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Johann Strauss der Jüngere (1825-1899) gemeinsam mit Johannes Brahms (1833–1897) in der Gartenveranda der Ischler Villa.
Aufnahme von Rudolf Krziwanek im September 1894
Von Maximilian Gottwald.
Nikolofeier bei Johann Strauß in Ischl
Diese Anekdote hat mir meine Großmutter so oft und so lebendig erzählt, daß ich sie heute noch frisch im Gedächtnis behalten habe.
Da hat der Hausarzt beim Walzerkönig Johann Strauß in Wien bei allen Kindern Keuchhusten festgestellt. Und da meinte er, daß eine Luftveränderung das allerbeste wäre.
Nun war am selben Tag ein Brief von Johannes Brahms aus Ischl gekommen, in dem der Meister klassischer Musik dem Meister des Wiener Walzers schrieb, daß er seit drei Wochen in Ischl weile und in glühenden Worten schilderte, wie schön die Landschaft dort im Winter sei: Dies war ausschlaggebend, und Vater Strauß beschloß, mit der ganzen Familie auf einige Zeit in das tiefverschneite Ischl zu fahren.
Rasch wurde gepackt und die Winterreise begann. Die Kinder konnten sich nicht genug satt sehen an den tiefverschneiten Tälern, konnten ihre Freude kaum bezähmen über die Schlitten beim Bahnhof, mit denen sie in die Villa Strauß nach Kaltenbach fuhren.
Lustig klangen die Schellen, die man den Pferden umgehängt hatte, da man den lautlos gleitenden Schlitten sonst nicht gehört hätte.
Brahms, der im Bahnhof gewartet hatte, fuhr mit hinaus, und bald saß man im behaglich durchwärmten Salon froh beisammen. Frau Strauß erzählte, daß die Kinder so brav gewesen seien, und da meinte Meister Brahms in onkelhaftem Ton, daß wohl der Nikolo die braven Kinder besuchen werde.
Strauß lenkte ein, daß der Nikolo die Kinder in Wien suchen werde, und wenn er sie nicht finde, werde er wohl seine Gaben dort hinterlegen, bis sie wieder zurück seien.
Brahms lachte unter seinem wallenden weißen Bart und versprach, er werde mit dem Ischler Nikolo sprechen, vielleicht, daß er morgen abend zu den Kindern komme.
Am folgenden Tag ging Frau Strauß mit ihren Kindern weit spazieren und merkte bald, wie bei allen der Keuchhusten milder wurde und sich lockerte. Strauß hatte sich Partituren mitgenommen und arbeitete in seinem Arbeitszimmer.
Der Freund des Hauses, Johannes Brahms, hatte sich für diesen Tag entschuldigen lassen. Als es Abend wurde, waren die Kinder kaum von den Fenstern wegzubringen, und sie glaubten, in jedem Schatten eines Astes, in jedem Strauch des Parkes den gabenbringenden Nikolo zu sehen. Sie waren auch beim Abendtisch zerstreut und mußten oft ermahnt werden, zu essen. Kaum aber war abgeräumt und brannte Meister Strauß’ Pfeife, da hörte man Geräusche von draußen, dann tappende Schritte.
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Die Tür ging auf und in einem weißen Gewand, mit Bischofsmütze und Stab, stand der Nikolo in der Tür, so mächtig und schön, wie sie in Wien niemals einen gesehen hatten. Und so gütige Augen hatte er und eine so milde Stimme, als er nun zu den Kindern sprach:
„Seid ihr auch immer brav gewesen und habt euren Eltern gefolgt?“ Die Kinder zitterten und bebten vor Furcht und Staunen Sie beeilten sich, alle Fragen zu bejahen. Da griff der Nikolo in seinen großen Sack und teilte Äpfel, Nüsse, Dörrpflaumen und Zuckerln aus, so reichlich, daß die Kinder mehrmals zum Tisch laufen mußten, weil sie in ihren Armen die Gaben nicht mehr halten konnten.
Und als er alles verteilt hatte, griff der Nikolo ganz tief in seinen Sack und überreichte dem Walzerkönig ein Notenblatt, das mit goldener Schnur zugebunden war.
Dann verschwand er geheimnisvoll, wie er gekommen war.
Als kurze Zeit später Meister Johannes Brahms doch noch erschien, wollten alle Kinder gleichzeitig von ihrem Erlebnis berichten.
Meister Strauß aber unterbrach ihr Geplapper, hieß sie still sein und reichte Brahms gerührt die Hand: „Es war das schönste Nikologeschenk, das ich je bekommen habe.
Hab’ Dank. Johannes, aber jetzt spiel es uns!
Brahms ging zum Klavier, öffnete den Deckel, und nach einem leisen Präludium erklang an diesem Nikoloabend in Ischl zum erstenmal sein unsterblich schönes „Wiegenlied“: „Guten Abend, gute Nacht!...“
Mit feiner Greisenstimme sang er halblaut den Text dazu. Als er geendet hatte, blieb alles still. Frau Strauß und die Kinder hatten feuchte Augen. Und jetzt erst dämmerte es in den Gehirnen der Kinder: „Onkel Johannes, du warst der Nikolo! Sag es nur, wir haben dich erkannt, am weißen Bart.“
Da lachte Brahms sein breites, herzliches Lachen und meinte: „Wann habt ihr mich erkannt, ihr Naseweise?“
Da meinte der älteste Bub mit treuherzigem Blick: „Jetzt, wie du am Klavier gesessen hast, mit dem schönen weißen Bart!“
Da konnte Brahms noch herzlicher lachen und steckte die ganze Familie an.
In Konzertsälen und im Rundfunk ist das „Wiegenlied“ von Brahms oft und oft zu hören.
Wenige wissen, daß es seine Entstehung einer improvisierten Nikolofeier bei den Kindern
Johann Strauß’ in Ischl verdankt.
Maximilian Gottwald
war ein Bad Ischler Schriftsteller dessen Eltern eine Colonialwaren- und Modehandlung am Kreuzplatz betrieben. Seine Texte wurden hauptsächlich im Tagblatt und in der Arbeiter Zeitung veröffentlicht.
1938 wurde Gottwald wegen Erregung von Unruhe von den Nazis verhaftet.
Er war auch Co-Autor mit Hermann Demel bei dem Volksstück, "Der feurige Elias" über die Einstellung der Salzkammergut-Lokalbahn.
Brahms in Ischl auf der Webseite von Kulturpfade Bad Ischl.at
Warum das berühmteste Wiegenlied der Welt nicht in Bad Ischl entstanden sein kann.
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