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Roderich Frauenlieb.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Zeichnung: William Turner



31. Mai 1889


FEUILLETON.

Roderich Frauenlieb.

(Eine Sage vom Hallstädter See.)

Heller Sonnenschein fluthete über den smaragdgrünen See; ein leiser Frühlingshauch strich lind über die Wasserfläche. die sich sanft kräuselte und mit den gleich Vogelnestern an der Bergwand klebenden Häuserchen des niedlichen Marktfleckens Hallstatt, die sich in der reinen Luft spiegelten, allerlei Schabernack trieb. Bald waren die kleinen Hütten der Ortsbewohner gross wie ungeheuere Zinskasernen der Grosstadt, die Pfarrkirche bekam einen Thurm, um den sie der Dom des hl. Stephan mit Fug und Recht hätte beneiden können; bald wieder waren die Wohnhäuser klein wie die Behausungen von Zwergen und der schmale, romantische Ufersaum ringelte sich um sie, wie eine Schlange.


Es war gegen Ende des Monats Mai, der Schwarm der Touristen hatte die idyllische Ruhe des Dörfchens noch nicht unterbrochen. Still und heimlich war es in dem Postgasthause, einem schwanken Pfahlbau, der vom Ufer in den See hinausragt und in dem man jeden heftigeren Wellenstoss zu spüren vermeint, wie in einem vom Wasser geschaukelten Schiffe.


Ganz allein sass ich dort an einem Tische, ein verfrühter Gast und horchte dem leisen Rauschen- und Plätschern in der Tiefe da unten und schaute hinauf zu den Bergriesen, dem Sarstein, den die Sonne gerade mit ihren Strahlen in flüssigem Golde badete, dem steilen, zackigen Krippenstein, dem felsigen Plassen und wie die hochragenden Spitzen alle heissen, die den See einengen, von der Aussenwelt absperren und das Gefühl erwecken, als befände man sieh irgendwo in dem Zaubergefängnisse eines Hexenmeisters, der einen aus dem Gebiete der Stadt hieher in diesen Bergkessel verbannt hat.

Sehen doch auch die Einwohner dieser Ortschaft fast vier Monate lang das Tagesgestirn nicht, dem die Bergkolosse den Eingang in die Seegegend neidisch wehren...


0 du schöner See mit deinem tannengrünen Ufer, du reizender Flecken mit deinen kleinen, von einfachen. biederen Menschen bewohnten Schwalbennestern, wie einsam und weltvergessen weilt sich’s bei Euch!

Langsam erhob ich mich und schlenderte am Ufer zum See hinan. Von Obertraun her nahte ein Kahn, den ein junger, kräftiger Bursche in einem kleidsamen, grünen Wamms, mit raschen Ruderschlägen an’s Land trieb. ln der reinen, würzigen Luft, die über dem Wasser lag, schwebten da und dort lange, weisse Fäden, wie aus Silber gesponnen. Mit Verwunderung sah ich auf diese glänzenden, hin- und herflatternden, dünnen Gewebe, die sich an den Kleidern des an’s Ufer steigenden Fährmann’s verfiengen. Wir hatten kaum noch Sommer; wie kamen denn schon diese Gäste, die ich stets nur unter dem Namen Spätsommer- oder Altweiber-Sommerfäden kannte, hieher?


Der junge Bootsmann sah meinen staunenden Blick und errieth die Ursache. Er lächelte.

„.Ja. mit diesen weissen Fäden hat’s ein eigen Bewandtnis,“ sagte er freundlich, als er mit mir zum Gasthause zurückschritt und ich ihn eingeladen hatte, ein Glas Wein mit mir zu leeren.

„Sie erzählen es mir ja doch?“

„0 gern, wenn Sie’s grad hören wollen. „Ich weiss von meinem Grossvater, der’s wieder von seinem Ahn’ weiss. Wir sind schon ein hübsch paar hundert Jahr da in Hallstadt, will sagen meine Eltern und Ureltern. Also in der Zeit, wo noch Ritter und Ritterfräulein waren, da ist einmal der römische König Maximilian in der Gegend gewesen und da hat’s ihm so gut gefallen, dass er gleich mehr wie einmal wieder kommen ist. Sehen Sie, dort oben auf dem Weg zum Salzberg, da ist noch eine Tafel, wo des Königs Name d’rauf steht mit der Zahl 1504. Da war aber in seinem Gefolge ein junger Ritter, ein Graf, den alle Welt nur Graf Roderich Frauenlieb nannte; so schön war er von Gestalt und Angesicht, dass all’ die holden Frauen sein Herz an ihn verloren. Braune Locken umwallten sein kühnes Antlitz und seine nachtschwarzen, blitzenden Augen blickten keck in die Welt.

„Kein Wunder, dass auch die durch ihre Schönheit weithin bekannte Tochter des Gosauer Schlossherrn - von der Burg ist kein Stein mehr da, nur in der Pfarrkirche ist noch der geschnizte Holzaltar zu sehen, dem ihr einer seiner Ahnen zum Geschenke machte - die blonde Amaranth mit dem Veilchenaugen und den Lilienwangen ihren Blick nicht mehr von dem stolzen Ritter wenden konnte, als sie ihn beim Waldbach-Strub von der Jagd zurückkommen sah.

„Auch Graf Roderich Frauenlieb, dem schon viele Damen des römischen Reiches zugelächelt, war eigen bewegt; er glaubte, ein Engel sei dem Himmel entstiegen und fiel ihr anbetend zu Füssen. Und alsdie Beiden auseinandergingen, da hatten sie sich ewige Treue und Liebe gelobt. Der Waldbach stürzte brausend gegen die Felswand; die Wipfel der Bäume neigten sich leise, als wollten sie flüsternd das Geschehene einander mittheilen. Solch' ein schönes Paar hatten sie in ihrer Waldeinsamkeit noch nicht erblickt.

„Aber Amaranthens Vater war ein finsterer, strenger Herr. Voll eifersüchtigem Argwohn hütete er seine schöne Tochter, die er keinem Sterblichen gönnen mochte.

„D’rum kamen die Liebenden nur heimlich drunten am Ufer des See's zusammen, wo sie ungestört und unbelauscht nach Lust herzen und küssen konnten.


„Lange aber blieben sie auch dort nicht ohne Lauscher. Die Fee Aglantha, die auf dem Grunde des See’s wohnte, hatte einst das Kosen des jungen Paares vernommen. Neugierig tauchte sie aus ihrem Wasserhause auf und schaute nach dem Ritter.

„Da erfasste grimme Eifersucht ihr Herz, voll Liebes-Sehnsucht breitete sie nach dem Grafen ihre blendend weissen Arme aus. „Grat Roderich Frauerilieb wusste nicht, was ihm geschah. Wie von magischer Gewalt gezogen beugte er sich über den See, um eine rothe Wasserblume zu pflücken. Immer weiter musste er sieh vorneigen und plötzlich verschwand er in den murmelnden Futhen. Die Nix’ hatte ihn zu sich in ihre feuchte Wohnung gezogen.

„Mit tödtlichem Schreck sah Amaranth ihren Geliebten von ihrer Seite in's Wasser gleiten. Sie wollte sich ihm nachstürzen, aber die Fee bannte ihren Fuss an's Ufer. Nichts anderes konnte die Arme als in der Angst ihres Herzens in den verzweifelten Ruf:

„Roderich! Roderich!“ ausbrechen. Ihre Glockenstimme schlug an die Felsenwände und hallte zehnfach von dort zurück. Deshalb heisst der Ort noch heute „Hallstatt“.

„Krampfhaft rang sie die Hände in ihrem Seelenschmerze; endlich löste sich ihr Fuss und wie wahnsinnig rannte sie am Gestade des See’s hin und her, immerfort „Roderich! Roderich!“ rufend. Ihr langes, blondes Seidenhaar war urplötzlich sehneeweiss geworden und wehte in langen Fäden um ihre Schläfen.

Am nächsten Tage fand man die schöne Tochter des Burgherrn am Rande des See's mit weissem Haar, als Leiche. Der Schmerz hatte sie getödtet.

Wenn aber der Frühling wieder kommt in’s Land, da wacht sie, erzählen die Leute, aus ihrem Todesschlafe auf und zieht klagend um den See herum. Wehevoll ruft sie:

„Roderich! Roderich!“ und ihre weissen Haare flattern im Winde wie Silberfäden. Sehen Sie, dort .... dort .... ist sie jetzt.

Ich schaute träumerisch den weissen Fäden nach. Ist das wirklich das Burgfräulein Amaranth, das Roderich Frauenlieb sucht ? 0 du schöner See von Hallstatt!

Du herrliches, grünes Nixenschloss.

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