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Die Musik als Lebensretterin.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Aus dem Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe)

10. August 1875


Das Wasser des Sees hatte zwar schon jenen Schatten des Grüns angenommen, das auf die kommende Unruhe deutet und die Vögel zeigten sich unruhig und hielten sich nah und immer näher am Spiegel. Aber das flößte der Führerin einer Gesellschaft, die vor ein paar Tagen am Ufer des Hallstädter Sees stand und wartete, bis das Schiffchen losgebunden war, durchaus keine Beunruhigung ein.


Es war einmal beschlossen, heute Nachmittag ein Stück in den Untersee hineinzufahren und Frau Wilt – das war die Führerin – ist nicht die feigherzige Seele, die vor einen Unternehmen zurückschreckt, dessen Ausführung sie einmal gewollt.


Sie hat schon verschiedenen Operndirektoren harten Trotz geboten und dabei Recht behalten, warum sollte sie sich vor ein paar grauen Wolken und ein paar rollenden Wellen fürchten?

Und so stiegen sie denn ein, in die oberösterreichische Barke und stießen ohne Führer von natürlichen Hafen, der zwischen den zwei Rivalen „Seeauer“ und „Grüner Baum“ liegt, tapfer ab und die Gäste schauten von der naheliegenden Terrasse der unerschrockenen Gesellschaft neugierig und theilnahmsvoll nach.


Das Schifflein, eine gut gebaute Nusschale, ging Anfangs gut und der scharfe Kiel schnitt sich ganz wacker seine Bahn, aber mit jedem Ruderschlag, den die handfeste Primadonna und ihre Begleiterin, eine Prima- Ballerina unserer Oper, machten, bemerkten sie, das die Wellen hautnäckiger und höher wurden und das das Schiff nicht vorwärts wollte.


Wohl waren auch einige Herren im Fahrzeug, aber deren Arme waren nicht geschult im Dienste der Schifffahrt und auf sie war nicht zu rechnen. Inzwischen gingen die Wellen immer höher und zeigten die bösen, weißen Schaumkronen und fanden hie und da auch ihren Weg in das Schiffchen.


Und mit den Wellen stieg auch die Angst; die Barke trieb einem Felsen zu. Da ließ die Sängerin die Arme sinken und stimmte die Mozart'sche Arie: „O Marter aller Orten“ an und sah dabei mit ängstlichen Blicken nach dem fernen Ufer.


Aber von dort aus konnte das herumgeworfene Schiffchen nicht mehr gesehen werden. . . .


Nun aber nahm Rezia alle ihre Kraft zusammen und sang mit der ganzen Kraft ihrer Stimme: „Ozean, Du Ungeheuer!“ und die Töne fanden in dem dumpfen stöhnen des Wassers eine majestätische Begleitung und an der hohen Steinwand ein mächtiges Echo. Und Ton und Echo wurden drüben als Hilferufe gehört und rasch sprangen einige wackere und eingeborene Insulaner in ein Schiff und eilten den nahezu Strandenden zu Hilfe und nahmen sie bei sich auf und führten sie ans sichere Ufer.


Und einer der Herren zog seine Brieftasche und überreichte den Rettern eine Fünfzig Gulden-Note und als sich die Prima-Ballerina auf dem trockenen Boden fühlte, sang auch sie „Tanzende Wellen“ u. s. w.

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