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Ein schwüler, heißer Nachmittag
Auf Flur und Wald, und Alpe lag;
Da klomm, im goldnen Abendschein,
Ein Jüngling auf den Krippenstein. *)
Hoch von der Alpe schallt Gesang
Der Sennerinn; er folgt dem Klang
Und bald umschließt ihn froh und warm
Des treugeliebten Mädchens Arm.
„Mein Kätchen! nimm den Abschiedskuß!
„Uns trennt des harten Schicksals Schluß!
„Siehst du im fernen Bayerland
„Die Feuerspur der Feindeshand?
*) Krippenstein, Dachstein und Falkenstein, sind Nahmen hoher Gebirge des Salzkammergutes, an der Gränze von Salzburg.
„An Östreichs Gränzen schwoll die Fluth
„Der Franken kühner Übermuth:
„Da rief uns unser Vater Franz
„Zum Schutz des bangen Vaterlands;
„Zum Ruhme führt uns Östreichs Aar,
„Geordnet steht die muth'ge Schaar;
„Und morgen, wenn der Tag erwacht,
„Die goldne Morgensonne lacht,-
„Da zieh'n wir fort, in kühner Lust,
„Und Siegeshoffnung schwellt die Brust,
„Doch einmahl mußt' ich dich noch sehen,
„Eh ich in Schlacht und Kampf konnt' gehen.“
Da schließt er fest sie an die Brust,
In reiner, heil'ger Liebe, Lust.
„Ach Franz! mir ahnet tief und schwer,
„Dein Mädchen sieht dich nimmermehr!
„Im Innern hallt mir's schauerlich:
„Zum letzten Mahl umschließ' ich dich.
„O Traute nein, dich täuscht ein Traum,
„Gib solcher Schwermuth doch nicht Raum;
„Wenn neu des Lenzes Blumen blüh'n,
„und heim die treuen Schwalben zieh'n,
„Dann ist gedämpft der Kriegesbrand,
„Dein Franz zieht heim ins Vaterland.
„Doch jetzo drängt es mich hinaus,
„Zum Kampf für unser Kaiserhaus
„Wie, wenn mein Volk zum Streite fliegt,
„Daß Östreich nicht dem Feind erliegt,
„Da soll ich müßig Gemsen jagen?
„Die Schande könnt' ich nicht ertragen!
„Mich schützen Gott und dein Gebeth,
„Wenns in den Schlachtendonner geht;
„Drum glaube mir, wir seh'n uns wieder
„Im Jubelklang der Siegeslieder!“
So scheuchet er mit sanften Wort
Des Mädchens bange Ahnung fort
Sie schloß sich fest, und fest an ihn,
und Stund' auf Stunde, flog dahin;
Die Sonne war hinabgesunken,
Erloschen schon ihr letzter Funken.
Vom Falkenstein zog trüb und schwer
Ein Ungewitter finster her;
Des Dachsteins graues Alpenhaupt,
Vom Gletschereise grün umlaubt,
Verhüllte grauer Nebel Spiel
Im fabelhaften Formgewühl.
Und dumpf, und dumpfer braust' der Spiegel
Des Sees, durchrauscht vom Sturmesflügel.
Die Liebenden, im Trennungsschmerz,
Seh'n abwärts nicht, noch himmelwärts,
Bis tiefe Nacht die Welt beschreitet,
und ihren dunklen Mantel breitet.“
Da rafft sich Franz gewaltsam auf:
„Jetzt lebe wohl, im raschen Lauf
„Kehr' ich zurück zur Schaar der Brüder,
„Vertrau” auf Gott! Wir sehn uns wieder.
„Ach Franz verweile noch hier oben
„Hörst du die wilden Stürme toben!
„und unten braust der See mit Macht
„Vom Sturm durchfurcht in finsterer Macht,
„und kühn willst du die Fahrt jetzt wagen
„o bleibe hier, bis es wird tagen.“
„Was fordert du. Es kann nicht seyn,
„Die wackern Brüder harren mein
„und wie der Tag in Ost erglüht,“
„Das Heer fort an die Gränze zieht,
„So weine nicht, Mich ruft die Pflicht,
„Da schreckt mich Sturm und Woge nicht.“
Da drückt er nochmahl inniglich---
Das traute Mädchen fest an sich--
Saugt nochmahl Muth aus ihrem Blick,
und eilet schnell zum Heer zurück,--
Durch dunkle Nacht, auf Alpenweg,
Auf Gemsenjägers schmalem Steg-
Doch eh zum See er abwärts dringt,
Der Alpensturm den Fittich schwingt;
Das Hochgewitter, rauschend, bricht
Heran wie Gottes Strafgericht.
Erleuchtet strahlt im Blitzesglanz
Der Gegend eis'ger Alpenkranz,
Der Donner rollt im wilden Lauf,
Weckt tausendstimm'ges Echo auf!
Wie wild empört die Stürme brausen,
Und durch der Alpen Schlünde sausen,
Die Föhn des Sees Grund durchstürmt,
Und Berge hoch die Wogen thürmt:
Sie sieht es nicht: Sie sieht nur ihn
In grauser Blitze gelbem Glühn;
Im Sturme flattert wild ihr Haar,
Sie sieht es nicht. Nur die Gefahr,
Worinn der theure Jüngling schwebt,
Ihr wild die treue Brust durchbebt.
Der aber bricht mit kühnen Muth
Empörter Fluthen wilde Wuth;
Doch jetzo faßt der Sturm den Kahn,
und wirft ihn schmetternd felsenan,
und in der Fluthen nasses Grab
Der treue Jüngling sinkt hinab,
Ein Opfer treu erfüllter Pflicht..
Sie sieht's, das starre Auge bricht,
und ob dem grauen Schreckensbild
Der Wahnsinn ihren Blick verhüllt.
So weilt sie stille und verschlossen
An jener Stelle, unverdrossen,
Wo sie das Gräßliche geschaut;
Doch ihrem Mund entschlüpft kein Laut.
Wenn Wintersturm die Alp" umbraust,
Die Sennerinn im Thale haust,
Da peitscht sie wilde Raserey,
Und läßt sie dann erst wieder frey,
Wenn in des Lenzes milden Schein
Sie aufwärts ziehn zum Alpenrain,
Und schauen kann zum See hinab,
In des Geliebten Wellengrab.
Da findet Thränen noch ihr Schmerz,
Und im Gebethe fleht ihr Herz,
Daß bald das Morgenroth erscheint,
Das dort sie ihren Franz vereint.
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Gedichte. Original-Ausg.
Wien: Wallishausser, 1815
Zitierlink: http://data.onb.ac.at/rep/1053A10F
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