Das Buch "Ischls Cursaal" handelt vom Tourismus 1877.
Ich finde das Buch ist sehr interessant, es erzählt mit viel Bildern über den damaligen Ischler Fremdenverkehr. Ein Blick lohnt sich.
Ischls Cursaal: ein Buch für Curgäste und Touristen Hirschfeld, Josef, 1877 Erlangen: Ferdinand Enke, 1870. - 17 cm. - XII, 179 Seiten
Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rep/10419159
Dort sind auch Ausflüge beschrieben, unter anderem nach Hallstatt.
Das letzte Kapitel dort heißt: Der Cretinismus.
Es erzählt die wirklich schöne Geschichte der Entstehung des Kindergartens.
Am Ende habe ich noch die zwei Inserate aus der Wiener Zeitung vom Pastor Sattler eingefügt.
Der Cretinismus.
Dieser traurige Zustand physischer
wie geistiger Verkommenheit, ist nach
Dr. Pohls Untersuchungen im Salz-
kammergute nicht heimisch. Die vor-
kommenden Exemplare seien nach den
Aussagen des genannten Autors, aus
dem Ennsthale herüber gepflanzt worden.
Ohne uns hier mit einem Rückblick
auf die Entstehungsgeschichte des Creti-
nismus und den dießbezüglichen Hypo-
thesen aufzuhalten, wollen wir dem Le-
ser nur einige, hieher gehörige Mitthei-
lungen machen.
Kein Menschenfreund wird und
kann diese physische wie geistige Ver-
kommenheit von Menschen mit Gleich-
gültigkeit ansehen. Eine interessante
und höchst befriedigende Wahrnehmung
wird es daher sein, diese Idioten, (wie
wir weiter unten nachweisen werden)
solche Fähigkeiten erlangen zu sehen,
daß sie in die Reihe vollbürtiger geisti-
ger Menschen aufgenommen werden können.
Das große Verdienst um die Aus-
bildung derselben hat sich die hochherzige
Frau Erzherzogin Sophie erworben. Sie
gründete in Hallstadt eine Kinderbewahr-
anstalt und zeigt noch immer für dieselbe
das größte Interesse. Sie spendet jähr-
lich eine bestimmte Summe zur Spei-
sung und Kleidung armer in die An-
stalt aufgenommenr Kinder.
Die Veranlassung zur Gründung
dieser Anstalt gab folgendes unglück-
liche Ereigniß:
Zwei Kinder, deren Eltern ihrem
Broderwerbe nachgehen mußten, waren
ins Zimmer gesperrt, somit sich selbst
überlassen worden. In diesem Zimmer
nun kam, man weiß nicht auf welche
Weise, Feuer aus– die unglücklichen
Kinder mußten zu Grunde gehen.
Der evang. Pfarrer von Hallstadt
Herr Konrad von Sattler hatte einen
Aufruf in die Zeitung ergehen lassen,
in welchem er mit Hinweis auf den
eingetretenen Unglücksfall, zur Grün-
dung einer Kinderbewahranstalt in
Hallstadt, an edle Menschen appellirte.
Gleichzeitig wendete er sich persönlich
an ihre k. Hoheit die Frau Erzherzogin
Sophie, welche seiner Bitte volle Ge-
währung angedeihen ließ. Die hohe
Wohlthäterin gründete aus Eigenem
diese Anstalt und die humane Idee des
wackeren Pfarrers von Hallstadt war
realisirt. Die Verwaltung der Anstalt,
wurde den frommen Schwestern über-
lassen, die seither auch derselben mit
schwesterlicher Liebe und Sorgfalt vor-
stehen.
Unsere Leser werden das humani-
täre Bestreben des Pastors in noch
höherem Grade würdigen, wenn wir
ihnen mittheilen, daß derselbe aus Be-
sorgniß: die Evangelischen könnten sich
abhalten lassen ihre Kinder in die
Anstalt zu schicken, weil die frommen
Schwestern derselben vorstehen, und
diese sie zur katholischen Kirche bekehren
könnten,– mit dem guten Beispiele
voranging, seine eigenen Kinder die An-
stalt frequentiren zu lassen.
Dieses Vorgehen verfehlte auch
nicht seine beabsichtigte Wirkung auf
die Gemeinde, die nun ihre Kinder, son-
der Bedenken, in die Anstalt schickte.
Der ev. Pfarrer von Hallstadt
Herr Konrad von Sattler machte uns
vor Kurzem die erhebende Mittheilung,
daß seit dem nunmehr fünfzehnjährigen
Bestehen der Kinderbewahranstalt in
Hallstadt, viel weniger Cretins vorge-
kommen wären als ehedem. Er habe
schon vor Jahren beobachtet, schreibt
er uns, daß die Keime des Cretinis-
mus nur durch jene traurige Einwir-
kungen, welche die sozialen Zustände
der dortigen Bevölkerung auf Kinder
des frühesten Alters ausübten, entwi-
ckelt wurden.- Durch die Errichtung
jener oben gedachten Kinderbewahran-
stalt, ist nun diesem traurigen sozialen
Zustande auf das heilsamste begegnet
worden.
Vor dem Bestehen dieser Anstalt,
sagt Pfarrer Sattler, waren die zarten
Kinder zumeist in enge dunstige Räume,
die den Bewohnern zu Wohnstuben,
Schlafgemächern und im Winter zugleich
auch zu Küchen dienten, mit der ganzen
Familie eingepfercht und nicht selten
vom frühesten Morgen bis späten Abend
sich selbst überlassen. Die Eltern muß-
ten Erwerbes wegen den Tag außer
dem Hause zubringen. Hiezu, kam die
schwer verdauliche Nahrung, mit welcher
die zarten Kinder „angestopft“ wurden.
Abgesehen davon, daß sich kein Mensch
mit ihnen beschäftigte, keiner sie zu
körperlichen Bewegungen veranlaßte,
mußten sie auch den wohlthätigen Ein-
fluß der frischen Luft entbehren.
Seitdem jedoch die Kinder
von ihrem zweiten bis zu ihrem
sechsten Lebensjahre in der An-
stalt verbleiben und in geräumi-
gen Sälen, oder bei günstigem
Wetter auch in einem Garten,
einen ihrem zarten Alter ent-
sprechenden Unterricht genießen;
seitdem nun auf Reinlichkeit der
Kinder ebenso sehr, wie auf an-
gemessene Verpflegung Bedacht
genommen und durch solch' hu-
manes und zugleich rationelles
Vorgehen sich Geist und Körper
der Kleinen gleichzeitig entwi-
ckeln können, ist in Hallstadt die
Abnahme der Cretins bemerk-
bar.–
Seit einigen Jahren, berichtet un-
ser Gewährsmann, sind viele alte Cre-
tins gestorben und neue beinahe keine mehr
hinzugekommen. Ich glaube, sagt er,
dies letztere nur der besseren zweckmä-
ßigen Nahrung und Pflege, deren sich
die Kinder hier schon seit ihrer zartesten
Kindheit zu erfreuen haben, wie der
frühen Anregung ihres Geistes zuschrei-
ben zu dürfen.
Möge das Bekanntwerden dieses so
günstigen Resultates einen Impuls zu
angelegentlichen Erörterungen folgender
Frage geben:
„Ob und inwieferne es möglich sei
durch Macht der physischen und geistigen
Erziehung, das Verschwinden dieser phy-
sischen wie geistigen Verkrüppelung her-
beizuführen.“
Comments