Ernst Koref war der bekannteste oberösterreichische sozialdemokratische Politiker.
1925 machte er Urlaub in Obertraun und berichtete darüber.
Obertraun am Hallstättersee— fünf Wochen das Zentrum meiner Welt.
In der Zeit der Hundstage (die hohe Politik schweigt sich ein wenig aus!) darf man wohl auch vom Glücke der Landschaft plaudern. Noch viel zu viele haben es nicht entdeckt und doch wäre es für alle vorhanden.
Auf dem kehrenreichen Wege zur Simonyhütte weitete sich mein Herz; die Zauberwirkung der Natur ging mir vollends auf.
Dort drinnen, mitten im gewaltigen Dachsteinmassiv auf der luftigen Höhe von 1700 Metern etwa, wo nur mehr letzte Spuren eine Vegetation künden, traf ich schweißtriefend balkentragende Männer.
Freiwillige Fron. Kein Widerspruch liegt darin.
Die Liebe zur Natur ringt ihnen diese Kraft ab, nötigt ihnen diesen heroischen Akt der Aufopferung ab. Nur proletarischer Idealismus vermag solche Tat zu setzen, die Urlaubstage in den Dienst der Solidarität stellt und ohne jeden äußeren Zwang schwerste Arbeitsstunden zu Feierstunden gemeinsamer Willensleistung werden läßt.
Stolz, ein Mitbruder und Mitkämpfer dieser mühselig Beladenen und dennoch zielsicher Emporsteigenden zu sein, rief ich ihnen begeistert ihr Kampfwort „Berg frei!" zu.
Was hier die Naturfreunde vollbringen, wird zum Symbol der ganzen Klasse: unentwegt, opferwillig, herzbeschwingt den Höhen zu!
Foto aus der Hallstatt-Chronik von H. J. Urstöger
Wie denn überhaupt in dieser Gegend so viel proletarische Tüchtigkeit wirkt. Auch die letzten Landtagswahlen *** haben es uns gezeigt, wie das innere Salzkammergut so ganz mit uns verwachsen ist. Dort ist manch Urbild unserer Kraft. Kaum gibt es ein geeigneteres Fleckchen Erde, seelischer und körperliche Erneuerung zu finden, als hier.
Die Umwohner des Hallstättersees sind ein freundliches und kluges Völkchen. Sogar die brutalen Methoden der Gegenreformation haben dort ihre Grenzen gefunden. In Hallstatt, in Gosau, in Goisern haben sich die Evangelischen zäh behauptet.
Das Konrad Deuber-Denkmal in Goisern erzählt von dem stahlharten Kampfwillen des Freisinns, der hier in den Bergen anzutreffen ist. Aufgeklärte, arbeitsame Menschen ringsum, echte Proletarier. Salinen- und Forstarbeiter zumeist, wie es die Natur mit sich bringt.
Der Sache des Sozialismus mit Kopf und Herz ergeben.
Da lob ich mir mein Örtchen hier: Obertraun.
Ein halbes Tausend Menschen etwa, selbständige Gemeinde erst seit etlichen Jahren. Früher gehörte der Ort ins Reich unseres Freundes Wesenauer, des Bürgermeisters von Hallstatt. Auch Obertraun hat eine starke sozialdemokratische Mehrheit, die sich— ihrer Parteipflicht eingedenk— stets wacker schlägt und sozialistische Pionierarbeit leistet. Mit den genannten Arbeitergruppen teilen sich die Eisenbahner in die Aufgaben einer Kerntruppe.
Und so versteht es sich eigentlich von selbst, daß man sich hier wohl und zu Hause fühlt, wenn man den Stadtstaub samt Zubehör abgeschüttelt und in Obertraun Urlaubsquartier genommen hat. Eine Schuldverschreibung ist deshalb nicht notwendig. Gar wenn die arbeitswillige Ehehälfte sich entschließt, den Küchenbetrieb aufrecht zu erhalten und etliche ersparte Urlaubsgroschen mithelfen, dann läßt sich schon durchhalten!
Auge, Herz und Lunge werden für alle „Opfer" reichlich belohnt.
In Obertraun-Dachsteinhöhlen (wie der Stationsname seit kurzem offiziell lautet) pulsiert in den Sommermonaten ein bewegtes Leben. Der Ort ist— Gott sei's gedankt!— noch nicht „fashionable" aufgemacht, aber dennoch ein Zielpunkt Hunderter und Hunderter von Wander- und Schaulustigen geworden.
Dies dankt zunächst den berühmten Dachsteinhöhlen, die— schon vor Jahren entdeckt— erst in jüngster Zeit unter verdienstvoller Mitwirkung der braven Linzer Pioniere dem Zustrom der Massenbesucher erschlossen wurden. An Sonntagen pilgern ganze Karawanen den gut angelegten, nach dem kühnen Erforscher der Höhlen getauften Ing. Hermann Dock-Weg in zwei tüchtigen Stunden hinan bis zur großangelegten Schönbergalpe (etwa 1400 Meter hoch).
Hier herrscht— auf einsamer Höhe— ein förmlicher Großbetrieb.
Die Bewirtschaftung der Hütte und die Organisation der Höhlenbesuche klappen vorzüglich.
Von 8 Uhr morgens angefangen finden in beiden Höhlen alle zwei Stunden Führungen statt. Die Führer walten anerkennenswert hingebungsvoll ihres Amtes. Der Laie ist durch die bildhaften Wirkungen völlig gebannt: die Rieseneishöhle, ein wahrhaft grandioses Schaustück mit unvergleichlichem Formenzauber und märchenhafter Mannigfaltigkeit, die Mammuthöhle, ein Wunderwerk der Natur von unvergleichlichen Dimensionen und grotesken Gebilden. Man hält unwillkürlich inne und erschauert vor der Übergewalt der Natur, die sich in solchen Launen offenbart, und vor der Heldenhaftigkeit der Männer und Frauen, die hier so unerschrocken ihren Forscherdrang tätigten. Linzer Naturfreunde waren es, die zum erstenmale auf übergeworfenen Strickleitern tiefer in die Eishöhle vordrangen.
Beim Eingang in die Höhlen und beim Westtor der Mammuthöhle bieten sich überwältigend schöne Blicke auf die Bergseelandschaft tief unten. Die Begehung der beiden Höhlen setzt wohl gerade Glieder und Sinne, aber keineswegs besondere touristische Gewandtheit oder Erfahrung voraus. Vorsorge für warme Überkleidung, die unbedingt erst unmittelbar vor Eintritt in die Höhlen anzulegen ist, kann allerdings nicht genug eingeschärft werden.
Die Subterra A. G., an welcher der Staat, das Land und die Gemeinden Hallstatt und Obertraun beteiligt sind, hat sich durch die in technischer und administrativer Hinsicht mustergültige Erschließung der Dachsteinhöhlen ein hohes Verdienst um die heimische Volkswirtschaft erworben.
Ein Erlebnis von besonderem Reize war mir der Besuch der in der Koppenbachwildnis zwischen Obertraun und Bad Aussee gelegenen Koppenbrüllerhöhle. Auch ihre Erforschung und Zugänglichmachung ist ein Verdienst der Linzer Naturfreunde. Sie wirkt vielleicht noch gewaltiger, naturhafter auf den Menschen ein als die Dachsteinhöhlen, weißt großartige Szenerien (die Krokodilhalle, die Kapelle, die Hannakluft, den Bocksee, den Klingfall und dergleichen) auf und überwältigt insbesondere auch durch das geheimnisvoll brausende Tosen („Brüllen") der unterirdischen Wässer. Doch kann ihr Besuch nur touristisch Geübten empfohlen werden.
Damit sind die Natur-Sensationen Obertrauns noch lange nicht erschöpft.
Ringsum locken Almen und vor allem Berggipfel verschiedensten Kalibers und die Wanderer aller Formats können auf ihre Rechnung kommen. Das Dachsteinmassiv, auf dem die Dreiländergrenze läuft, mit den drei touristischen, bezaubernd gelegenen Stützpunkten (Simony-, Adamek- und Austriahütte) und den steil abfallenden Vorbergen (Hirlatz, Mittagkogel, Krippenstein, Speikberg usw.) wuchtet beherrschend über der Landschaft und bietet selbst dem anspruchvollsten Alpinisten reichlich lohnende Möglichkeiten.
Gegenüber breitet sich der langgestreckte, breitgratige Rücken des 1973 Meter hohen Sarstein aus.
Wäre ich Dichter, so würde ich ihm zu Ehren ein Lied singen, denn ihm danke ich eine der gewaltigsten Jubelstimmungen meines Herzens.
Für einen guten Durchschnittswanderer von Obertraun in fünf Stunden leicht zu erreichen, gewährt er— gute Witterung vorausgesetzt— den tiefsten und eindruckvollsten Blick in die Seele der Alpenlandschaft, dessen befeuernder Kraft sich niemand zu entschlagen vermag.
Von den Gesäusebergen, den niederen und hohen Tauern bis zu den vereisten Gipfeln der fernen Zillertaler Alpen, uns unmittelbar gegenüber das einladende Karl-Eisfeld auf der einen, das Totengebirge mit der Prielgruppe auf der anderen Seite und über den Traunstein und das Höllengebirge weit, weit hinaus gegen Norden die freundlich bescheidenen Berge des Böhmerwaldes, tief unten zu Tal der Hallstätter-, Altausseer- und Grundlsee und die grüngebetteten Siedlungen von Aussee, Gosau, Goisern und ein ganz klein wenig auch von Bad Ischl— das alles formt sich zu einem Panorama, das mit jenem vom Schafberg jeden Vergleich aushält und, wenn es die Schweiz besäße, schon längst weltberühmt wäre.
Die Naturfreunde haben Heuer eine halbe Stunde unter dem Gipfel eine Hütte gepachtet, in der abgekocht werden kann und Getränke verabfolgt werden, eine halbe Stunde nordwärts vom Gipfel auf dem Abstieg gegen Steg steht eine gut bewirtschaftete, reizend gelegene Almhütte, in der man ebenfalls Obdach und Stärkung findet.—
Nun ist es aber an der Zeit, vom Schwärmen abzulassen.
Versteht sich von selbst, daß der Sänger von Obertrauns Reizen (man denke an das Baden und Rudern oder an das landesübliche Plättenfahren im See!) nicht so bald verstummen würde, wenn der um die Seelenruhe seiner Leser besorgte Schriftleiter nicht Einhalt und Schluß geböte.
Dem bösen Leser aber, der mir die fünf Wochen regenreichen, aber doch unvergeßlichen Sommerglücks mißgönnen sollte, rufe ich ganz einfach zu:
Fahr zum T... fel!, will sagen: „Traundörfel",
(der uralten Bezeichnung von Obertraun am Hallstättersee), das langsam, ganz langsam aufhört, aufhören muß, das Zentrum meiner Welt zu sein.
Dr. Koref
Ernst Koref dürfte Obertraun öfter besucht haben.
Obertraun. Versammlung.
Sonntag abends wurde im Saale des Genossen Hinterer eine Partei- und Jugendversammlung abgehalten, zu welcher auch trotz strömendem Regen Genossen aus Hallstatt dem Rufe folgten. Auch Nationalsozialisten von Hallstatt beehrten uns mit ihrem Besuch.
Lokalvertrauensmann Tasch begrüßte die zahlreich Erschienenen, insbesondere die beiden Referenten Prof. Dr. Koref und Jugendreferenten Spielbüchler und erteilte zum Thema „Jugend und Partei, Demokratie oder Faschismus" Dr. Koref das Wort, welcher in sachlichster, leicht-faßlicher Weise ein mit lang anhaltendem Beifall aufgenommenes Referat erstattete. Anschließend sprach Spielbichler ein offenes Wort zur Gegenarbeit des Herrn Pfarrers Fehler aus Hallstatt, welche Ausführungen von den anwesenden Genossinnen und Genossen ebenfalls mit großem Beifall belohnt wurden.
Der Vorsitzende ersuchte hierauf die Versammlungsteilnehmer, sich über die beiden Referate auszusprechen, worauf sich Herr Lackner sowie Herr Pfarrer Fehler zum Wort meldeten. Auf beider Ausführungen gab Dr. Koref in sachlichster und gründlichster Weise Antwort. Der Redner appellierte schließlich an alle Anwesenden, aus Verirrungen im nationalsozialistischen Getriebe nicht einzugehen, sondern der sozialistischen Arbeiterjugend und der sozialistischen Partei die Treue zu halten und alle Indifferenten dahin aufzuklären, unserer Partei die Stärke zu geben, die sie braucht, um alle faschistischen Angriffe abzuwehren und uns aus Not und Elend herauszuführen in die sozialistische Welt. —
Herrn Pfarrer Fehler empfehlen wir, nur wirklicher Nachfolger Christi zu sein und verstehen, daß nur Sozialismus die wahre Christuslehre ist.
Zitat aus dem vorhergehenden Artikel im Tagblatt vom 4. Juni 32 über eine Versammlung in Goisern.
„An die S. A. J. Goisern.
Haben Ihre Einladung zur Versammlung dankend entgegengenommen und teile Ihnen zugleich mit, daß wir nicht erscheinen werden, da wir als Antisemiten der Anschauung sind, daß wir Aufklärungen über einen deutschen Staat von Seite eines Judenstämmlings Koref nicht bedürfen. Wird ein arischer Gegner gestellt, wird der Kampf jederzeit aufgenommen. - Hitler-Jugend, Standort Goisern."
Den ganzen Zeitungsartikel "Goisern Vortrag" lesen.
Salzkammergut-Zeitung 14. Dezember 1947 Versammlung.
Die SPOe Obertraun veranstaltete am Sonntag den 7. Dezember im Gasthaus Auwirt eine Versammlung. In der gut besuchten Versammlung sprach der Bürgermeister von Linz Herr Nationalrat Dr. Koref. Seine Ausführungen betrafen insbesondere die bevorstehenden Maßnahmen am Währungssektor und wurden beifällig ausgenommen.
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