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Politische Staubferien.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Aktualisiert: 16. Jan. 2024


Politische Staubferien. Reise-Skizze von Karl Scherzer.

Linz, 2. Juni 1848,

„Auf die Berge will ich steigen, lächelnd auf Euch niederschauen,"

mit diesen Worten Heine's nahm ich auf acht Tage Abschied vom politischen Getriebe der Residenz und schiffte mich nach Oberösterreich ein. Am Dampfer traf ich mit einigen Akademikern zusammen, und wir gaben uns das Wort, auf der ganzen Donanreise keine Silbe Politik zu sprechen. Wir hielten's redlich. In Melk und Götweig richteten sich unsere Blicke plötzlich auf die herrlichen Abteien, und unsere Gedanken fielen unwillkührlich auf diese prachtvollen Paläste und deren sorglose Bewohner.-


Sonst hatten wir keine politischen Anfälle noch Einfälle, und nach einer schlaflosen, ungehäbigen Nacht landeten wir freudig in der Hauptstadt des heiteren Oberlandes. An den Ufern darrten Viele unserer Ankunft. Einheimische, die ihre Verwandten erwarteten, Neugierige, die das Interesse an den politischen Bewegungen der Residenz an den Landungsplatz zog, und endlich Flüchtlinge, aristokratische Flüchtlinge, welche nicht die Menschen, sondern ihr Gewissen aus Wien weggetrieben.

Die Stimmung in Linz ist für uns Wiener eine äußerst erfreuliche, und mehr als ein Beweis ist vorhanden, daß die Bewohner des Landes ob der Enns unsere Gesinnungen im vollsten Maße theilen.—


Gmunden, 3. Juni.

Noch gestern Abends erreichten wir das überschöne Gmunden. Der Abend lag friedlich auf Berg und See. Ich lehnte an einem Fenster im „gold'nen Schiff“ und staunte hinaus in die weite Natur, die ihr ganzes reiches Wunderhorn über diese Gegend ausgegossen zu haben scheint, da wurde ich plötzlich durch liebliche Töne aus meinen Träumereien wachgerufen— es war die Metallstimme der gefeierten Wildauer, die eben von einer Seefahrt heimkehrte. In der Nacht kam ein geheimnißvoller Reisender in geheimnisvoller Begleitung an, und schiffte schon am frühsten Morgen mit dem ersten Schiffe nach Ebensee.— Es war Graf Montecucoli.




Ischl, 4. Juni. Der liebe Herrgott hatte einmal eine Geliebte auf Erden, und dieser schenkte er das schönste Stück Land, das er besaß, ausgestattet mit allen Wundern und Liebreizen seiner erhabenen Schöpfung, und dieses Stück Erde heißt:

Ischl.

Die Bewohner von Ischl erinnern sich seit vielen Jahren keiner so frühen Saison. Die Bäder sind noch geschlossen, Tallachini erwartete traurig und vergebens seinen fürstlichen Beschützer, um sein Hotel zu eröffnen, und doch sind schon viele Privatwohnungen gemiethet, das Posthotel besetzt, und über achtzig der notabelsten Familien haben bereits in diesem stillen Thale ihren Sommerwohnsitz genommen.


War der Frühling so schön, so verlockend?

Hat man in Ischl neue Heilquellen für die Gebrechen unserer Zeit entdeckt? Nichts von Beiden. Der März war Heuer sehr rauh in Wien für das zarte Geschlecht der Aristokraten, und noch rauher der Mai — und so flüchteten diese schwachnervigen Naturen aus dem ungewohnten Treiben der Residenz in die friedlichen Gefilde von Ischl, in das Koblenz der Wiener! —


Wer sich ergeht in den zauberischen Gängen zur Schmolnau, zum Molkensieder, zur Redtenbach-Mühle, wird man die wunderlichen Gäste schwerlich zu Gesichte bekommen, sie leben zurückgezogen und verborgen, als scheuten sie das Licht der Sonne wie jenes des Fortschritts.— Dem Molkensieder gab ich ein paar Druckschriften über die letzten Wiener Ereignisse, da schlich ein Mann von gespensterhaftem Aussehen bei uns vorbei, und zeigte gerade nicht viel Freude über das Erscheinen eines neuen Ankömmlings. Als ich des Abends wieder kam, erfuhr ich, daß sich dieser Mann mit ängstlicher Genauigkeit über Alles erkundigte, was ich gesprochen, ob ich vielleicht gar Jemand zu verhaften beabsichtige! u.s.w.— und dieser Mann hieß— Hohenbruck.—

Wenn man auch die Aristokraten nicht auf den Straßen fahren und nicht in ihren Hotels Feste geben sieht, so sind sie doch deshalb keineswegs müßig. Sie sind vielmehr Eifriger denn je bemüht, die entente cordiale zwischen Volk und Thron nach Möglichkeit zu zerstören, und können noch immer nicht genug bedauern, daß man nicht „d'rein gefeuert" habe!


Zu diesem saero concilio gehört auch eine erlauchte Person, die sich, um recht liberal zu scheinen, sogar einen Schnurbart wachsen läßt. Papier und Haut sind geduldig!—

Ein Mann von jesuitisch-diabolischem Ansehen fiel mir auf als ich über die Esplanade ging —

ein Umstehender bezeichnete mir in dieser hervorstechenden Persönlichkeit Graf Bombelles, den modernen Iscariot:


„Ein Mann wie auserlesen Zum Heuchler- und Intrigenwesen!“


Heinrich Franz Graf von Bombelles, Lithographie von Josef Kriehuber, 1851

Die Ischler haben ein merkwürdiges politisches Glaubensbekenntniß. Im Winter sind sie liberal, im Sommer mit dem ersten Badegast fangen sie an conservativ zu werden. Aber sie könnten im Winter nicht liberal sein, wenn sie im Sommer nicht conservativ wären! Es liegt eine schwere, traurige Wahrheit in diesen Worten. Ein freies Bergvolk, mitten in der demokratischen Natur muß eine Gesinnung heucheln, um vom Almosen der Städter leben zu können! Hier wo Alles frei ist, muß der Mensch allein geknechtet sein! Eine einzige Katzenmusik, eine einzige unschuldige Demonstration und die Geld- und Geburtsaristokraten fliehen, wie sie von Wien geflohen sind, und Ischl ist verödet, verarmt für immer!——


Hallstatt, 6. Juni. Die Fahrt von Ischl nach Gosanmühle und von da über'n See nach Hallstatt, eröffnet uns eine neue Wunderwelt.




In Laufen und Goisern, zwei Dörfer, die man am Wege dahin pasirt, trafen wir wieder deutsche Fahnen. Bemerkenswerth ist, daß diese Paniere der Freiheit meistens über den Pforten protestantischer Bethäuser wehen! —







In Deublers Hotel in Hallstatt findet man vortreffliche Unterkunft, wir bestiegen den Rudolphs-Tempel, besahen die durch den strebsamen Gewerkmeister vorgenommenen Ausgrabungen und seine mit vielem Fleiße gesammelten, höchst interessanten Versteinerungen, und fuhren endlich in den Stollen ein.


Das Salzbergwerk beschäftigt gegen 300 Arbeiter, fahle, bleiche, traurige Gestalten, die sich gewiß das unnatürlichste, gesundheitsfeindlichste Geschäft zum Erwerbe gewählt haben!

Wochenlang in der kalten Erde zu wühlen, ohne Lichtstrahl, ohne Sonnenwärme!

Die Arbeiten dauern Tag und Nacht fort, aber die Arbeiter wechseln von sechs zu sech Stunden! Freitag Abends fahren sie aus dem Schachte, und genießen Samstag und Sonntag einer wohlverdienten Ruhe und Erholung. Die Bestbezahlten verdienen sich kaum mehr als einen Zwanziger des Tages, es gibt aber auch welche (und ich glaube, es sind deren 23), die wöchentlich nur einen Gulden vier Kreuzer Lohn erhalten!

Und diese Unglücklichen sind verheirathet, müssen von diesem Almosen Weib und Kinder ernähren, und haben keinen andern Trost als das Unglück ihrer Mitgenossen, keine andere Hoffnung als Selbstmord oder Tod!

Es blutet Einem 's Herz im Leibe! —

Der Staat verkauft den Zentner Salz mit fünf Gulden Münze, ihm kostet er, nach eingehaltenen Erkundigungen, kaum fünfzig Kreuzer,— sollte er da auf die Erhaltung Jener, welche ihm dieses bedeutende Erträgniß verschaffen, nicht menschenfreundlicher Bedacht nehmen?—


Darum ist das Salz auch so bitter, weil es befeuchtet ist mit den Thränen dieser Gramgebeugten!

Trotz dieser Noth nehmen die Bewohner Hallstatts den regsten politischen Antheil. Mehrere Wiener Zeitungen circuliren unter den meisten Familien des Ortes, und üben den besten Einfluß. Die Redakteure gesinnungsflüchtiger politischer Zeitungen könnten sich ein großes Verdienst um die Volksaufklärung erwerben, wenn sie den Arbeitern in solchen Fabrikstätten ihre Journale unentgeltlich zusenden möchten.

Aus der Zeitschrift: "Satan" von August Silberstein.


Die Arbeiter, die ich sprach, erzählten mit vieler Begeisterung vom Pastor und dem Hüttenmeister (ein Ungar, Eduard Lang), die Vieles zur Verbesserung ihrer geistigen und physischen Lage beitragen und dafür manche Anfeindung erleiden müssen. Einmal sogar war's schon nahe daran, daß der Hüttenmeister versetzt werden sollte, da erhoben sich plötzlich alle Bergleute wie ein Mann— und ihr Freund und Wohlthäter blieb.



In diesem Augenblicke beschäftigt eine Lebensfrage ganz Hallstatt.

Die ersten Bewohner dieses Orts, welche sich damit beschäftigen, aus dem Berge Salz zu gewinnen, oder wie man in der Bergmannssprache sagt, Salz zu fertigen, bezogen, seit das Salz zum Monopol erhoben wurde, vom Staate eine Jahresrente von 300 Gulden Münze. Diese Rente vererbte sich auf Kinder und Kindeskinder, und war das einzige Prärogativ, welches „Fertigern" für ihre große, gewinnbringende Entdeckung verblieb.




In Hallstatt bestehen noch sechs „Fertigerhäuser," welche diese Gunst genießen, dafür aber auch höher besteuert sind. Nun beabsichtigt die Staatsverwaltung, diese Rente gänzlich einzuziehen. Ein Bergrath in Gmunden soll zuerst auf dieses Ersparniß aufmerksam gemacht haben.


Warum proponirt dieser patriotische Mann nicht lieber einen Abzug seines eigenen Gehalts? Hat dieser kluge Finanzmann wohl bedacht, daß diese Rente die einzige erhebliche Hilfsquelle der Hallstätter Bürger ist, daß ohne diese auch die letzten Stützen in Armuth versinken?



Aussee, den 6. Juni 1848. Gestern Abends habe ich noch schöne Stunden in Hallstatt verlebt, die Wirthin,eine biedere alte Frau, hatte ihren Mann, der im Salinenwerk arbeitet, dann ihren Sohn, der Schullehrer im Markte ist, und den Chirurgus, der ein Hausfreund zu sein scheint, rufen lassen, damit sie den Herrn sehen, der aus der Kaiserstadt bei ihr einlogirt ist, und sich mit ihm in ein Gespräch einlassen möchten.


Wie ich von einem Spazirgange zu Hause kam, fand ich schon in der durchräucherten Gaststube die Gesellschaft bei Bier und Wein neugierig versammelt, und man wies mir bald die Ehrenstelle am Tische an.—

Ich erzählte ihnen von den ruhmvollen Thaten der Studenten, von dem energischen Auftreten der ganzen Wiener Bevölkerung, von ihren Sympathien für das Kaiserhaus und von der Wuth der gestürzten Aristokratie, die mit dem Namen „Flüchtlinge" kokettirend, das Mitleid der Provinzen für sich in Anspruch nehmen will.


„Ja. Ja,“ fiel mir die Wirthin in's Wort, „gestern ist auch eine große Familie bei mir angekommen, die mir sagten, daß sie „Flüchtlinge“ seien, und daß ich ihnen in einem entlegenen Zimmer ein gutes Diner mit Forellen und Champagner bereiten sollte."

Man sieht, diese modernen „Flüchtlinge" wissen ihr Schicksal zu ertragen.


Die Gesellschaft leerte ein Bierglas um das andere, und horchte meiner Erzählung mit gesteigerter Aufmerksamkeit. Nur die Wirthin war mit der Sturm-Petition und den Barrikaden nicht völlig einverstanden. Es bedurfte einiger Zeit, um diese gute Frau von altem Schlage, die Nothwendigkeit dieser beiden Tage begreiflich zu machen, sie zu überzeugen, wie der 15. und 26. Mai nur die Konsequenzen unserer März-Revolution waren!




Nachdem ich ihr aber auseinander setzte, daß die Sturm-Petition nicht dem Kaiser, sondern nur dem verantwortlichen Ministerium gegolten, wie der Zug nach der Kaiserburg nur durch den Zufall veranlaßt wurde, daß die Minister an jenem Tage statt im Ministerium in der Burg versammelt waren, da gab sie sich zufrieden und schämte sich fast, daß sie einer so unlautern Vermuthung, als hätten die Wiener ihren Kaiser bestürmt, in ihrem Herzen nur einen Augenblick Raum geben konnte!



"Nachdem unser allgeliebter / Kaiser Ferdinand / Alles bewilligt hatte was man bey der Sturm-Petition am 15ten Mai 1848 verlangte, zerstreuten sich laut jubelnd die Massen."


Es war schon Mitternacht vorüber, die Kellnerin hatte bereits Alles aufgeräumt und schlief auf einem Stuhle, die Kerzen waren schon herabgebrannt, und selbst die Gesellschaft fing zuweilen mit dem Kopfe zu nicken an, als ich mich vom Stuhle erhob, und so das Signal zum Aufbruche gab. Wir drückten uns Alle beim Scheiden die Hand. Den Schullehrer besonders machte ich auf die Wichtigkeit seiner Stellung aufmerksam, wie er berufen ist, im Kleinen so Großes zu wirken, wie die geistige Zukunft so vieler kleinen Staatsbürger in seinen Händen ruhe.—

Heute zeitig am Morgen schifften wir nach Obertraun. Die rührige Wirthin war schon wieder vollauf beschäftigt. Sie erwartete den jüngern Sohn, der in Kremsmünster Theologie studirt, und durch den Tod seines ältesten Bruders zurückberufen wurde, um die Wirthschaft zu übernehmen. Eine sonderbare Fügung.


Als wir uns die Rechnung erbaten, wollte sie gar keine Bezahlung nehmen, und meinte, es mache ihr ein besonderes Vergnügen, einmal ein paar Wiener bewirthet zu haben. Wir ließen es zwar nicht gelten, aber die Zeche fiel dennoch so billig aus, daß immer noch einiger Patriotismus mit untergelaufen sein muß.—


In Obertraun nahmen wir einen Führer und marschirten durch gar liebliche Waldgänge über den Koppen nach Aussee.—

Im Brauhause zu Aussee, wo zugleich auch die Post ist, herrschte schon in den Frühstunden ein ungewöhnliches Leben. Die Tische im Garten waren fast alle besetzt mit Menschen und Biergläser. Die Bewohner von Aussee scheinen sich hauptsächlich von Ackerbau und Bier zu nähren. Es verräth dies keinen schlechten Geschmack, denn das Bier ist wirklich vortrefflich. Wie wir so gemüthlich beim Bierglas saßen, kam der Herr Syndikus, und fing bald an über die Wiener und die Studenten fürchterlich loszuziehen. Je mehr er trank, desto mehr schimpfte er.




Wir wollten ihn vor Beschämung bewahren, sagten ihm kurzweg, daß wir eben von Wien kommen, daß wir selbst Wiener seien; der Syndikus von Aussee scheint aber weder von Völkerrecht, noch weniger von Gastfreundschaft einen Begriff zu haben, denn er tobte fort, sein Gesicht wurde immer rother, seine Haare immer struppiger! Zum Glücke war seine Stimme nicht die Stimme des Volkes, sondern nur die eines sehr beschränkten Kopfes, und so wurden wir durch die herzlichste Aufmerksamkeit von Seite nicht beamtlicher Gesellschaft reichlich entschädigt für die Sottisen eines rohen, unmanierlichen Einzelnen. Der Syndikus will nach Wien kommen, an der Spitze von 50.000 bewaffneten Bauern, um die Wiener und die Studenten für ihre Freiheitsliebe zu züchtigen!

Dem Manne soll geholfen werden!


Nachmittags fuhren wir am Grundelsee.

Wie wundervoll, wie zaubervoll! Im Wirthshause am Balkon hat man eine erhebende Aussicht. Der Wirth und Fischmeister, eine kerngesunde, tüchtige Natur, war gerade zum Wahlmann ernannt worden, und schickte sich so eben zu einer Reise nach Liezen an, wo die Wahl eines Abgeordneten zum Provinzial-Landtage vor sich gehen sollte. Er war ganz eingenommen für die jüngsten Reformen und sagte, mit Thränen im Auge, wie wehe es ihm thue, daß der Mangel an Erziehung ihm nicht gestatte, die Segnungen der Freiheit mit voller Brust erfassen und benutzen zu können.—

Bild von Wilhelm Burger


Erzherzog Johann, der in diesen Bergen eine Alpenrose sich für's Leben pflückte, kommt oft hieher, der Fischmeister am Grundelsee kennt ihn genau, und erzählte mit sichtbarem Stolz, daß er mit der Gattin des deutschen Reichsverwesers sich dutze!



Am Heimwege gesellte sich der Magister des Ortes zu uns, aus dessen Munde wir erfuhren, daß ein spekulativer Buchbinder in Aussee ein Lesekabinet unterhalt, in dem mehr als zwanzig Journale aufliegen, und das sich von den wißbegierigen Ortsbewohnern eines zahlreichen Zuspruchs erfreut. Wie überall, wo mehr als zwei Menschen bei einander leben, theilt sich auch hier die Einwohnerschaft in eine konservative und eine radikale Parthei. Zur erstern gehören alle jene, welche sich durch die jüngsten Zeitereignisse in ihren pekuniären Vortheilen oder ihrer gesellschaftlichen Stellung irgendwie beeinträchtigt fühlen. Nun wurde uns auch das aufbrausende, stürmische Wesen des Syndikus klar, der, wie wir hörten, nicht beliebt sein soll, Und nun fürchtet, versetzt zu werden.


Ansicht einer Barricade in Wien am 26.ten Mai 1848




Kloster Admont, 7. Juni. Von Aussee nach Admont fährt man gute sieben Stunden. Aber welch' herrliche Stunden waren es, die wir durchfuhren! Welches Panorama von Naturschönheiten bietet allein das romantische Ennsthal! Welche große Erdrevolutionen bedürfte es, bis dieses friedliche Thal entstand! Kloster Admont steht düster und zerfallen aus. Aber seine weitläufigen Baulichkeiten erinnern wehmüthig an schönere, bessere Zeiten.

Es wird Einem so unheimlich zu Muth, und man kann sich von diesem Anblicke doch nicht trennen! Immer wieder streift das Auge vom Gemäuer des Klosters nach den giganten, bizarren Felsenmassen, welche die ganze Gegend, gleich kolossalen Barrikaden, im Hintergründe umschließen. Ich fühlte mich so überglücklich, daß ich— weinte!


Vordernberg, 8. Juni. Gestern fuhren wir noch durch das „Gsäus," eine Sammlung höchst romantischer Felsenpartien, bis nach Hüflau— wo wir in einer einsamen Herberge übernachteten. Gegen acht Uhr, nachdem wir einen hohen Berg erklimmt, kamen wir nach Eisenerz. Auch dieser Ort scheint glücklichere Zeiten gekannt zu haben. Wir fuhren weiter nach Vordernberg. Überall trifft man Journale und Flugschriften, und mitten in den Bergen, gegenüber den erhabensten Naturschönheiten, regt sich der lebhafteste Sinn für politisches Leben. Überall leben gleichte Sympathien für den innigsten Anschluß an Deutschland, überall herrscht derselbe Geist des Unmuths und des Hasses gegen die Heuchelei und die Falschheit der Czechen!—

Brück a. d. Mur. Über Vordernberg und Trofayach führt eine herrliche Straße nach Leoben. Eine prächtige, wohlhabende Stadt. Ihre Physiognomie war gerade etwas düster, und anhaltender Regen gestaltete uns nicht, sie in ihren Einzelnheiten zu betrachten.


Eine Stunde davon liegt Bruck an der Mur. wo man wieder die Kutsche mit dem Eisenbahn-Waggon vertauscht. Auf der Fahrt dahin trafen wir einen Landpfarrer, der, weil es gerade regnete, uns bat, ihn bis zum nächsten Dorfe mitzunehmen. Eine dicke, wohlgenährte Gestalt, von beschränktem Verstande, weilche die Märztage an sich vorüberziehen sah, ohne die geringste Folgerung daraus zu ziehen.


Der gute alte Pfarrer sprach viel von dem materiellen Wohlstände seiner Bauern,- von den großen „Knödeln" und dem saftigen Stockfleische, das man ihm stets vorsetzt, wenn er gerade während der Mahlzeit zu einem Kranken kommt,— von den feisten Ochsen und den wohlgemästeten Schweinen, welche die Bauern seiner Gemeinde schlachten,— aber wir vernahmen nichts, wie es mit dem geistigen Zustande seiner Pfarrkinder steht, über die er selbst noch wenig nachgedacht zu haben scheint.

Beim Adler in Bruck fanden wir vortreffliche Aufnahme. Es ist eines der bestgehaltensten Hotels auf der ganzen Route. Seit Kurzem führt der Gasthof auch den Titel zur „Nationalgarde." Dieses gewaltige Institut kommt mir vor wie die Gesellschaft der „Freimaurer." Überall, im kleinsten Dorfe, findet man Mitglieder desselben und man braucht nur sich zu einem Gliede dieser mächtigen Körperschaft zu bekennen, um der brüderlichsten Aufnahme versichert zu sein.


Am Abende, wo wir ankamen, wurde gerade ein neues Brauhaus eröffnet, das sicher zu den großartigsten Etablissements der Monarchie gezählt zu werden verdient; der Besitzer, Herr Strohmayer, hat dasselbe nach Art der englischen „broweries" eingerichtet, und wer Whitbread oder Barkley und Parkins in London gesehen, wird hier die vortrefflichste Nachahmung dieser Riesenanstalt finden. Jeder Reisende, welcher ein paar Stunden in Bruck verweilt, sollte nicht säumen, diese grandiosen Baulichkeiten zu besuchen, und es steht wohl zu erwarten, daß eine mit den technischen Verhältnissen vertraute Feder ehestens eine umständliche Beschreibung dieses Meisterwerkes liefern wird.


Mit dem Frühtrain fuhren wir nach Wien und fanden die Kaiserstadt, wie wir sie verließen— in gemüthlicher, heiterer Stimmung, der Dinge harrend, die da kommen werden.


















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