schreck vergessen, und unter fröhlichem Gejauchze macht jetzt die Schnapsflasche, welche unter dem Wettermantel des Verschütteten sich sammt Inhalt unversehrt erhalten hatte, so lange die Runde, bis sie auf den Grund geleert ist. Dann geht es rüstig weiter. –

Mit dieser Episode aus dem Holzknechtleben seien dem Leser jene urwüchsigen Gesellen vorgeführt, welche den Stoff zu dem vorliegenden Bilde abgeben sollen.


Ein Holzknecht! Wie anspruchslos mag wohl diese Bezeichnung jenem klingen, der nur die Wälder des niedrigen Berg- und Hügellandes kennengelernt hat, wo bei der allgemein leichten Zugänglichkeit der „Schläge“ weder das Fällen und Aufarbeiten, noch das Fördern des Holzes mit irgend namhaften Schwierigkeiten verbunden ist, und wo sich daher auch diesem Geschäfte jeder Landbewohner zu unterziehen vermag, sobald es für ihn nichts Anderes, Einträglicheres zu schaffen giebt.


Wie ganz andersaber verhält es sich im Alpenlande, wo die mächtigsten, oft auch werthvollsten Baumbestände sich stunden-, ja meilenweit über schroffe, von Wänden unterbrochene Gehänge hinziehen, wo nicht selten schon das Fällen und erste Aufarbeiten des Holzes mit Gefahren verbunden ist, wo die natürlichen Bahnen des Gebirges, die Thäler und sonstigen Einschnitte des Terrains sich nur allzu häufig in unnahbare Schlünde und Klammen, unterbrochen von thurmhohen, wasserdurchbrausten Stufen verwandeln, wo Wege und Pfade den steilen Hängen mühsam abgerungen werden müssen und die Förderung der Forstproducte große, ja nicht selten geradezu unübersteigliche Schwierigkeiten bietet, aber selbst im günstigsten Falle Arbeiten und Vorkehrungen bedingt, zu deren Vollführung nur muthig besonnene, kräftig zähe, nebenbei aber auch mit angeborenem Scharfsinn und Geschick ausgerüstete Naturen befähigt sind. Der Holzknecht des Hochgebirges muß sich auf Kopf und Hände eben sowie auf seine Füße in allen Momenten seiner oft höchst gefahrvollen Hantirung verlassen können. Ihm kommt es nicht nur zu, den Baum kunstgerecht zu fällen und aufzuarbeiten, sondern auch, die Producte des Forstes über alle Hindernisse hinweg mit den durch ihn geschaffenen oder sonst verfügbaren Mitteln in das Thal zufördern; er soll nicht nur Holzschläger, sondern gelegentlich auch Ingenieur, Straßenbauer, Hydrotechniker, Zimmermann und Maurer, Flößer und Fuhrmann, mit einem Wort, er soll ,,ein ganzer Kerl" sein. Solche Eigenschaften aber kommen nicht über Nacht und sind auch nicht jedem in gleichem Maße zugetheilt; erst eine fortgesetzte vieljährige Uebung vermag dieselben zu dem erforderlichen Grade zu entwickeln. Wie der Soldat jenen kaltblütigen Muth, welcher zu großen Thaten unerläßlich ist, sich erst auf blutigen Schlachtfeldern erwirbt, so wird der Aelpler erst im lang geübten Kampfe mit Gefahren verschiedener Art ein "revieriger“ (tüchtiger) Holzknecht. Darum mag es aber auch nicht befremden, wenn in den zärtlichen Romanen des Dorfes, wie der Sennhütte, dem Holzknechte gewöhnlich dieselbe Rolle zugedacht ist, wie anderwärts dem tapferen Martissohne. Und wie das säbelbewehrte Stadtsöhnlein an der Hand der Bonne bereits über künftigen Heldenthaten brütet, so träumt jeder gesunde Dorfjunge zur Zeit, wo noch das schmucklose Scepter des Schulregenten unheiltrohende Kreise über seinem Haupte beschreibt, schon von dem kecken, abenteuerlichen Holzknechtleben im Hochwalde.


Ein tüchtiger Holzknecht kann nur derjenige sein, welcher dieser Beschäftigung von Jugend auf stetig angehört, mit einem Worte, der sie zu seinem Gewerbe gemacht hat. Im Salzkammergute, das nicht nur mit ausgedehnten Forsten gesegnet ist, sondern auch alljährlich ungeheuere Mengen Bau-, Werk- und Brennholz verbraucht und absetzt, bilden daher auch die Holzknechte eine besondere Abtheilung im Stande der Salinenarbeiter und erfreuen sich des gleichen Lohnes und der übrigen Begünstigungen (Proviantfassung, Familienkorn u.s.w.) wie die stabilen Pfannhäuser und Knappen; ja da hier den Arbeiten im Gedingeein viel weiterer Spielraum geboten ist, als im Bergwerke, so kann der Erwerb der Holzknechte, wenn lauter rüstige, flinke und fleißige Cameraden zusammenwirken, sich günstiger gestalten, als jener der Berg und Sudleute.


Die ganze Art des alpinen Holzergeschäftes, insbesondere die oft höchst weitläufige und schwierige Förderung, bedingt die Vereinigung mehr oder minder zahlreicher Hände zu gemeinsamen Arbeiten. So verbinden sich denn bis zwanzig und mehr Cameraden zu einer „Paß“, welcher der Gewiegteste und Erfahrenste als Paßführer oder Meisterknecht vorsteht.


Bei den Arbeiten des Fällens, Zersägens und anderer beschränkterer Hantirungen, wenn die selben zu Zweien ausgeführt werden, wählt sich jeder seinen „G'span “ nach eigenem Uebereinkommen, häufiger aber thun sich deren je vier in eine „Cameradschaft“ zusammen.


Der Holzknecht führt eine Art von Wanderleben. Jahr um Jahr verrückt sich, wenigstens theilweise, die Stätte seiner Thätigkeit, und keine Waldstrecke giebt es, die er zum zweiten Male lichtet, denn ungleich langsamer, als im niedrigen Lande, wächst hier der Forst heran, und wohl zwei Menschenalter vergehen, bis er wieder schlagbar geworden ist . Sommer und Winter, Woche um Woche gehen die Arbeiten im Walde fort, und nur an den Sonn- und Feiertagen weilt der Holzknecht bei seinen Angehörigen und Freunden unten im Thale, wenn nicht etwa ein traulicher Besuch in stiller Alm seine Erholungszeit in Anspruch nimmt.


Doch suchen wir nun die Männer der Axt und Säge auf den Schauplätzen ihrer Thätigkeit auf und werfen zunächst einen Blick nach deren Standquartieren.


Wie es auf den verschiedenen Stufen des Gebirges Nieder-, Mittel- und Hochalpen für die verschiedenen Zeitabschnitte des Viehauftriebes giebt, so finden sich in den ausgedehnten Hochwäldern zunchst einzelne Holzstuben an den tiefer gelegenen winterlichen Arbeitsplätzen, in der Nähe der Riesen, Klausen u.s.w . (Wintersölden), andere derselben Art im Bereiche der sommerlichen Schläge (Sommersölden) und, gleichsam als Expositur der letzteren, hie und da eine „Duckhütte“ an den entlegensten Theilen des zu fällenden Waldes.


Die Holzstube ist, aus der Ferne gesehen, einer Alpenhütte nicht unähnlich, nur daß sie meist bedeutend größer ist, denn sie muß nicht selten eine „Paß “ von zwölf bis zwanzig und mehr Individuen aufnehmen können. Andererseits fehlt ihr das charakteristische Beiwerk, welches jene nicht selten zu einer erwünschten Studie für den Landschafter qualificirt, wie z.B. das flache, steinbelastete Dach, die in's erste Stockwerk zum Gemach der Sennerin führende, malerisch hinfällige Stiege, das aus rohen Steinklötzen noch roher aufgeführte, den Kuhstall darstellende Erdgeschoß, das bekannte Gärtlein von Nesseln, Alpenampfer und Eisenhut und dergleichen Schönheiten mehr. Die Holzstube ist ein höchst prosaisch aussehendes, aus leicht behauenen Baumstämmen mehr oder minder dicht gefügtes, mit Schindeln eingedectes Viereck, dessen Dachung aus der Eingangseite weit genug vorspringt, um den nächsten Raum vor der Hütte gegen den Regen zu schützen.


Wie anspruchslos das äußere Ansehen, so einfadch, ist auch die innere Einrichtung des Blockhauses. Der lange, aus Steinen und Lehm aufgebaute Herd, dessen hölzerne Umrahmung häufig als Speisetisch und Sitzbank zugleich dient, nimmt die Mitte der Stube ein. Ueber dem Herde ist der Scheiterrost zum Trocknen des Brenn und Spanholzes angebracht und ringsum denselben laufen Stangen zum Aufhängen nasser Wettermäntel, Wäschestücke u. dgl. Zahlreiche Hölzerne Nägel in dem Gebälke dienen zum Aufhängen von Werkzeug und den verschiedensten anderen Dingen, sperrbare Truhen („Koststöckel“) zum Aufbewahrendes Proviants und anderer Kostbarkeiten der einzelnen Bewohner. Längs einer oder zweier Wände zieht sich die mit Stroh oder auch mit Heubedekte Schlafstelle hin. Ein oder zwei kleine Umschlagtische, ein paar Bänke und dreibeinige Schämel vervollständigenden Comfort der Wohnstatt, und, wenn es besonders hoch hergeht, fehlt sogar eine wohlgeräucherte Schwarzwälderin nicht. Wie viele Mann, so viele eiserne Nockenpfannen, Kochtöpfe, Holzschüsseln und „Muser“ *) sind auf einer besonderen Stelle angebracht. Auch ein oder zweihölzerne Wasserkübel und ein blecherner Trinkbecher gehören zu dem ständigen Inventar der Holzstube.

*) langstielige, eiserne , rund ausgehöhlte Kochlöffel, am entgegengesetzten Ende schaufelartig auslaufend


Die Winter - und Sommersölden sind in der Regel gleich eingerichtet, nur daß bei den ersteren das Gebälke sorgfältiger zusammengeschrottet und alle Fugen mit Moos verstopft sind. Wenn eine größere Zahl von Holzknechten das Blockhaus bewohnt, so ist dasselbe meist in einen besonderen Schlaf - und Kochraum geschieden.


Ungleich primitiver sieht die „ Duckhütte" aus . Einige Sparren, zeltförmig über dem Boden aufgestellt und verbunden, geben das Gerüste ab, aufgelegte „Grastaxen "(Tannen - und Fichtenreisig) oder Rindenstücke frisch gefällte rund geschälter Stämme bilden die Eindachung. Den Hintergrund dieses bescheidenen Aufenthaltes nimmt das aus trockenem Moose gebildete Lager ein. Die Duckhütte bietet selten mehr als vier Personen Raum, und wird in der Regel nur in weit von den Sommersölden entfernten Schlägen benutzt.


Vielgestaltig sind die Arbeiten, welche der Holzknecht zu vollführen hat. Sie alle zu schildern, würde vielfach mehr Raum in Anspruch nehmen, als der Rahmen unseres Bildes gestattet. Nur in flüchtigen Umrissen vermögen einige derselben hier angedeutet zu werden.


Das fast durchgehends mit der Säge vollführte Fällen der Bäume eröffnet die Reihe. Es kann als eine der einfachsten der verschiedenen Aufgaben bezeichnet werden, und doch verlangt auch sie schon neben unermüdlichen Armen und festen, elastischen Füßen volle Schwindelfreiheit und kalt berechnenden Blick; denn da gilt es, eine werthvolle Lärche auf schwer zugänglichem, abschüssigen Felsvorsprunge ungebrochen zu Fall zu bringen, dort fordern die herrlichsten Fichten und Tannen am schlüpfrigen Rande eines tobenden Wassersturzes den Muth des Fällers heraus. Tage, ja Wochenlang bringt der letztere in denHochwäldern der steilen Kalkalpen die Steigeisen nicht von den Füßen, und Hunderte, ja Tausende haben ihre geraden Glieder, wenn nicht ihr Leben, im Schlage eingebüßt.


Die größte Abwechslung bietet das Fördern des aufgearbeiteten Materials, welches mit dem Spätherbst beginnt und durch den Winter und Frühling fortdauert, während der Sommer und Frühherbst fast ausschließlich für das Fällen in Anspruch genommen wird. Hier gilt es , nicht nur die vortheilhaftesten natürlichen Bahnen für den Transport aufzusuchen, sondern diese auch für den jeweiligen Zweck entsprechend zu vervollkommnen, ja wohl auch künstliche Bahnen erst zu schaffen. Von den primitiven„ Erdgʻfährten“ in steilenAbhängen, über welche Scheiter und Klötze mit einziger Hülfe des Griesbeiles zu tieferen Lager-oderFörderungsplätzen abgetrieben“ werden; von dem aus rinnenartig gelegtem Förderungsholze improvisirten„ Tafelwerke“ und der aus drei bis fünf Bäumen leichtgefügten„ Schupfriese“ bis zu der stundenlangen, an Wänden und über Gräben laufenden Eis – und Wasserriese; von der kleinen Triftklause des nur zu Zeiten schwellbaren Wildbachhes bis zu den colossalen, mit einem Aufwande von hunderttausenden von Gulden hergestellten und erhaltenen Holzrechen der großen Thalgewässer, von den mitunter halsbrecherischen Handschlittenbahnen der Holzknechte bis zu den straßenähnlichen Zugwegen in manchen reichen Bauholzforsten– welche Abstufungen von den urwüchsigsten bis zu den kunstgerechtesten „Bringungsmitteln“ gäbe es da zu verzeichnen und zu beschreiben!


Von allen ist die Riese der Ehrenpunct und Prüfstein Holzknechtischer Tüchtigkeit. Sie wird von ihm gebaut, er bestimmt ihren Lauf, ihren Anfangs- und Endpunct, ihr Gefälle, er designirt sie zur Trocken-, Eis- oder Wasserriese. Kein geprüfter Techniker, kein Zimmermeister würde sie gleich entsprechend und, was die Hauptsache ist, dabei auch so billig herzustellen verstehen, als der ungeschulte Sohn des Waldes, welcher alle für ihn wichtigen Gesetze des Falles an seinen gleitenden, polternden, sich überstürzenden Scheitern und Blöcken studirt, und von der Natur gelernt hat, mit den kleinsten Mitteln das möglichist Größte zu erzielen.


Das „ Riesen “ selbst , fast auschließlich, Winterarbeit, ist eine gar strenge und nicht mindergefährliche Hantirung, wie das Fällen. Bei eingetretenem Froste wird die Riese zuerst durch aufgegossenes Wasser „geeist “, ein Vorgang, welcher durch von Strecke zu Strecke aufgestellte Holzknechte auch während des Förderns wiederholt werden muß. An der „Einkehr" der Riese sind die handfestesten der Cameraden aufgestellt, denn es ist kein Kinderspiel, die wuchtigen Drehlinge oder gar 3 Klafterlange Sägeklötze „einzukehren“, d.h. in die Riese zu heben. Nun beginnt der ungeschlachte Patron seine Thalfahrt, bald mit wachsender, bald mit verzögerter Geschwindigkeit, je nachdem wechselnden Gefälle des ihm zugewiesenen Geleises. Häufig genug bleibt er aber auch stecken, und nun muß ihm der nächststehende Holzknecht durch einen kräftigen Ruck wieder weiter helfen. Eben so oft schnellt aber auch der wuchtige Klotz, durch irgendein Hinderniß beirrt, aus der Riese, und wehe dem Unaufmerksamen, welcher von dem groben Geschosse getroffen wird.


Die Förderung durch Eisriesen ist selbstverständlich ganz an das Wetter gebunden. Sie erleidet durch Schneefälle, wie durch Thauen vielfache Unterbrechungen. Wo große Holzmengen fortzuschaffen sind, muß daher auch jede Stunde des Tages wie der Nacht zu dem Eisen und Riesen benutzt werden.


Die Riesen enden an Aufladeplätzen, an größeren Riesen (dann gewöhnlich Wasserriesen), an Triftbächen oder in Klausgräben. In den letzteren thürmen sich die abgeworfenen Holzmassen in „Haufen“ von nicht selten 500 - 1000 Klafter cubischen Inhalts auf, und diese weiter zu bringen ist dann die Aufgabe der Klauswässer.


Das Klauschlagen, welches bei den Wildbächen regelmäßig im Frühling stattfindet, gewährt hie und da ein Schauspiel, welches zu den großartigsten des Alpenlebens gezählt werden kann. Im steierischen Theile des Salzkammergutes endet ein Klausbach mit thurmhohem, fast senkrechtem Wassersturze hart an dem düsteren Spiegel des von schroffen Fels - und Waldhängen umgürteten Toplitsee's. Der Kataraktist jetzt fast trocken, nur ein schmales Silberband rieselt über die feuchte Wand hernieder. Aber allmälich beginnt jenes Wasserband sich zu trüben und zu verbreitern, bald schwebtes frei in der Luft und löst sich in regenbogenförmige Schleier auf. Auch die fast lautlose Stille des Thalkessels ist gewichen. Ein dumpfesPoltern, gleich fernem Pelotonfeuer, erschallt hoch oben in der Luft, jetzt senkrecht über dem See, dann in raschemWiderballe bald aus diesem, bald aus jenemWinkel des himmelanstrebenden Gebirgskranzes. Von Secunde zu Secunde wächst das Gepolter— endlich wird es zu einem förmlichen, vom Echo hundertfältig zurück geworfenen Donner. Mit einemmale schießt durch die Spalte, aus welcher der Wasserfall hervorbricht, ein gewaltiger Holzklotz, in weitem Bogen lustige Räder bei seiner Luftfahrt schlagend, mitten in den See. Ein zweiter, zehnter, hundertster folgt ihm nach, und nun wälzt sich ein colossales Ungethüm von chaotisch durcheinander tobenden Drehlingen, untermengt mit Lawinenbrocen, Holzsplittern und dickschlammigem Wasser herab. Es ist, als stürze ein Stück Berges in den See. Dieser, aus seiner beschaulichen Ruhe aufgeschreckt dem ungewohnten Tumulte, wirft hochauf sein Wasser den kecken Eindringlingen entgegen, sie alsogleich, in seine dunkle Tiefe ziehend; doch bald finden jene ihren Weg wieder an die Oberfläche und schaukeln sich nun munter auf dem empörten Elemente. Die Klause ist geschlagen.


So genußreich aber auch die eben geschilderte Scene sich für den unbetheiligten Zuschauer gestalten mag, so verderblich kann sie dem dabei beschäftigten Holzknechte werden. Gewöhnlich muß der Haufen während des Klausschlagens „gelöst“ werden, denn oft verkreuzen sich die Klöße in dem engen, unebenen Rinnsale des Wildbaches derart, daß selbst , wenn schon eine große Wassermenge auf den Haufen drückt , derselbe sich so lange nicht in Bewegung zu setzen vermag, bis das Hinderniß beseitigt ist. DerHolzknecht, welcher den Verlauf des „Anwässerns“ aufmerksamen Auges verfolgt, hat das Hinderniß bald entdeckt. Er steigt hinab in das Rinnsal bis zum Fuße des haushoch aufgethürmten Haufens und schiebt und zerrt mit seinem Griesbeil an den versschränkten Klötzen so lange herum, bis sie eine entsprechendeLage annehmen. Plötlich geräth alles in Gang. Die obersten Drehlinge rollen nach allen Seiten herab, der Haufe kracht und wogt, immer neue Klöße schieben sich hervor, und nun setzt sich, von dem durch das Klausthor stets mächtig herandrängenden Wasser gehoben, die ganze Masse in Bewegung. Mit den ersten Anzeichen der Lockerung ist aber auch für den Arbeiter schon der Augenblick schleunigster Flucht gekommen. Gleich einer gejagten Katze springt er über die kollernden Klötze dem Ufer zu, wo seine Cameraden schon gerüstet sind, mit langen Stangen die etwa nöthige Hülfe zu leisten. Doch selten wird eine solche mit Erfolg versucht. Hat den Fliehenden ein Fehltritt zu Fall gebracht, so ist er auch schon im nächsten Augenblick unter den Drehlingen begraben, und nur ein zerschlagener Leichnam ist es, den das verlaufende Triftwasser an irgendeiner Stelle des Grasbens auswirft.


Nicht selten aber „verklaust“ das getriftete Holz selbst den Wildbach, wenn in dessen Gerinne flammartige Verengerungen vorkommen. Es giebt deren von so schauerlicher Tiefe und Wildheit, daß nur unbegrenzteWaghalsigkeites vermag, in soldch einen Abgrund hinabzusteigen. Und doch giebt es keine größere Paß, wo sich nicht Einer oder der Andere zu solch' tollkühnem Unternehmen bereit fände. Am Ende eines entsprechend langen Seiles wird ein kurzes Querholz befestigt, welches der Tollkühne zwischen die Füße nimmt. Sein Griesbeil und eine scharf geschliffene Hacke sind seineAusrüstung für die grausige Fahrt. Nun wird er von seinen Cameraden, nach Art der Eiderdunen suchenden Nordländer, hinabgelassen. Stunden können vergehen, bis der sperrende Block entdeckt und weggeschoben oder durchhauen ist. Mit lautloser Aufmerksamkeit aber sehen die Genossen, welche am äußersten Rande des Abgrundes aufgestellt sind, auf jede Bewegung des Seiles, bis das Zeichen zum Aufziehen gegeben wird, denn die geringste Versäumniß kann dem unten Weilenden sicheren Tod bringen. Aber auch in dem besten Falle geht es nur selten ohne ein kaltes Bad ab.


Wenden wir uns jetzt von den nur in einigen ihrer hervortretendsten Momente flüchtig skizzirten Berufsarbeiten der Holzknechte ab und werfen einen Blick in ihren Haushalt, in ihr geselliges Leben und Treiben.


Eine romantisch gelegene Sommersölde ladet zum Besuche ein. Mächtige Wettertannen, mit grauen Bartflechten behangen, werfen ihre Schatten auf die Hütte und den nahen Quellbach, welcher unter einer in purpurne Abendgluth getauchten Felswand hervorbrodelt. Allerlei Stillleben bedeckt den Raum vor der Hütte. An dem Gestelle eines Schleifsteines lehnen mehrere Hacken. Daneben lagern gewaltige Eisenklammern, ein zusammengerolltes Seil, grimmige Steigeisen und friedliche Holzschuhe in ungestörter Eintracht. Versdiedene Drechslererzeugnisse einfachster Sorte haben nebeneiner gleich anspruchslosen Drehbank Platz gefunden. Auf dem unter einer Eindachung von Rinde angebrachten Tische, bestehend aus vier in die Erde geschlagenen Pflöcken und zwei aufgelegten Brettern, steht eine lange Reihe gleich großer, irdener Töpfe und obenan ein ganzer Thurm halbkugelförmiger Holzschüsseln, welche noch die Spuren der eben erst vorgenommenen Reinigung an sich tragen. Aus der Tiefe des Bachgrabens tauchen zwei Wesen auf, welche die wunderlichste Staffage zu der Umgebung bilden. Ein Mann mit arg verkrümmten Beinen und einem Antlitz, von welchem ein rauher Herbst längst alle Blüthen des Lebens abgestreift hat, humpelt zur Hütte heran; ihm auf den Fersen folgt eine Ziege, deren rechtsseitiger Hinterfuß bloß durch einen Stummel vertreten ist. Der Mann trägt ein Schaff voll Wasser auf dem Kopfe, ein zweites Gefäß mit gleichem Inhalte in der linken Hand, während ein Stock in der rechten dem wankenden Körper Halt und Stütze geben muß. Bei dem vorerwähnten Tische angelangt, setzt der Träger beide Gefäße auf denselben und füllt der Reihe nach alle vorhandenen Töpfe mit Wasser. Die dreifüßige Begleiterin scheint an diesem Vorgange lebhaften Antheil zu nehmen, denn sie richtet sich, so gut es geht, an dem Manne in die Höhe und schaut neugierig dem Geschäfte des Einfüllens zu. Hierauf tritt der Gäumel, denn nur einen solchen können wir an diesem Orte in dem Krüppel vermuthen, in die Stube, zündet auf dem Herde eine lange Feuerzeile an und stellt zu beiden Seiten derselben die gleiche Zahl der gefüllten Kochtöpfe hin. Kaum ist dies geschehen, so signalisirt der obligate Jauchzer die nahenden Bewohner der Hütte. Bald rücken die Cameraden ein, und nun geht es, nachdem sich jeder des Arbeitszeuges, der Fußeisen und der Joppe entledigt hat, an das Kochen des Abendessens. Aus dem Lederranzen oder dem „Koststöckl" wird das Mehljäcklein nebst der Schmalzbüchse hervorgeholt und es beginnt die kunstgerechte Bereitung der „Nocken“, dieses selbst von wählerischen Stadtgaumen als schmachaft erkannten Hauptgerichtes der oberösterreichischen Holzknechte. Mit gleichem Bedachte, als gälte es irgendeine schwierige Aufgabe im Schlage, wird die genau bestimmte Menge von Mehl nebst etwas Salz in die hölzerne Schüssel gethan, das nöthige heiße Wasser eingerührt, dann werden mit dem eisernen Rundlöffel acht regelrunde Klöße, nicht mehr und nicht weniger, geformt und in das siedendeWasser des Topfes gethan. Während jene gar kochen, wird ein Klumpen Sdchmalz in der Pfanne erhitzt und in diesem die zu einem zierlichen Kranze aneinandergereihten Nocken gebacken. An der Außenwand der Hütte zu beiden Seiten der Thüre sind zwei vorstehende Pfosten mit eben so vielen spannenweit von einander abstehenden Kerben, als Genossen die Hütte bewohnen, angebracht. In eine dieser Kerben wird die Handhabe der Pfanne geklemmt, um den Nocken Zeit zu gönnen, abzukühlen und zugleich das Schmalz vollständig einzusaugen. Dann wird zur Aufertigung der Schotsuppe geschritten, welche gleichfalls jeder für sich bereitet. Nur einzelne der älteren Holzknechte, wahrscheinlich gesegnete Familienväter, beschränken sich aus Wirthschaftsgründen auf magerere Kost. Der Eine macht „Wasserspatzeln“, der Andere bereitetein Aepfelkoch, ein Dritter Klöße mit eingeschnittenem Räucherfleisch, ein Vierter bleibt gar bei Schotsuppe und Käse stehen.


Es bietet einen eigenthümlichen Anblick dar, eine ganze Schaar dieser primitiven Köche mit gleicher Aufmerksamkeit gleichzeitig dasselbe Gericht, nadch gleicher Weise, ja, man kann sagen, nach demselben Rhythmus bereiten, und dabei mit einer Reinlichkeit zu Werke gehen zu sehen, die manchem weiblichen Koch als Muster empfohlen werden könnte.


Nach dem Abkochen giebt der Meisterknecht ein Zeichen, und nun erheben sich alle Anwesenden, entblößen das Haupt von der unvermeidlichen Zipfelhaube und richten, das Antlitz gegen ein von Rauch geschwärztes Crucifix gekehrt, laut ihr Dankgebet für den himmlischen Schutz bei ihrem gefährlichen Handwerke.


Jetzt geht es zum Mahle. Die Pfannen werden herein geholt, die Schüsseln vorgenommen, und jeder nimmt seinen Platz wieder auf dem Herdrahmen oder auf einem herbeigeholten Schämel, doch dem Feuer so nahe als möglich. Zwei und drei der zum Essen sich Anschickenden rücken näher zusammen, um in Gesellschaft zu verzehren, was jeder für sich bereitet hat. Die hinkende Ziege macht die Runde zu Allen und erhält von jedem ihren Theil.


Nach genossenem Mahle giebt sich die Mehrzahl der Anwesenden irgend einer Beschäftigung hin. Der Schleifstein wird herbeigeholt, um die Hacken neu zu schärfen oder eine entstandene Scharte auszuwetzen. Locker gewordene Stiele werden frisch verkeilt, gebrochene durch neue ersetzt. Einer hat amRiemenwerk seiner Steigeisen, ein Zweiter an Kleidungsstücken zu bessern, der Dritte seine Schuhe zu nageln. Wieder andere füllen damit die Zeit aus, „Pucheln“ zuverfertigen. Ein paar junge Bursche, mit höchstvergnügtem Gesichte, sind bemüht, ein „hafenes" (astloses) Fichtenscheit in möglichst lange und breite Leuchtspäne zu spalten und in deren Ränder allerlei Zierrath einzuschnitzen; ein Kunstwerk, welches unzweifelhaft die Bestimmung hat, irgendeiner Alpenschönen gelegentlich als eine Art Selam überbracht zu werden. Zwei knorrige Männer machen gleichfalls Späne, aber ohne ästhetische Beithat, denn sie gehören nur für ihre Weiber daheim. Der Meisterknecht notirt sich allerlei über die Geschehnisse des Tages, um bei dem Wochenrapport im Forstamte einen geordneten Bericht erstatten zu können. Ein schnurrbärtiger Veteran, in welchem nach zurückgelegter Capitulation wieder die Lust zu dem ungebundenen Holzknechtleben erwacht war, legt auf den verwundeten Arm eines Cameraden frische Verbände an. Ein angehender Alpentroubadour aber übt auf einer Cither die lieblichen Weisen der Heimath. Nur Wenige geben sich dem süßen Nichtsthun hin, oder ergötzen sich mit dem „Mühlfahren“, zu welchem ein paar mit Kohle auf einem Schämel gezeichnete Linien und verschieden gesschnittene Holzstückchen den Spielapparat abgeben. DiePfeife aber fehlt in Keines Mund, sie ist die unzertrennliche Begleiterin des Holzknechtes und ihr zu Liebe unterhält er selbst an heißen Sommertagen auf derArbeitsstättes ein „Foierl“, um jederzeit einen Glimmspan für seine Freundin bereit zu haben .


Neben den mannichfachen Hantirungen hat die bunteste Conversation ihre nun unterbrochenen Gang. Abenteuerliche Begebnisse aus dem Kriegs-, Bergmanns- und Waldleben, Fatalitäten nächtlicher Spaziergänge, Hauskreuzleiden und Familiensorgen, wohl auch; die politischen Verhältnisse des Tages bilden den Stoff der Unterbaltung, in welcher es nebenbei weder an kräftig gewürzten Späßen, noch; an urwüchsigen Improvisationen fehlt. Endlich kommt Schlafenszeit. Arbeit, Spiel und Preifchen werden bei Seite gelegt, die Brandstumpfen auf dem Herde sorgfältig zusammengeschürt, und Einer nach dem Anderen sucht seinen Platz auf der gemeinsamen Lagerstelle.


Sennhütten sind für Holzstuben eine bedenkliche Nachbarschaft, selbst wenn tiefe Schuchten und steile Hänge, wenn schlechte oder auch gar keine Pfade dazwischenliegen . Der Holzknecht scheut derlei Hindernisse nicht, ja er sucht sie nach Umständen sogar mit Vorliebe zur Nachtzeit auf. Freilich kommt es dabei manchmal zu unliebsamen Collisionen. Ist der Holzknecht auch seiner ganzen Natur nach mehr zum Realisten als zum Platoniker angelegt, so hält er andererseits doch streng auf erworbene Rechte und duldet keine Schmälerung derselben. Unbefugte Eindringlinge kommen daher in der Regel schlecht weg, denn der Sohn des rauhen Gebirges ist vom Humanismus moderner Strafgerichtspflege noch nicht angekränkelt.


So geschieht es, daß die nächtliche Stille eines friedlichen Alpenbodens manchmal eine wunderliche Unterbrechung erleidet. Urplötzlich entsteht wüster Lärm. Wuchtige Steine werden gegen die Wände und das Dach der Hütte geschleudert, schrillendes Pfeifen und Höhnen erschüttert die Luft, das aufgeschreckte Vieh im Stalle schießt brüllend und stoßend durcheinander. Noch unheimlicher aber wird es den menschlichen Bewohnern in der Hütte, denn mit dem „Mauern“ hat in der Regel die Störung noch nicht ihr Ende erreicht. Erst eine Tracht Prügel, wohl auch ein unfreiwilliges Bad in der nächsten Pfütze bringt den in Scene gesetzten Spectakel zum würdigen Abschluß.


Zeigt sich der Holzknecht im Puncte des Hausrechtes ziemlich exclusiv, so huldigt er doch in anderer Richtung wieder mehr den communistischen Anschauungen. Ein bischen mehr oder weniger Wilddieberei belastet sein Gewissen in keiner Weise, und nur die sichere Aussicht auf den Verlust des Brodes und der Jubilation vermag dem angeborenen Drange die nöthigen Fesseln anzulegen.


Die nur allzu oft übermäßigen Anstrengungen, wie nicht minder die mannichfachen Unbilden des Wetters, welchen der Holzknecht Jahr aus Jahr ein preisgegeben ist, erschüttern vorzeitig seinen Organismus und schmälern seine Kräfte. Darum vertauscht er auch gern im vorrückenden Alter den „Schlag “ mit den Klieb - und Aufsetzplätzen im Thale. Dennoch zieht es auch manchen, der schon alt und hinfällig oder zum Krüppel geworden ist, wieder in den Wald hinauf, wo er endet, wie er begonnen hat – als Gäumel.

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