Sie hatten alle Zimmer vermietet und im Stall geschlafen.
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Ich vermute das ist ein Bild vom Hallstätter Theater.
Die Brandstatt ist eine Novelle von Minna Kautsky, aus dem Arbeiterkalender von 1889.
Eine Familie, etwas ärmer, vom Oberen Weg vermietet ihr Haus einer englischen Touristin.
Selber schlafen sie im Stall. Der Adoptivtochter gehört ein abgebranntes Haus, vermutlich das Kraft Haus, damals ein Gasthaus (Fritscher).
Jetzt aber ein kurzer Auszug daraus.
Rechtschreibung von 1889.
In dem Augenblicke fuhren Beide empor. Ein Fensterflügel, der schlecht eingehängt war, wurde mit Heftigkeit zurückgeschlagen. Ein Wind hatte sich erhoben und der glühende Straßenstaub wirbelte empor und erfüllte die Luft. Käthe sprang herzu, um die Blumentöpfe zu sichern und das Fenster zu schließen. „Das gibt ein böses Wetter“, sagte Vroni, „es ist mir schon den ganzen Tag in den Gliedern gelegen, und es kommt aus dem Echern, das ist der g’fährliche Wind.“
„Ein Boot ist draußen!“ rief Käthe, „wenn es nur noch hereinkommt!“ Vroni schrie auf und rang angstvoll die Hände. „Das ist die Engländerin, Gott sei ihr gnädig, sie ist mir den Zins noch schuldig!“
Im unteren Wirthshaus drehten sich die tanzenden Paare und patschten und stampften mit Händen und Füßen. Ein ferner, langhingrollender Donner und der aufspringende Wind verursachten auch hier einige Unruhe. Die älteren und erfahrenen Leute traten vor das Haus. Sie spähten nach den Wolken, die hochgethürmt im fahlen Grau über den Bergen emporstiegen und hierauf nach dem See, dessen spiegelglatte Fläche verschwunden war, und der nun in hochgehenden Wellen einherrauschte, weiße Schaumkämme bildend.
Auch hier streckten sich alle Hände nach einem dunklen Gegenstande aus und alle Lippen sprachen das eine Wort: „die Engländerin!“ „Allein kommt sie nicht mehr herein“, sagte der Michel, „man muss sie holen“.
Die Leute schüttelten missbilligend die Köpfe. „Es kommt aus dem Echern, der Wind kann in jedem Augenblick zum Sturm anwachsen, dann haut er das Boot gegen das Felsenufer da drüben, keiner von uns wird’s hindern.“ „Ich will‘s versuchen“ sagte Michel. „Was fällt dir ein“ riefen Alle, „du der Kaumgenesene, es wäre Verücktheit!“ „Die Frau wohnt in meinem Haus, ich werd‘ sie doch nicht vor meinen Augen umkommen lassen“, erwiderte Michel fast heftig und wandte sich nach der Schifshütte.
Willibald vertrat ihm den Weg. „Halt, Michel, halt, wenn sich Einer da hinauswagt, so will ich’s sein. Ich bin ein einschichtiger Mensch, du hast ein Weib und – ich kenn ein Dirndl, die sich schier die Augen aus dem Kopfe weinen thät, wenn ihrem Michel was g’schähe.“ Er sagte es scherzend und doch mit deutlicher Eifersucht. „Dummer Bua“, brauste Michel auf, „willst mich alten Mann frozzeln? Lass mich gehen.“
Aber nun vereinigten sich Alle, um ihn zurückzuhalten. Willibald entsprang nach der Schiffshütte. Er wusste einen Kahn zu führen wie Keiner, er vereinte Kraft und Geschicklichkeit; aber es galt, rasch zu sein, sollte die Hilfe nicht zu spät kommen.
Horch! vom Kirchturm ertönt das Wetterläuten, eine Mahnung für Alle, zu schleunigster Heimkehr; in dem Augenblick fährt Willibald aus der Schiffhütte hinaus; stehend führt er das Ruder.
Die am Ufer Stehenden rufen ihm „Gut Heil!“ zu, winken ihm mit dem Händen; sie billigten den kühnen Entschluss dieses Braven, aber beklemmt und angstvoll erregt fühlten sich Alle. Auch Vroni und Käthe sind herbeigeeilt und sehen schreckensbleich den Kahn sich entfernen.
Er geht mit dem Winde, rasch kommt er hinaus, das Schifflein, das er erreichen will, dreht sich im Kreise unter beängstigendem Schwanken, die Leitung war aufgegeben. Miß Jemmy ringt ihre Hände. Aber der Retter kommt näher und näher; jetzt hat er’s erreicht und versucht es an das seinige heranzuziehen und festzuhalten. Durch das Rauschen der Wogen glaubt man seine Stimme zu hören die ihr befiehlt, dass das tüchtigere ist, herüberzusteigen, aber rasch. Sie zaudert, der günstige Augenblick geht vorüber und auf’s neue sind die Schiffe getrennt und kommen weit auseinander.
Unter den Zuschauern bricht der Unwille los, ein schimpfen und Schreien und Ineinanderreden. „Was thut sie denn – was will sie denn? Herrgott, so ein Frauenzimmer! – Eher dirigirt man ein Schiff im Sturm als so eine Necken – hol sie der Teufel! – der Willibald soll umkehren – er soll umkehren.“ „Schaut, Schaut!“ hieß es dann wieder.
Willibald hatte abermals sein Boot gewendet und dem ihrigen nahegebracht. Er erfasst das Seil, mit dem man es in der Schiffhütte anzubinden pflegte, und das lose am vorderen Bug hieng; schnell hatte er die Fahrzeuge zusammengekoppelt und nun – ein gutes Auge vermochte jede seiner Bewegungen zu verfolgen – stand er fest und breitspurig im Boot, das er mit den Füßen im Gleichgewicht erhielt, und seinen Oberkörper weit vorbeugend, erfasste er die ahnungslose Jemima und hob sie mit kühnem Schwunge empor.
Man hörte ihr Aufkreischen und sah einen Moment ihre Füße in der Luft zappeln. Dann saß sie in seinem Boote, welches er von dem andern rasch abschnitt. Das Manöver war gelungen, und Zurufe und schallendes Lachen ertönte. Aber es verstummte sofort. Ein hohles Brausen ließ sich vernehmen, ein unheimliches Pfeifen; auf den bewaldeten Berglehnen schüttelten sich die alten Baumriesen und neigten sich gegeneinander.
Jetzt sauste es über die Köpfe der am Ufer Stehenden hinweg und berührte weit draußen die Wasserfläche, die Wellen emporpeitschend, dass sie rascher dahinstürzten und in wüthender Brandung gegen die Felsen schlugen.
Das war der Sturm aus dem Echern, den Alle gefürchtet und dem selten ein Schiff noch entronnen. Die Männer erbleichten, die Weiber begannen zu beten und wieder schlug man am Thurme an; lauter und bänglicher tönten die Glocken, wie Hilferufe. Dunkler erschien der See unter dem weißen Gischt und den schwarzen sich tiefer senkenden Wolken, nur hie und da, grell von den röthlichen Blitzen erleuchtet, die immer rascher sich folgten.
Willibald steht nicht mehr aufrecht, er hat sich niedergelassen und vor ihm kniet Jemima, schreckensbleich, in Todesangst und streckt die gefalteten Hände dem Jüngling entgegen. Ein höheres Wesen dünkt er ihr in seiner Schönheit, in seinem Muth, seiner Entschlossenheit, ein Gott, wenn er sie rettet! Und gleich einem solchen gelobt sie ihm reichliche Gaben. Um seine Gunst sich zu sichern und zu erhalten, bietet sie ihr halbes Vermögen ihm an - - ach, sie gäbe sich ihm ganz, wenn er’s verlangte! Aber seine Miene und seine Geberden gebieten ihr Ruhe, sie soll sich nicht rühren, schon hat der Sturm sie erreicht und er kämpft wie ein Verzweifelnder mit den Wellen.
Käthe war von den übrigen fort nach der Landzunge gestürzt, die sich am weitesten nach dem See hinauserstreckte. Ihr Herz klopfte in Wahnsinnigen Schlägen, all‘ ihre Sinne waren bei dem kühnen Schiffer da draußen. Wird er das tobende Element überwinden? Dunkler wird es und dunkler, die starren Felswände, die den See von allen Seiten umgeben, scheinen näher zu kommen, zu einem immer engeren Kessel sich zusammenzuschieben, in dem es brodelt und zischt, als wenn Feuer und Wasser sich mengt, und mitten darin das armselige kleine Fahrzeug, einer Nussschale gleich hin- und hergeworfen.
Da schreit sie auf! Das Boot dreht sich im Kreise - - es sind furchtbare Augenblicke, aber schon gehorcht es wieder dem Steuer, das ein fester Wille und eine kraftvolle Hand regiert. Es kommt vorwärts; „Willibald, Willibald!“ Sie streckt ihm die Hand entgegen als könne sie ihn fassen, ihm helfen. Liebe und Sehnsucht wallen ihn dem jungen verwaisten Herzen leidenschaftlich und schmerzhaft empor. Sie hat nicht gewußt, wie gern sie den Willibald hat, als in dem Augenblick der Gefahr, wo er sein Leben auf’s Spiel setzt, um ein anderes zu retten. Ihre blonden Haare sind vom Sturm auseinandergerissen und umflattern ihr Haupt. Sie achtet nicht darauf; sie weiß es kaum, dass sie im Wasser steht, dass die hochherausschlagenden Wellen sie mit Schaum übergießen, sie mit hinabzureißen drohn.
Sie sieht nur nach dem Einen und er kommt näher und näher!
Ein neuer heftiger Windstoß. Unter donnerartigem Gepolter stürzt auf der Brandstatt der hochaufragende Rauchfang zusammen, sie hört es nicht. Aber sie vernimmt Willibalds Zuruf, so nahe ist er schon, so nahe!
Da „Wehe, wehe!“ ertönt es vom Ufer. Der Wind hat sich gedreht, er erzeugt einen Wirbel, eine Wasserhose steigt empor, rauscht mit furchtbarer Gewalt einher und stürzt in der nächsten Secunde tosend in sich zusammen. Das Schiff kommt wie ein Pfeil vor ihr hergeflogen, es hat jetzt den Wirbel im Rücken. Aber schon erhebt sich näher dem Fahrzeug das Wasser, einem tückischen Ungeheuer gleich, auf’s neue.
„Er wird es erreichen!“ schrien Alle, das Boot schießt auf die Landzunge zu, alles läuft diesem Punkte entgegen, Käthe, die sich an den Ast einer Weide geklammert, hatte ihn losgelassen und watet durch das brandende Wasser dem Schiffe entgegen.
Will sie mit ihm untergehen? Sie verliert den Grund unter den Füßen, sie schwimmt, - sie hascht nach dem Stricke, den ihr Willibald zugeworfen, sie erfasst ihn und wendet sich wieder dem Lande zu. Hier strecken sich bereits helfende Hände und Arme entgegen. An dem Strick ward das Schiff hereingeholt und das Mädchen.
Willibald, Jemima und Käthe, die zum Tode Erschöpften, werden von warmen Armen umschlungen. Jemima und Käthe trug man nach Hause, der Jüngling ward im Triumphe in’s Wirthshaus geschleppt.
Es war Nacht geworden. Das Unwetter war vorrüber. Dunkles zerrissenes Gewölk hieng am Himmel und der fast volle Mond schob sich dazwischen; der See hatte sich so ziemlich beruhigt, in gleichmäßigen Zwischenräumen schlugen die Wellen ans Ufer. Auf der Holztreppe, von wilden Schlinggewächsen umrankt, saß Käthe und Willibald stand vor ihr.
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