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Kaiser Josef und die Wetterhexe

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner




Kaiser Josef und die Wetterhexe.

Original-Roman des „Neuigkeits-Welt-Blatt" von Dr. M.

Böse Blicke in die Zauberwelt.

Seit dem von uns geschilderten Zusammensein von Barbara und Gertrud waren drei Tage verflossen, während welcher der Letzteren Geist und Gemüth fast unaufhörlich die Tummelplätze von zwei einander zwar gänzlich fernestehenden, demungeachtet aber abwechselnd sie mit gleicher Macht bestürmenden Gefühlen gewesen waren.


Während sie nämlich noch immer nicht ver­mochte. in ihrem Herzen den Schmerz über die Abwesenheit ihres Gatten zum Schweigen zu bringen, war sie ebensowenig im Stande, der Gedanken Meisterin zu werden, welche, eine Folge von Barbara's Schilderungen und Erzählungen, unwillkürlich in ihr die Begier erregten, Derartiges noch mehr zu erfahren.


Ohne daß sie es sich gestehen wollte, sehnte sich Gertrud nach einer Wiederholung von Barbara's Besuch und— sie vermochte es nicht zu leugnen— wäre sie nicht durch die Sorge um Haus und Werkstatt, durch ihren, der mütterlichen Aufsicht und Sorgfalt bedürfenden Knaben abgehalten worden, sie würde bereits den freilich nur kurzen Weg nach Ottakring hinüber zurückgelegt haben, um der ihr selbst von ihrem Gatten als Freundin Empfohlenen gleichsam einen Gegenbesuch abzustatten.


Ihr Trennungsschmerz hatte heute gewisser­maßen eine momentane Linderung erfahren, in­ dem ihr im Laufe des Vormittags durch die Post ein aus Linz datirter Brief ihres Gatten zukam. Warnefried hatte demnach sein ihr beim Abschied gegebenes Versprechen glänzend gehalten. „Was ich gleich nach meiner Ankunft in Linz erfahren," schrieb er unter Anderem, „bestimmt mich fürs Erste, meine Reise bis in das steirische Ennsththal auszudehnen und von dort dann von der Stadt Salzburg auf kürzestem Weg über München, Nürnberg zu erreichen, wo ich jedenfalls verweilen und auch Dein erstes Antwortschreiben erwarten werde."


Das Schreiben schloß mit verschiedenen noch nachträglich ihr gegebenen Weisungen, Geschäft und Wirthschaft betreffend und den sonst noch üblichen und unerläßlichen Formeln. Gertrud hatte sich nach dem Mittagsmahl zur kurzen Rast in die schöne Stube zurückgezogen und, auf dem altmodischen, eher einer mittelalterlichen Polsterbank gleichenden Divan ruhend, Warnefried' Brief zum so und so vielten Male wieder gelesen, als sich die Thüre öffnete und zur größten Freude der so unverhofft Ueberraschten Barbara eintrat. „Ich bringe," sprach sie, die dargereichte Hand der ihr Entgegengeeilten schüttelnd, „hier die versprochene Zauberformel und nun ist's nur an Euch, heute oder morgen das Uebrige zu ver­ anlassen." „Ach, wie freundlich ist das von Euch," entgegnete Gertrud, „aber nicht wahr, Ihr verlaßt mich nicht unverzüglich wieder? Ihr bleibt wenigstens über das Vesperbrod hier?" „Gewiß," erwiderte die so freudig Empfan­gene, „der wenn auch nur kurze Weg zwischen Ottakring und Dornbach ist für Unsereinen doch noch immer viel zu lang, um, kaum angekommen, allsogleich wieder zu scheiden.

Doch, was seh' ich?" fuhr sie fort, „Ihr haltet hier in der Hand einen Talisman, der Euch beinahe lieber sein dürfte, als jener, den ich Euch gebracht. Durch ihn seid ihr nun doch mindestens halb getröstet? Nun, was schreibt denn Euer Herzgeliebter?" „Leset selbst," sprach Gertrud, Barbara das Schreiben reichend. „Durchaus Nichts, was für ein Drittes ein Geheimniß wäre." Barbara hatte das ihr von Gertrude über­ reichte Schreiben innerhalb weniger Sekunden mit den Blicken dnrchflogen. „Nach diesem Briefe." sprach sie, selben wieder zurückgebend, „müßt Ihr Euch für ziemlich lange in die Rolle einer Strohwitwe fügen; denn nach dem, was hier innen steht, kommt Euer Gatte vor den ersten Tagen des nächsten Monats nicht zurück." „Leider, ja!" entgegnete Gertrud seufzend. „Seid nicht gar zu traurig," erwiderte Barbara muthwilligen Tones, „ich freue mich dar­über." „Was fällt Euch ein? Ihr freut Euch dar­über ?" „Gewiß, denn je länger Herr Warnefried ab­wesend ist, desto länger bleibt mir das Amt, Euch zu zerstreuen, Euch die Grillen zu vertreiben." „Meint Ihr es so gut, so dank' ich Euch und weiß Eure Freundlichkeit zu schätzen. Aber setzt Euch doch, Frau Einfellner.— Ich gebe nur der Magd einen Auftrag und bin gleich wieder bei Euch. Dann erzählt Ihr mir vielleicht wieder so fürchterliche und doch dabei wieder so schöne Dinge, wie das letzte Mal." Gertrud entfernte sich eiligst. „Sie geht in die von mir gestellte Falle." sprach Barbara, als sie sich allein sah, triumphirend zu sich selbst. „Ihre Neugier liefert sie vollständig in meine Hände." Gertrud kam unverzüglich wieder zurück. „Da bin ich wieder," sprach sie, sich an Bar­bara'- Seite niederlassend, „und nun wollen wir recht ungestört miteinander plaudern." „Gewiß," sprach Letztere, „allein zuerst gestattet, daß ich meinem Euch geleisteten Versprechen gerecht werde, indem ich Euch den Talisman mit der Beschwörungsformel übergebe.


Hier," fuhr sie fort, ein dreieckiges, mit hebräischen Buchstaben in rother Farbe beschriebenes Stück Pergament aus ihrem Taschentuch wickelnd und selbes Gertrude überreichend, „hier habt Ihr dasjenige, dessen Ihr bedürft, wollt Ihr bei einer anderwärtigen Gelegenheit Euren ab­wesenden Gatten für kürzere oder längere Zeit in Eure Nähe bannen.


Und hier," belehrte sie, einen zweiten Zettel hervorziehend, weiter, „habt Ihr als Schlüssel die Zauberformel mit gewöhnlichen Buchstaben geschrieben. Ihr müßt, wie ich Euch schon letzt­ hin sagte, den Spruch aufs Gewissenhafteste auswendig lernen, trotzdem aber müßt Ihr bei der Beschwörung während des Sprechens Eure Augen auf den Talisman heften, als wollet Ihr den Spruch lesen und von oben, und zwar von der Rechten zur Linken, die hebräischen Schriftzeichen verfolgen. Nur dürft Ihr früher nicht vergessen haben. Euch mit Haaren von Eures Gatten Haupt zu versehen. Was das Geheimniß mit dem Froschskelett be­trifft, so habe ich nichts mehr beizufügen und es ist nur an Euch, Euch ein solches zu verschaffen."


Barbara mußte mit all ihrer ganzen Kraft sich bezwingen, um die Freude zu verbergen, in welche sie durch Geitrudens Antheilnahme an ihren Eröffnungen versetzt wurde. „Sagt, Frau Einfellner," fragte Gertrud, „wißt Ihr wohl einen Fall, daß Jemand eine derartige Beschwörung gewagt?" „O, deren mehrere," lautete die Antwort. „Und erreichten die Beschwörer ihr Ziel ?“ „Wie man's eben nimmt. Die Einen voll­ständig, die Anderen mehr oder minder, Manche wieder gar nicht. In einem Falle, welchen mir meine Muhme erzählte, kam der arme Beschwörer gar übel weg." „O, erzählt, „Recht gerne, hört nur!" „Da war in Hallstadt ein schmucker Jäger­bursche, der hatte ein Liebchen, ein schönes braves Mädchen, Marie mit Namen, die einzige Tochter einer armen Kutscherswitwe aus der Gosau. Die beiden Leutchen liebten sich auf's Innigste und wünschten nichts sehnlicher, als einander baldigst anzugehören für das ganze Leben. Aber wie bereits gesagt— beide Liebende waren arm und für die Möglichkeit ihrer Verbindung nicht die geringste Aussicht vorhanden. Nach vielen in die Luft gebauten Plänen ent­schloß sich Marie nach Linz zu wandern, um dort einen Dienst zu suchen. In diesem wollte sie nach Kräften sparen. Max— so hieß der Jägerbursche — sollte einstweilen in der Heimat ein Gleiches thun, dabei trachten, einen höheren Dienstplatz zu erhalten und so, tröstete ihn das Mädchen, würden sie doch in verhältnißmäßig kurzer Zeit so viel vor sich bringen, als nöthig, ihr beider­seitiges Ziel zu erreichen.


Nur nach langem Kampf willigte Max in Mariens Entschluß, aber, keinen anderen Ausweg sehend, fügte er sich zuletzt denn doch darein. Die Liebenden waren nun durch eine viele Meilen weite Entfernung von einander getrennt und hatten keinen anderen Trost dafür, als zeit­weise einander zu schreiben.


So war ein Jahr dahingeflossen. Nun aber wurden Mariens Briefe mit einem Male seltener und es schien Max, als würden sie gleichzeitig damit nicht nur kälter, sondern als mischten sich hämische Bemerkungen, kalter Spott in denselben als Antwort auf seine liebevollsten Schreiben.


Der von liebender Sehnsucht nach dem geliebten Mädchen gequälte wußte sich diese Veränderung nicht zu erklären, bis ihm durch einen Kameraden, der einige Zeit zum Besuch bei seinen Eltern in Linz geweilt hatte und jetzt wieder nach seinem Dienstort zurückgekommen war, ein furchtbares Licht sollte aufgesteckt werden. Marie hatte, nach des Kameraden als voll­kommen wahr beschworener Aussage, den ver­lockenden Worten eines vornehmen und reichen Lebemannes Gehör geschenkt und war auf ewig für Max verloren. Ein Schrei, der nichts Menschliches mehr an sich hatte, war für den Moment die einzige Antwort des so furchtbar Enttäuschten, dann aber stürzte er von dem Unglücksboten in einer derart stürmischen Eile fort, daß dieser, wenn er es auch gewollt hätte, ihn nimmer erreicht haben würde.


Es ist eine alte Sage, daß Jägersleute fort­während mehr oder minder mit Anfechtungen des Bösen zu thun hätten und im Besitze von allerlei Geheimmitieln sich befänden, sich von demselben zu bewahren, dabei aber zeitweise nicht verschmähten, durch allerlei Künste behufs eines reichen Kugelsegens und dergleichen, den Schwarzen sich zu Willen zu machen. Unter anderen Geheimmitteln hatte Max auch jenes mit der umgekehrten Formel kennen gelernt und— ohne eigentlich zu wissen, weshalb — sich diese Fertigkeit angeeignet. Heute wollte er von ihr Gebrauch machen. Es ging bereits nahe auf Mitternacht, als der noch immer an der Grenze des Wahnsinns Stehende den den Ort von seiner Anhöhe beherrschenden und gleichzeitig die Kirche umge­benden Friedhof von Hallstatt betrat, nachdem er dessen Einfassungsmauer an einer halb ein­gefallenen Stelle überklettert hatte.


Im Salzburgischen und in Oberösterreich, schon von Hallstatt angefangen, sind nicht wie bei uns im Unterland die Beinhäuser öde Kammern, in welchen ein Chaos von Schädeln und Knochen zu einem wüsten Haufen aufgeworfen ist, sondern auf der Vorderseite offene und nur durch ein Gitter verwahrte Kapellen, an deren Rückwand ein Altar mit einem Kruzifix sich erhebt, zu dessen beiden Seiten, so wie an den übrigen Wänden aus Laven gebildete Pyra­miden angebracht sind, innerhalb welchen die Todtenköpfe symmetrisch einer über dem anderen, gleichfalls in Pyramidenform aufgestellt sind, wahrend die übrigen Todtenknochen in Kisten aufbewahrt werden.


Die Gitterpforte war nur eingeklinkt und so konnte Max ungehindert die Todtenkapelle betreten. Er entnahm nun einer der Pyramiden so viele Köpfe als er für ein Mal auf seinen Armen fortzutragen vermochte, belud sich auch mit Armknochen und wiederholte dies so lange, bis er genug zu haben glaubte, um auf einem von Grabkreuzen möglichst freien Platz einen größeren Kreis zu bilden.


Der Mond in seinem ganzen Vollsein be­leuchtete das Gräberfeld, als Max in die Mitte des vollendeten Kreises trat und seine Be­schwörungsformel begann.

Er that dies mit Zagen, denn die Reue über den verübten Frevel der Ruhestörung der Todten war mit Eins in ihm erwacht.

Bebend war er bis zu dem letzten Worte gelangt, da dünkte es ihm, als züngelte unter einem furchtbaren Donnerschlag eine bläuliche Flamme außerhalb des Kreises aus der Erde empor und gleichzeitig stürzte er besinnungslos zu Boden.

Er wußte nicht, wie lange er so gelegen, als er durch einen starken, gleichwie von einem Biß herrührenden Schmerz aus seiner Ohnmacht geweckt wurde.


Er schlug die Augen auf und nachdem er sich vorerst vollständig des Ortes entsonnen, an weitem er sich befand und Alles dessen, was vorgegangen, versuchte er, sich zu erheben. Der Morgen begann bereits heranzudümmern. Max befühlte seine noch immer, wie in Folge eines Bisses schmerzende Wange und als er seine Hand davon zurückzog, war diese blutig, gleich­zeitig erblickte er neben sich im Grase eine jener gefährlichen Vipern, wie solche in jenen Gegenden unter der Benennung Bergstutzen allgemein be­ kannt sind.


Nun erkannte der, sein gottloses Treiben im tiefsten Innersten Bereuende, daß seine letzte Stunde gekommen war, denn der Biß dieses eine wahre Plage der Alpen vom Traunstein bis zum Tannengebirge bildenden Reptils ist mit seltenen Ausnahmen tödtlich.

Vollkommen zerknirscht trug Max Schädel und Knochen an ihre Plätze zurück und enteilte dann dem Friedhof, dabei sorgend, daß er von Niemandem bemerkt würde.

Er floh in den den Salzberg bedeckenden Wald, doch auch die Stille in der Nacht der Schwarzföhren und Tannen vermochte es nicht, ihm die Ruhe wiederzugeben, und als die Morgenglocke zu ihm hinan ertönte, stieg er wieder thal­wärts und lenkte der Kirche seine Schritte zu.

Dort angelangt, verlangte er nach dem Pfarrer und berichtete diesem seinen in der verflossenen Nacht begangenen Frevel durch ein sein ganzes Inneres enthüllendes reumüthiges Bekenntniß.

Noch ehe die Sonne hinter dem Berge verschwand, war er eine Leiche."

»Entsetzlich, schrecklich!" rief Gertrud, nachdem Barbara geendet. »Wie kann ein Christmensch Sol­ches begehen? Und Ihr könnt denken, daß ich, Eurer Belehrung folgend, einen derartigen Frevel ver­üben würde?" „Wer denkt daran?" entgegnete Barbara lachend. »Ich erzählte Euch ja nur davon, weil ich zu errathen glaubte, daß Ihr an dem Anhören von dergleichen Dingen Gefallen findet und ich täuschte wich wohl nicht. Übrigens bin ich im Besitze von noch gar vielen anderen Geheimnissen, die nicht so schlimmer Art sind und die— gefällt's Euch anders— ich Euch mittheilen will."


„So ist es denn doch wahr, was man von vielen Seiten mir hinterbracht, daß Ihr mit der alten Salome im Walde droben vertrauten Um­gang pflegt?"

„Mit dieser? Hahaha! Das ist eine Betrügerin, die weder etwas weiß, noch etwas kann und höchstens das einfältige Landvolk zu blenden versteht. Nein, gute Frau Warnefried, mit dieser Wahnsinnigen habe ich Nichts gemein. Lasset Euch bedeuten. Meine Muhme in Steyr, bei welcher ich die Zeit vor meiner Verheiratung zugebracht, hat mich in diese Geheimnisse eingeweiht. Meiner Mutter Schwester ist— was ich Euch übrigens nur unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses vertraue— selbst in mehreren derlei Künsten erfahren und hat sogar einige wahrhaft staunens- werthe Leistungen von ihrer Wissenschaft sehen lassen."


Durch die das Vesperbrod herbeibringende Magd wurden weitere Enthüllungen für den Mo­ment auf spätere Zeit verschoben, doch nachdem jenes von den beiden Frauen eingenommen war, nahm Barbara den abgerissenen Faden ihrer Mittheilungen von Neuem wieder auf.


Sie sprach von der Möglichkeit, Abwesenden trotz großer Entfernung Gutes oder Übles nach Gefallen zuzufügen, von der geheimnißvollen Kunst, sich unsichtbar zu machen oder gleichzeitig an verschiedenen Orten zu sein, von der Macht, zukünftige oder auch gegenwärtige, durch weiten Raum von uns getrennte Dinge zu erforschen und von jener, in undenkbar kurzer Zeit einen verhältnißmäßig sehr weiten Raum zu durchfliegen, von der geheimnißvollen Kunst, Verstorbene zu rufen u. s. m. und jedes der angeregten Themas wußte sie durch eine Erzählung zu beleben.


Gertruden- Neugier war auf's Höchste ge­spannt. Unzählige Fragen drängten sich in ihrem Geiste und indeß fortwährender Schauder sie durchriesete, forschte sie stets weiter und hing wie bezaubert an den Lippen der Verführerin, welche so lebhaft zu schildern wußte. Als Barbara erst sehr spät ihre Freundin verließ, fühlte sie sich durch den Erfolg des Abends vollkommen befriedigt. Nun konnte sie ihren ver­werflichen Plan zur Ausführung bringen,



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