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Im Echern

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Die Steinschleifmühle und die Sage von den wilden Jungfrauen vom Kreuzstein.



Will ich reden, dann wandere ich hinein ins Waldbachtal, „ins Echern". Den steilschroffen Wänden eingeschlossen, wird es immer enger, schließlich schluchtähnlich. ­

Über sonnwarme Wiesen, durch kühlduftenden ­ Wald führt der Weg, doch so manch versteckten Schlängelpfad hab' ich entdeckt zu einsamerem Wandern.

Aus dem Hintergrund des Echerntales blickt weglang die Mitterwand entgegen. Stramm und fest steht sie da und läßt den jungfräulichen Hochwald nur weniges über ihre Schultern hereinlugen in die bunte Menschenwelt. Sie tut recht streng und grimmig, als verwehrte sie jeden Weiterweg. Der Schelm! Geleitet sie doch den Dachsteinreitweg anfangs treulich empor.

Der schlagende, lebensvolle Puls des Tales aber ist der Waldbach. Seine Mutter ist das Eisfeld, sein Vater ist der Sonnenschein. Und eh' er hoch oben im Gehänge aus der Felsenbrust

in den hellen Tag hineinspringt, kommt

er langen, unterirdischen Weg. Drum weiß er so viel Wundersames zu raunen und zu rauschen auf seinem Weg durchs blühende Hochtal. Drum kann er so ernst sein und so lichtfröhlich dabei. Mehr als einen kühnen Sprung über die Gegenwehren vollbringt er, ehe er den Strubfall macht, so übermütig toll, daß den Untenstehenden die Tropfen in das Antlitz stäuben. Und alle Wasser von Kreuz und Quer streben ihm zu; eines gar das kommt in wallenden Schleiern geflogen. Ich hab' ihn lieb. Er ist taufrisch und mondlichtklar. ­ Nichts verhehlt er. Man sieht ihm auf den Grund, wie einem wahrhaftigen Freund. Nach dem Strubfall wird er ernster, da will er schaffen, nützen! Die erste Mühle, die er treibt, ist eine Steinschleifmühle, oft bin ich dort eingetreten, zu jeder Tageszeit, in Sonnglut, bei Winterfrost. „Friedl Zenz, jetzt bin ich schon wieder da!" „Wohl, wohl! Es ist mir „neama" z'oft." Und der gebietende Herr über all das summende, surrende, schnarrende ­ Räderwerk wischt mit der Schürze eine Hobelbank im Vorraum geschäftig ab und wartet mir wol gar mit Holzknechtnocken, die er selbst gemacht, oder mit frischen Beeren auf. Und wenn's "d' Arwat valaubt", dann setzt er sich zu mir. Ich hör' ihn gern reden, den rüstigen Alten mit dem weißen Kopf und den klugen, jungen Augen. Er weiß von allerhand. ­ Von der Schlacht bei „San Martino", die er mitgemacht unter „Vater Benedikt", vom Alpenforscher Simony, dem er ein treuer Gefährte ­ gewesen auf seinen Dachsteinwanderungen; vom Weg- und Schutzhüttenbau, ­ von den vielen Fundorten wertvoller Versteinerungen, die er in seinen Bergen mit unsäglichen Mühen entdeckt hat. So weit der Friedl Zenz aber auch herumgekommen ist — in seiner Heimat ist er wurzeln geblieben.

Am liebsten lasse ich mir von ihm das Märchen ­ von den „wilden Jungfrauen" erzählen, die in Echern gehaust voreh. Es scheint so ziemlich das einzig übrig gebliebene Märchen zu sein von jenen, die zum Hausschatz eines Volkes gehören, wie der Linnenreichtum der Hausfrau zum altbürgerlichen Wohlstand. Schön waren sie, die „Wilden"; aber launisch. Sie schütteten den Senninnen für einen Trunk Milch „Goldbröckeln" ­ in die Hände — die aber nur zu bald Kiesel- steine wurden. Friedl Zenz erklärt sich das: Wie ist denn net auch! Wann d' Weibsbilder zeitlang hab'n, kommens auf allerhand Gedanken!" Und deshalb haben sie sich auch einem jungen Bauern aus dem Echern (beim Jocham Hansel heißt es noch heute) recht huldvoll gezeigt. „G'meint habens, sie müß'n ihn haben. Und wann so Eine ein Mannsbild sich in Schädel anhin (hinein) setzt, so hat man schon zu tun. Erst aber, wann zwei beinand sind." Der Bauer aber hat sein Weib „treula g'liabt". Da waren alle Versuchungen vergebens. „Es ist halt so a Sag", unterbricht sich an der Stelle der Friedl Zenz gern. Und einmal haben sie ihm eine Bernsteinkette für sein junges Weib mitgegeben; er hat aber ein bös Ahnen gehabt und sie an dem Hausgatter aufgehängt. Nämlichen Augenblickes ist der Gatter geborsten. Über die mißlungene List sind die wilden Frauen „grausam schiach" worden; sie haben dem Bauern den weg verzaubert, so daß er meinte, ins Echerntal zu gehen und sich plötzlich auf einer unzugänglichen Felsenplatte befand an der Echernwand. Hinabgesehen hat er auf sein friedlich Heim und nicht vor- noch zurückgekonnt. Da begann er ein verzweifeltes Schreien. Und sein Weib im Tale hat die Hände gerungen, denn Rettung war keine. Und so hat ihm der Priester von unten den Segen gespendet ­ und die Hostie gezeigt. Drauf hat sich der verstiegene ­ rücklings herunter gestürzt .... Ein Kreuz ist aufgerichtet an dem Stein, wo er zer- ­ schmettert hingefallen. Und seitdem ist's am Kreuzstein in Echern nicht geheuer; in den Rauhnächten hört man Klagen und Wimmern und „immerzu" sieht man wohl auch eine weiße Gestalt. „Ja mein!" lautet die Schlußfolgerung vom Friedl Zenz: „Dem Bauern hat's für seine Bravheit recht schlecht ganga. Aber ich weiß eh! D' Roß, die in Hafern verdienen ­ täten, die kriegen ihn nicht." Und das Sprüchlein, in dein so viel gefaßte Verzichtleistung ­ liegt und an den Ton, mit dem es gesagt wurde, habe ich oft zurückdenken müssen, wenn ich staub- müd vom Alltagsleben mich hinsehnte nach der reinen Bergluft der Hallstatt am tiefdunklen See und nach meinen drei besten Freunden dort: der Koppenwinkel- lacken, dem Waldbach und dem Friedl Zenz. Linz a. d. Donau. Susi Wallner.




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