Als späte Erbin der Romantik gelingt es ihr, "den Regungen der stummen Kreatur und der unbelebten Dinge zu lauschen" (Castle, Nagl, Zeidler 1937, 1169).
Desgleichen besticht sie durch subtile Charakterstudien, in denen das Schicksal ‚einfacher‘, oft randständiger Menschen mit großer Empathie geschildert wird.
Diese konsequente humanistische Perspektive darf trotz sporadischer nationalistischer Anflüge als das größte Verdienst ihres Schaffens betrachtet werden.
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Im Goldloch.
Aus dem Buch:
Hallstätter Märchen
von Susi Wallner
1900
Über Hallstatt blaut ein schöner Tag. Der Herbst hat die rotgelbe Brandfackel in das Laub der Bäume geworfen. Frau Sonne nimmt ein Seebad. Und ihr zur Ehrung trägt jede Welle ein funkelndes Geschmeide auf dem krausen Scheitel. Das ist ein Geflimmer. Eine Staatspracht. Und über den hohen Bergen liegt ein lichtstaubiger Glast, dass es aussieht, als seien sie mit feinem, glitzernden Streusand über und über bedeckt, auf dass die ewig frische Schrift nicht Schaden nehme, die auf ihren Wänden und Schroffen steht und gar tiefsinniges berichtet über des Schöpfers altherrliche Welt.
Vergeblich suchen meine geblendeten Augen nach den vertrauten Steingestalten. Ich kann die Mutter mit ihrem Sohne nicht sehen; nicht den Jäger mit seiner Jägerin, ja nicht einmal mein großes, sternblumenzupfendes Gretchen an den Abhängen des Krippensteines. Und das thäte mir gewiß recht leid, wenn all die Lichtfreunde meine alten Berge nicht so jung, meine ernsten Berge nicht so lachend machte! Nur mein Krippenfeefräulein ist zu schauen, im bläulichen Sonnstrahlenmantel; und an der Krippenwand sitzt mein großer, breitspuriger Kater und macht ein Gesicht, just so, wie sterbliche Katzen zumeist in der Sonne.
Ich ziehe aus, meine kleine Lore mit mir. Sie ist meine treue, verlässliche Begleiterin auf allen meinen Streifzügen; auch auf jenen Wegen, die in keinem Baedeker stehen, die kein Verschönerungsverein dem „Schutze des Publicums“ empfiehlt,- die aber dafür dem Hallstätter Schuster schon so manchen Patienten mit Riss und Quetschwunden zugebracht haben.
Lore und ich gehen den See entlang, bei dem alten Pulverthurm außer Dienst vorbei, der so erfahren und mitgenommen aussieht, wie ein bejahrter Krieger, auch a.D. Ich habe in einer Tasche ein Kerzenstümpfchen und eine Zündholzschachtel: Bund der deutschen in Böhmen. In der anderen Tasche habe ich einen rotwangigen, verführerischen Apfel. Was Euch das kümmern kann? Meint Ihr. Nur abwarten!- Bei dem ersten Wildbach, der von der Hirschau, leis murmelnd, wie ein Pilgrim, in den See eilt, mache ich Halt. Oben, in geringer Bachbetthöhe, ist eine Hölhle, unscheinbar und schwarzgähnend. Das ist das Goldloch.
Ich habe bereits früher Auskunft darüber eingeholt.
Zu ersten hieß es: „Das Goldloch? Na; a Loch is halt, a finster's.“
Zum zweiten verlautete es schon sachlicher: „Ein verlassener Schacht ist's, in dem einstmals die Venedigermandln nach Gold gesucht haben. Er ist aber nicht genug einträglich geworden“.
Zu dritten- ist Selbstsehen das Beste.
Ich nehme die Lore um die Schultern und drücke sie sänftiglich auf einen moosgepolsterten Stein nieder. Lange den Apfel aus meiner Tasche herfür und reiche ihn Lore mit den Worten: „So; da hab ich dich hergesetzt, da sollst du sitzen bleiben. Bei deinem Alter noch kein Risico. Paß auf: ich schlüpf' da oben in die Höhle, Du aber isst herunten Deinen Apfel. So sind wir beide beschäftigt. Und du wartest auf mich, bis ich wieder komme! Gilt's?“
Lore nickt ernsthaft und gräbt die gesunden, kleinen Zähne schon esslustig in den Apfel ein. Da spute ich mich, weiterzukommen- denn „am Golde hängt, nach Golde drängt doch Alles!“ Etwa find' ich im Goldloch gar ein Honorar für meine Hallstätter Märchen.- Wenn es richtig ist, daß die Tugend stets die rauhen Pfade wählt, dann sind alle Wildbäche entschieden Tugendreich.
„Exempla trahunt!“ Das trifft besonders dann zu, wenn nichts anderes übrig bleibt.
Also tapfer hinan in des Wildbachs tugendlichen Bette.
Das Wasser fließt nur spärlich. Umso verhältnismäßig trockener kann ich nachweislich, also wissenschaftlich behaupten, dass der homo novus, d.i. Emporkömmling, nicht immer nur stolz aufrecht auf zwei Füßen einherschreitet, sondern gegebenen Falles auch noch auf zwei Händen geht; populär gesagt, auf allen Vieren kriecht.
Item, die schöne Einigkeit hat wieder einmal rasch zum Ziele geführt.
Ich bin oben.
Vor dem Goldloch ist Steingeröll angemuhrt, und ein seichter, spiegelklarer Tümpel hat sich angestaut. Ich überschreite ihn mühelos und schau' zu Lore hinunter.
Die kaut gemütsruhig ihren Apfel und singt bei vollen Backen:
„Der Adam und d' Everl
Die ess'n a Käferl,
Und was der Adam nit mag,
Steckt d' Eva in Sack.“
Still dankbar für diese Bereicherung an Vierzeiligen, nicht minder für den musikalischen Genuss, kauere ich mich auf den Schutte zusammen. Und weil der Eingang nieder ist, strample ich nach Art ungezogener Kinder mit den Beinen in die Hölhle hinein.
Alles verkehrt, oder durch Licht in die Nacht.
Der Schacht wird bald größer, mählich mannshoch.
Ich klopfe auf meine Tasche.
Asogleich meldet sich der „Bund der Deutschen“ in Bereitschaft. Auch mein Kerzchen ist, dank der Nachfrag',- wohl aufgehoben. Vorwärts.
Der dämm'rige Tagschein, der mich begleitet hat, erlischt bald ganz. Es ist finster, schwül- still. Da- horch! Ein träges, taktmäßiges Geräusch: Tropf, tropf.
Feucht rieselt es auf meine Wangen herab. Das sind die Thränen, welche die Dunkelheit weint, in Sehnsucht nach dem Lichte!-
Ich zünde meine Kerze an.
Sie flackert und brennt trübe. Trotzdem kann ich die unverwischten Runen in den Wänden sehen, welche die emsigen Hauen der klugen Fremdlinge aus der reichen Lagunenstadt gegraben.
Sie waren gar feiner Spürkunst fähig, um die Innenschätze der Berge ans Sonnenlicht zu heben. Dem staunenden, unkundigen Älpler sind sie deshalb übernatürlicher Kräfte mächtig erschienen.- Ich dringe langsam vor. Die Felsen mir zur Rechten und Linken sind ehern, wie Thatsachen; aber die vergrauende Wölbung scheint geheimnisvoll wie das Unbegreifliche. Und dazwischen das stille, verschwiegene Dunkel, wie zwischen Wirklichkeit und Unfassbarem das Wunder ist, das weltfremde, phantastische Kind, das seine verbindenden Fäden so fest und treuverschlungen spinnt, dass nüchtern grübelnde Weisheit sie nimmer zu lösen vermag. Spinn nur, spinn!- - - -
Ich schreite immer zu und manchmal streiche ich die kühlen Wände.
Denn im großen, schweigenden Herzen eines meiner schönen Berge,- eingedrungen durch die offene Wunde, die ihm Menschenwitz geschlagen,- möchte ihm ein Menschenkind sagen, wie lieb er ihm ist. Allein im Dämmerliht gesteht sich das so gut. Und glaubt nicht, ich sei unbelohnt geblieben!
Mir ist auf einmal ganz seltsam zu Sinn geworden, kindergläubig wie einst, da ich im lieben Zwielichtscheine auf Großvaters Knien gesessen und er mir den „Heinrich von Eichenfels“ erzählte, „Die Ostereier“, „Das Täubchen“; die guten unmodernen Geschichten!
Ich habe sie nicht bloß angehört, nein, miterlebt hab ich sie.- Und heute, nach langen Jahren, die so hart genommen und nur nüchtern gegeben, heute bin ich wieder fähig, ein Märchen zu erleben!
Geboren im großen schweigenden Herzen des Berges, wie damals in Großvaters warmumschlingenden Arm,- werden allerhand Zaubergestalten lebendig. Ich sehe sie, höre sie und hab' sie ganz zu eigen.
Im unsicheren Lichte meiner Kerze bewegen sich die Venedigermännlein, in den Händen den Bergspiegel, der die verborgensten Schätze weissagt. Über Köpfe und Schultern die dunklen Kaputzenmäntel, die Gesichter gebräunt und mager und alt.
Und gefällige Wichteln schärfen die Hauen, sie füllen die schlaffen Zwerchsäcke prall.
Die grauen Wände aber schimmern plötzlichrothgolden durchädert und gleißen, verheißen.
Nur einer der Fremdlinge ist jung von Antlitz, zierlich und fein und biegsam von Gestalt. Er könnte des zauberischen Spiegels entbehren und dennoch die reichlichste Beute machen. Denn ihm zur Seite rhatet und thatet des ältesten Wichtels Töchterlein.
Seiner Augen schwarze Gewalt hat sie ganz bezwungen; denn sie ist hold und jung und unter den alten Zwergen ihres Vaters heiß nach Wonnen. Sie reicht ihm mit dem lichthaarigen Scheitel just bis an sein Herze. Dessen Pochen und Schlagen ist ihrem Ohre wohl ein lieblicher Klang, weil sie lächelt, da sie sich an ihn lehnt. Er neigt sich, seine Lippen bewegen sich in Flüstern; vielleicht gesteht er ihr heimlich, er trage in der Brust einen Schatzgräber eigener Art: Der hebe ohn' End gar seliges Gut. Der Schatzgräber aber sei das Verlangen nach ihr, das selige Gut seiner Liebe ohn' Ende. Und sie, die in der Berge geheimste, verschwiegenste Gründe schaut, sie sieht nicht die Lüge in seines Herzens Tiefe.
Ich jedoch sehe sie, es hat ja die Märchenstunde meine Augen gesegnet.
Die Herzthörin warnen möcht' ich so gerne,- da aber öffnet sich unweit vor mir eine weite, herrliche Halle. Große Karfunkel zieren die prunkvollen Wände und spenden abendrothglühendes Licht. Gastfreie Zwerge treten heraus, sie credenzen aus krystallenen Schalen vielköstlichen Trunk und neigen sich freundlich vor den Fremdlingen. Denn die Abschiedsstunde ist kommen, die trennende, nach reichlicher Ernte.
Die Venediger schwenken die Becher und trinken auf seine Wiederkehr!-
Lang hält des ältesten Wichtels Tochter den Liebsten umschlungen; er kost ihr und küsst ihr die Trostesversicherung zu, mit den Zugvögeln wiederzukommen, im Lenz, im verheißenden Lenz.
Dann geht er mit dem bestgefüllten Zwerchsack von hinnen.
Noch grüßt er einmal zurück mit der Hand, die den Zauberspiegel hält, dass der helle Schein wie ein Blitz durch den Schacht fährt- - - -er zuckt auch über meine Hand hin- brennt- -
Da senke ich rasch den Blick auf die schmerzende Stelle.
An meinen Fingern kleben krustige Wachstropfen.
Als ich wieder aufschaue, ist der glanz der unterirdichen Hallen erloschen. Der Gang vor mir wölbt sich dunkel, wie eh.
Mei zusammengeschmolzenes Kerzenstümpfchen brennt trübe. Aber mählich hebt von neuem geisterthaft Leben und Bewegen an; ich bleibe nicht allein.
Wieder pochen und graben Venedigermännlein, hilfsbereite Zwerge gehen ab und zu.
Die schöne Wichteltochter aber tritt an die emsigen heran und sieht mit liebreichem Forschen den ersten unter die Kapuzen.
Und immer hastiger wird ihr Gang, immer trüber ihr Blick. Und da auch der letzte der Männer ihr ein altes, kaltes, herzfremdes Gesicht weist, ringt sie die weißen Hände in Schmerzen, rauft sie ihr seidenweich Haar.
Er ist nicht kommen, denn sie erwartet mit den Qualen der Sehnsucht.
Die Zwerge scharen sich um sie; ihr Vater aber berührt, leidvollen Grimm in den Zügen, mit seinen Händen die Wände und ihr Goldglanz erblindet.. Er nimmt die wankende Tochter in seine Arme und trägt sie, gefolgt von seinen treuen Zwergen, durch der erschreckten Schatzgräber Schar.
Langsam thut sich dem traurigen Zuge die Pforte der Bergeshalle auf; noch einmal weist sich ihr prunkender Reichthum an schimmernden, glühendem Edelgestein.
Da drängen die Venediger nach, goldtoll verwegen und gierig; sie halten ihre Bergspiegel empor, als drohende Waffen- -aber ein Wichtel rafft einen Stein und schleudert ihn wüthend nach den Frechen- -
Es klirren Scherben vor meinen Füßen- -ich stolpere, hasche mit beiden Händen nach Halt- -und- stehe im Dunklen.- Eine Weile rege ich mich nicht. Dann taste ich um mich, wie ein Schlaftrunkener, der jäh aus buntem Traum erwacht.
Da- armlang vor mir fühle ich eine Mauer. Rasch ist ein Zündholz in Brand gesteckt. Richtig! Der Gang ist zu Ende. Verschlossen durch die Felswand. Ich leuchte auf den Boden hin. Er ist steinig bedeckt mit splitt'rigem Schutte.
Mein Kerzenrestchen ist mir entfallen, ich kann es nicht wiederfinden:
Aber das bekümmert mich nichts. Noch bleibt mir der „Bund der deutschen Böhmen“.
Ich leuchte die Wand hinauf und hinab- sie sieht aus, wie eine strenggefügte, unerbittliche Thür.
Menschlein, kehr' um!-
Der Spuk ist aus, das Märlein aus längstvergangenen Zeiten aufs neue begraben.
Ich tapp' mich zurück und leuchte mir, so gut es geht.
Meine Gedanken sind bei der armen Tochter des Wichtels. Denn gewiss muss sie nach dem Schicksalsspruche des Märchens einsam und trostlos in der glazvollen Halle des Berges trauern, bis so viel unwandelbar treue Männer gelebt und geliebt, als jener, der sie betrog, falsche Schwüre gethan hat. Nimmer erharrte eine der Irdischen solche Erlösung vom Liebesharme.
Die Überirdischen jedoch haben unermessliche Lebensdauer;- und dafür sind sie Sagengestalten, dass ihr eig'ner Schmerz nur aufgewogen kann werden mit dem fremden Glücke and'drer.- - -Mein Zündholzpäckchen geht bedenklich zur Rüfte. Ich weiß erst jetzt, welch langen Weg ich gemacht, nun es einsam ist um mich. Schon kann ich die Hölzer zählen- nur mehr fünf; aber noch blinkt der helle Tag mir nicht entgegen.
Nur mehr vier- -drei- -zwei- - -da seh' ich den Eingang der Höhle, wie ein helles Guckloch.
Um mich noch Dunkel.Plötzlich bleib' ich stehen, wie gebannt. Vor mir auf dem Boden- Gold- -ein Reif, blitzend gleißend. Ich opf're mein letztes Streichholz- -es bricht in der Eile des Anzündens; sein Feuerköpfchen springt ab- nur flüchtig habe ich wahrgenommen, dass zu meinen Füßen ein Etwas liegt, mit schlangenartig gewundenen Leib, einen Goldreif auf dem Kopfe.
Was ist das? Eine Schlange, ja! Aber eine gewöhnliche, oder die Königin? Die sagenhafte Schlangenkönigin, nach deren Krone begehrliche Menschenhände stets sich ausgestreckt?
Ja, in dem Falle habe ich es wirklich mit einem gekrönten Haupte lieber zu thun, denn mit einer Unterthanin.
„Bist endlich da?“
Ein feines, hohes Stimmchen spricht diese Frage zu mir vom Boden auf, wie aus weiter Ferne.
Ich pralle zurück. Zwar bin ich an Märchenbesuch gewöhnt- aber- -
„Ich hab schon lang auf dich gewartet.“
(So, das auch noch!) „O, zu viel der Ehr'!“-
Wenn ich nurnoch ein Zündholz hätte! Aber es wird wohl die Reptilkönigin sein,- lieber Himmel, nach so vielen Wundererlebnissen auch keine Unmöglichkeit mehr.
„Was hast so lange gethan?“
(Wozu braucht sie das nun zu wissen?) „Ich? Ich- ja ich-“ Hm, vielleicht kommt sie auf Besuch zu meiner Wichtlin im Berge und trägt Kunde von der Welt und etwaigen unwandelbaren Männern- -
„Was Du so lange gethan hast, möcht'ich wissen!“
O, sie wird dringlich! Vielleicht könnte ich mich mit ein paar guten Adressen von treuen Herren der Schöpfung angenehm machen- -mir fällt dann gar keine ein...?
„Duu! Red' doch!“
„Ich, ja,ja. Aber erlaubt erst“- (ach was, ich sag auch „Du“) „erlaubt mir erst, zu fragen, mit wem hab ich die Ehre?“ (Sicherheit will ich doch- jetzt raus, wes Art und Name!)
„Geh', jetzt thust grad, als kennst mich nicht.“
„O! dann bist Du also richtig Ihre Majestät, die Schlangenkönigin.“
„Na schön. Ich muss Dir sagen, dass ich alles weiß, was sich hier im Berge zugetragen, denn ich bin eine Schriftstellerin“- (soll ich ihr meine Werke empfehlen- ah! Keine Selbstreclame) „ja, wie gesagt, es ist mir ein Vergnügen, Dich kennen zu lernen: aber- entschuldige- ich habe Eile, lass mich hinaus.“ (Ich traue den Landfrieden doch nicht recht; Schlange bleibt Schlange)- -“Nein, nein! (die Stimme wird drohend und hohl)- „Warte, Du Böse, jetzt musst Du drinnen bleiben und auch warten, bis- bis-“ die Stimme erstickte im Kichern; ein boshaftes, nichtswürdiges, schlechtes Kichern! Mich fasst ein Grauen- halten will sie mich, und wer weiß, was sie Schwarzes sinnt; sind seit Mutter Evas Zeiten uns're Erbfeindinnen, die Schlangen! Da gilts- sie oder ich! Faustrecht!-
Und rasch entschlossen, mit dem Muthe des Entsetzens, greife ich nach dem blinkenden Reif- habe ich den, soll er das Lösegeld meiner Freiheit sein- und ich halte ihn, fest, krampfig- und stolp're zu.
Das Herz klopft mir, mein Athem keucht...
Empört peitscht um meine Knie, um meine Arme der glatte, eklige Schlangenleib.
Aber ich lasse nicht locker; nur fort- fort, dem Guckloch zu. Starr, lechzend ist mein Blick darauf gerichtet.
Und immer drohender und beängstigender windet und schlängelt sich die Schlange um mich, an mir empor.
Nur festhalten, nur aushalten- Gottlob, das Ziel winkt ja näher- nahe- der erste Tagschein trifft mich- hurrah!
Nun Ungethüm, nun!- -
Ja, nun halte ich athemlos still, schau an mir herunter, und- -halte meinen leibeigenen Gürtel in der Faust!
Er mag mir wohl bei meiner Bergfahrt herabgeglitten sein- aber das versteh' ich noch nicht, ich steh' und schau, wie das sprichwörtliche Intelligenzthierchen auf dem Berge.
Da taucht hinter dem Steingeröll ein blonder Kopf auf, eine kleine Gestalt- die Lore!
Pudelnass, aber kreuzvergnügt.
„Duu! Ja, wie kommst denn Du daher!“
Ich krieche schleunigst zu ihr hinaus.
„Na, hau, wie Du halt: auf allen vieren.“
„So!“ Ich verpuste mich ein wenig und setz' mich zu ihr auf den Schutt. Zieh' die Beine herauf, werfe meinen Gürtel, wie eine Jagdbeute, um meine Schultern und schlinge meine Arme um das liebe, warme Menschenkindlein.
„Du, Lore, hast Du niemanden gesehen?“
„Nein, niemand nicht, nur mich selber.“
„Geh', Dich selbst kannst Du ja nicht sehen.“
„Wohl, wohl! Schau da drinnen.“ Und sie gibt dem Wasser in dem Tümpel des Bachbettes einen Schlag, dass mir die Tropfen ins Gesicht sprühen.
„Mach' keinen Unsinn!- Du, es hat doch jemand geredet mit mir?“-
Da lacht der kleine Nichtsnutz unbändig: „Aus is! Jetzt weißst es wirklich nicht, das war ja ich!“
„O Lore!“ sage ich tragisch. Sie sieht ein wenig reumüthig aus. „Ja weißt, mir war halt schon zeitlang, und- und da bin ich raufkraxelt, und wie ich Dich kommen g'hört hab- weißt, es hallt so- hab' ich Dich ang'ruft.“- „Angerufen, Lore!“
„Ja, angerufen und da- da- -“ sie stockt und kichert; ein boshaftes nichtswürdiges Kichern.
„Weiter, na?“
„Ja, Du hast so g'spassig „Ihre Majestät“ zu mir g'sagt, da hab ich mir denkt- wart, jetzt g'spassel ich auch und zank' Dich recht aus- schleckerpazl, schleckerpazl!“
Die Sonne lacht, die Lore lacht, da lach' auch ich, und wenn Ihr ein gleiches thut, ärgert Ihr mich gar nicht.
Jetzt aber noch ein paar Worte im Ernst: Mit der Schlangenkönigin- na freilich, das- das war nichts. Aber die Geschichte von den Wichteln und der Zwergentochter und den Venedigermännlein, die ist wahr- wie ein Märchen.
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