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Sagen vom Hallstätter Salzberge.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Aktualisiert: 23. Nov. 2022


Bild von F. G. Waldmüller


Sagen vom Hallstätter Salzberge.

Ein Beitrag zur Bekämpfung des Aberglaubens.

Von J. G, kk Steiger.



Kein menschlicher Beruf neigt so sehr zum Aberglauben hin, als der des Bergmannes; denn der Bergmann, welcher fern von dem Geräusche der Außenwelt in der todtenstillen Grube sein karges Brot verdient, um im Schweiße des Angesichts, von stetter Lebensgefahr umgeben, den Geistern der Tiefe ihre Beute abzujagen; der Bergmann, welcher nie weiß, ob er das liebe Tageslicht, die theuren, in banger Sorge sich verzehrenden Angehörigen wieder sehen kann, hat tagtäglich Zeit und Gelegenheit, übernatürliche Eindrücke in sein Gemüth aufzunehmen, den Geist mit abergläubischem Gram zu überladen. Es ist also durchaus kein Wunder, wenn der Hallstätter Salzberg, gleich allen anderen Bergbauen, eigenartige Sagen, Teufels- und Gnomengeschichten aufzuweisen hat, deren einige in Kürze zu erzählen ich mir hiemit erlaube:

"Vor langer Zeit wollte ein junger Bergmann aus Hallstatt mit seinem Schatze Hochzeit feiern;— einige Tage vor derselben begleitete die glückliche Braut ihren Bräutigam zum Salzberge, wo ein zärtlicher Abschied stattfand. Am Hochzeitstag- wartete sie, festlich geschmückt, bangenden Herzens auf ihren Bräutigam; Stunde um Stunde verann, — der so heiß Ersehnte kam nicht, dafür aber die traurige Kunde, daß er mit anderen Kameraden in der Grube verschüttet, von der Außenwelt gänzlich abgeschnitten, lebendig begraben wurde; — Die Geister der Tiefe hatten es eben anders beschlossen.


Gänzlich enttäuscht, betrogen um Lebensglück und Lebenshoffnung, führte die arme Dulderin fortan ein stilles einsames Leben, trauernd um den so sehr geliebten Mann, sich sehnend nach Erlösung, nach Glück und Frieden im Lande der Seligkeit.

Nach fünfzig langen Jahren kam die überraschende Nachricht in ihr Kämmerlein, die Verschütteten, welche noch keine Spur der Verwesung zeigten, seien aufgefunden und würden am Ortsfriedhofe in Hallstatt beigesetzt werden. Da machte sich die lebensmüde Greisin auf den Weg, um den geliebten Bräutigam noch einmal sehen zu können. Mit dem geübten Blicke der alten und doch so jungen Liebe erkannte sie denselben unter den aufgebahrten Leichen, sah ihm mit glücklichem Lächeln ins jugendliche Angesicht, fiel über seinen Körper und verschied."

Diese einfache und doch interessante, wenn auch unglaublich scheinende Erzählung hat sich unter dem Titel: „Die fünfzigjährige Braut" bis auf diesen Tag erhalten.

* * *

„Vor circa 100 Jahren wurde ein Schurf abgeteuft; während der Arbeit fing jedoch unter vorhergehendem, großem Krachen der ganze Ort zu brennen* an, was die Knappen zur eiligsten Flucht veranlaßte, weil der Teufel sein Spiel mit ihnen trieb und bekanntlich mit demselben nicht gut Kirschen essen ist. Erst nach der durch einen Geistlichen aus Hallstatt vorgenommenen Beschwörung des Fürsten der Finsterniß verschwand das höllische Licht und konnte die Arbeit wieder aufgenommen werden. Aus Rache hat aber der Teufel die Richtung verfälscht, was an genanntem Schürfe, welcher seit der Zeit von manchem Tapferen gemieden wurde, noch heute zu sehen ist."

*Wahrscheinlich sog. Knallgas (mit athm. Luft vermischtes Kohlwasserstoffgas).


* * *

„Es mögen beiläufig 100 Jahre her sein, da stand der Steinsalzschmuggel nach Gosau und Schladming in höchster Blüthe. Um nicht so leicht entdeckt zu werden, verfärbten die Schmuggler ihre Gesichter und bedienten sich zur Beförderung des Steinsalzes einer Todtentruhe. Als sie beim Diebsgeschäfte an Ort und Stelle von einem Bergmanne ertappt wurden, welcher glaubte, es seien Kameraden und deshalb fragte, wie oft sie zu gehen hätten, gab einer mit schrecklicher Stimme zur Antwort: „Neun Mal", worauf der tapfere Bergmann eiligst die Flucht ergriff und ausposaunte, im Schürfe N. N. beschäftige sich der Teufel mit Steinsalz tragen, er habe mit ihm gesprochen. Der Schürf wurde von da ab als „Toifl- Schürf" von Jedermann gemieden und die verwegenen Schmuggler hatten keine unliebsame Störung zu befürchten."


* * *

„Vor etwa 50 Jahren war ein Knappe mit dem Vortriebe einer Strecke beschäftigt, als sich nahezu um Mitternacht ein eigentümliches Geräusch, wie von trappenden Pferden, vernehmen ließ, welches immer näher kam. Der Knappe sah sich um, ohne das Geringste zu bemerken. — Auf einmal verlosch sein Grubenlicht. — Das Getrappel wurde wieder vernehmbar, sich mehr und mehr entfernend. — Der Mann behauptete steif und fest, der Teufel in höchst eigener Person habe ihn geäfft, und Viele glaubten es mit."


* * *

Um die Gnomen (Berggeister) nicht zu erzürnen, war es strenge verboten, im Bergbaue zu singen oder gar zu pfeifen, weil man aus Erfahrung wußte, daß dieselben arge Feinde solcher oberirdischer Thorheiten seien und jeden Frevler die furchtbare Rache der noch furchtbareren Geister bestimmt treffen würde.

Ein eigenthümliches Ungeheuer, ähnlich dem Höllenhunde der Griechen, ist das „Bergkalb“, welches jeden Unberufenen besonders Kinder, beim Betreten des Bergbaues einfach verspeiste.

Dank guter Volksschulen, der Lese- und Preßfreiheit und zahlreicher, volksbildender und wissenschaftlicher Vereine ist es zwar gelungen, die verwegenen Gnomen, Kobolde, Teufel und alle anderen geisterhaften Bewohner der Unterwelt Jahr für Jahr mehr und mehr aus unserem Salzberge zu vertreiben; aber manchmal spukt es doch noch;— ein Beweis, daß diese ungebetenen Gäste nur auf günstige Gelegenheit lauern, um von Neuem und noch fürchterlicher ihr altes Unwesen weiter zu treiben.


Lassen wir diese Gelegenheit nie kommen, geben wir uns der Hoffnung hin, daß es den bestehenden Arbeiter-Bildungs-Vereinen von Hallstatt und Goisern und der neu zu errichtenden Volks-Freibibliothek im Schulbezirke St. Agatha, den bekanntlich viele Bergleute bewohnen, gelingen werde, die finsteren Dämonen der Nacht vollständig zu bannen; hoffen wir daß das helle Licht des Fortschrittes, der Sauerteig wahrer Bildung, ungehindert Eingang finden in die dunklen Stollen des Salzberges, in die Herzen seiner Bewohner und alle Teufel und sonstigen Geister des Aberglaubens endgiltig vertreiben zum Wohle des Einzelnen, zum Heile des Ganzen. „Glück auf!"


St. Agatha b. Goisern, 27. Dec. 1887.


 

Eine Ballade über die erste Sage.


Vor dem Spiegel auf den Zehen

Steht die junge Bergmannsbraut.

Ei, wie sich so selbstgefällig

Heut das munt're Ding beschaut!


Schwarzes Häubchen, schwarzes Mieder

Stehen ihr auch gar zu gut,

Und der rothen Bänder spottet

Ihrer Wangen Rosenglut.


So vom Spiegel zu dem Fenster,

Und von da nach dort zurück,

Drängt sie Magdlichkeit und Sehnen,

Und der Liebe junges Glück.


Viel zu langsam von den Kuppen

Schwindet ihr der Sonne Licht,

Ach, so seufzet sie, wie lange

Währt doch heute seine Schicht.


Und sie tritt hinaus zur Schwelle,

Wandelt hin den stein'gen Pfad,

Doch kein Bergmann will erscheinen,

Und kein Bräutigam sich nah't.


Horch, da gellt das Stollenglöckchen!

Weh' ein Unfall ist gescheh'n,

Und in Angst und grauser Ahnung

Meint die Ärmste zu vergeh'n.


Sieh, da kommt's den Bühl herunter,

Lauter Jammer füllt die Luft:

„Eingestürzet ist der Salzberg

Und den Bräutgam birgt die Gruft!"


Da, besinnunglos zur Erde

Sinkt die arme Bergmannsbraut,

Statt der Hochzeitsglocke tönte

Ach, des Todtenglöckchen Laut.


Und in Gram und Thränen schwindet

Fürder ihr der Tage Zahl,

Denn das Glück, das sie verloren,

Lächelt nicht ein zweitesmal.


Nimmer harrschet ganz die Wunde,

Wird auch milder gleich ihr Schmerz,

Denn so herber Schlag verletzet

Allzutief ein weiblich Herz.


Doch ergeben dem Geschicke,

Trägt sie was der Herr beschied,

Einsam der Erinn'rung lebend

In dem Grubenhaus am Ried.


Aber als der Tag gekommen

Der gerissen Hand aus Hand,

Steht sie wieder vor dem Spiegel

Wie am Hochzeitstag sie stand.


Schwarzes Häubchen, schwarzes Mieder,

Schmücken sie wie dazumal,

Doch von ihrer Wangen Blässe

Spricht des Herzens inn're Qual.


So, als Braut geschmücket wandert

Sie zum Kirchlein unverweilt,

Und ihr Geist entflieht zur Sphäre

Wo der Frühverlorne weilt.


Und an jedem Jahrestage

Schmückt sie sich als Bergmannsbraut,

Alten Pfad zur Kirche wandelnd

Ohne Wort und Klagelaut.


Fünf und fünfzig Lenze schwanden

So dem schwergeprüften Weib,

Silbern ist ihr Haar geworden

Und gekrümmt und welk ihr Leib.


Da zur Kirche geht sie wieder,

Einst im alten Hochzeitsstaat,

Mit dem schwarzen Wollenhäubchen,

Mit dem Röckchen von Brokat.


Sieh, was läuft das Volk zusammen,

Welch ein Lärmen und Gebraus?

Aus dem längst verfallnen Schachte

Grub man einen Knappen aus.


Blond von Haaren, roth von Wangen,

Noch geschwellt von Jugendkraft,

Wie vor vielen, vielen Jahren

Ihn der Tod dahingerafft.


Ward von ihm des Grabes Schauder

Durch die Soole doch verbannt,

Aber von der Knappschaft keiner

Der den Jügling hätt erkannt.


Da von ihrem Pfade lockt es

Auch das Mütterchen herbei,

Und sie schaut die Jünglingsleiche

Und dem Mund entfährt ein Schrei.


Denn, der noch in Jugendfülle,

Vor ihr liegt, das ist ja er,

Den seit ihrem Hochzeitstage

Sie gesehen nimmermehr.


Schluchzend sinkt sie auf die Leiche,

Ihrer selbst nicht mehr bewußt,

Neigt das Haupt und hebt es nimmer

Von des Auserkornen Brust.


So vereint ins Grab auch senkten

Sie darauf das seltne Paar,

Bräutigam mit goldnen Locken

Und die Braut mit weißem Haar.


Aus der Teufe

1802-1866

Wien: Gerold, 1856.


 
Ein paar Berichte über die Bibliotheken von St. Agatha:


Zeitungsartikel über die Gründung einer Schul-Bibliothek 1874 in St. Agatha.




1888 wurde eine Volksfreibibliothek mit Hilfe des Volksbildungsvereines in St. Agatha gegründet.

Von Timmel, Karl

Des Vereines Entstehungsgeschichte. Die ganz Europa in Aufruhr setzende Bewegung des Jahres 1848 schuf Gärung und den nicht mehr unterdrückbaren Drang nach Freiheit im Leben, nach Freiheit des Geistes. Die stete Bevormundung des Staatsbürgers, die damals herrschte, wurde in Fesseln geschlagen, die Presse freigegeben, und auch sonst auf allen Gebieten der Forderung freier Entwicklung Rechnung getragen. Die Teilnahmslosigkeit hatte aufgehört zu bestehen, die neue Zeit brachte ein Geschlecht, das menschlich verstanden werden wollte. Was 1848 nicht gelang, sollte 1866 mit den Folgejahren zur Reife bringen. So hatte diese allgemeine Sturmbewegung ihr Gutes; ihr danken wir die Teilnahme des Volkes an der Gesetzgebung, die Erlassung moderner und humanitärer Gesetze, allen voran unser Reichsvolksschulgesetz. Der Freiheit des Geistes wurde eine Gasse geschaffen. Jene Zeit schuf aber auch die Erkenntnis, daß erst der ein würdiges Glied der menschlichen Gesellschaft sein könne, der über genügende geistige Fähigkeit und Tatkraft verfügt, den gewaltigen Kampf um Dasein und Recht zu führen. Man sah ein, daß nach der Volksschule eine stetige Weiterbildung unerläßlich sei, man erwartete von der Volksschule große Wirkung in Bezug auf die Aufgaben des öffentlichen Lebens. Denn hier wurde der Keim gelegt zu künftigem Tun. Doch will man mit der Zeit gehen, darf man seine Bildung mit der Volksschule nicht abgeschlossen sein lassen. Die Weiterbildung seiner selbst war geboten. Wie viele haben und hatten das ehrliche Streben, sich geistig zu fördern und doch fehlte ihnen Gelegenheit dazu. Jedes Streben, jedes ehrliche Ringen stählt die Tatkraft, fördert die geistige Spannkraft und Hand in Hand mit geistigem Können erfolgt die Erziehung zu Charakteren; Herzensbildung, Seelenadel und geistiger Reichtum sind damit verbündet. Wer die kulturelle Entwicklung der Völker im Laufe der letzten fünfzig Jahre verfolgt und nicht angekränkelt ist durch Vorurteile, findet einen stetigen Aufschwung im Handel, Gewerbe, erhöhte Steuerkraft des Volkes, Schaffung zahlreicher humanitärer Anstalten und vieles andere, dies alles bedingt durch steten geistigen Fortschritt. Wie allgemein dies heute Beachtung findet, wie man bestrebt ist, Bildung und Wissenschaft allen zugänglich zu machen, beweisen die Veranstaltungen von Kursen, Vorträgen, Volkskonzerten zu geringen Preisen oder gänzlich kostenfrei, um diese Veranstaltungen allen, auch den Ärmsten zugänglich zu machen. Die Förderung, welche die Regierung und andere maßgebende Körperschaften solchen Unternehmen zuteil werden lassen, zeigt einen offenen Blick für die notwendige geistige Entwicklung des Volkes. Die Erweiterung des Gesichtskreises schafft aus uns ganz andere Menschen und mit der Freude über unser gesteigertes Können kommt von selbst der Drang, immer höher zu streben. Frankreich setzte ein eigenes sogenanntes Revolutions-Tribunale ein, um die Feinde des Volkes zu strafen, besonders diejenigen, die einem gedeihlichen Volksunterrichte hindernd im Wege stehen. Schweden errichtete Universitätskurse, Volkshochschulen und Fortbildungsschulen für Arbeiter. Es ist kein bloßer Zufall, daß nachweisbar zu jeder Zeit, ob Altertum Mittelalter oder Neuzeit, gerade jene Völker führende Rolle hatten, die die höchste geistige Kultur besaßen. Der ungeheure Aufschwung, den in den letzten Jahrzehnten die Vereinigten Staaten von Nordamerika nahmen, beruht zum größten Teile auf den dortigen Schul- und Unterrichtsverhältnissen. Ein außergewöhnliches Bildungsinteresse, eine starke geistige Lebendigkeit, ein williges Eingehen auf alle Bildungsfragen ist dieser Nation eigen. Wo es sich darum handelt, den Massen Bildung und Verständnis zu erschließen, da ist die amerikanische öffentliche und private Fürsorge unermüdlich und mit Erfolg tätig. Deutschland errichtete in Deutsch-Ostafrika 10 Schulen, außerdem bestehen weit über 300 Missionsschulen. Da manche Schulen stark überfüllt sind, gründeten selbst Häuptlinge noch weitere Schulen. Dänemark besitzt trefflich organisierte Volksbüchereien, die überwiegend von Handwerkern und Arbeitern benützt werden. Der Staat hat eigens eine Bibliothekskommission und ein Komitee zur Förderung der Volksaufklärung eingesetzt. So wird überall geistiges Kapital geachtet und gefördert. Auch in Österreich wurde von edel denkenden, von Idealen erfüllten Männern das Bildungsbestreben unterstützt, die Einsicht hatte sich Bahn gebrochen, daß dem rollenden Rade der Zeit kein Hemmschuh angelegt werden dürfe zum Besten des Staates und seiner Völker. Diese einleitenden Worte kann man aber nicht besser schließen als mit den Ausführungen, die Schuldirektor Rauch in der Geschichte des Schulwesens im Schulbezirke Vöcklabruck, 1884, niederlegte.* „Die Männer aber, deren Herz für das Wohl des Volkes und für das Glück des Vaterlandes erglüht, die mit erleuchtetem Sinne, ernst und aufrichtig das Beste der Volksschule wollen, mögen ihr edles Streben und Wirken für dieselbe im etwaigen Glauben, daß es unter allen Verhältnissen fruchtlos bleiben müsse, nicht aufgeben. Gewiß, kein wenn auch noch so kleiner Schritt in diesem Sinne, keine Bildungsarbeit im großen Entwicklungsprozesse der fortschreitenden Menschheit ist vergebens und mag es auch gar unbequem sein, sich wieder in einer Zeit zu befinden, in der die Kurve niedergeht, die Hoffnung, ein neues Morgenrot zu erleben, schwindet; nur mitgewirkt an dem, was die wahrhaft großen Männer als Blüte aller Kultur erkannten: Die Veredlung der Menschheit. »Es muß ja wieder Frühling werden,« denn »innen im Marke lebt die schaffende Gewalt, die sprossend eine neue Welt wird gebären.«" Bildung allein macht den Menschen zum Menschen, erhebt ihn über das Tier, befähigt ihn zum Höchsten. Nicht der muß gebildet allein genannt werden, der über die größte Menge Wissen verfügt. Nicht die Kenntnis der Tonwerke eines Richard Strauß, eines Mozart, nicht das eingehendste Studium der einzelnen Wissenschaften macht von selbst gebildet, wenn die wahrste Bildung, die des Herzens fehlt. Gemütstiefe, verbunden mit dem innerlichen Drang, seinen Ideenkreis zu weiten, ein dienendes Glied des Ganzen zu werden, das sei das oberste Streben, kurz die Erziehung zu Charakteren. Dieses edle Ringen im ernsten Wettkampf schuf uns unsere tausendjährige Kultur. „Eine Kultur aber, die man zum Monopol einer Klasse machen will, gleicht" — wie Universitäts-Professor Dr. Friedrich Jodl, Wien, in seiner Festrede bei Eröffnung des niederösterreichischen Volksbildungshauses ausführte — „dem Sonnenstrahl, den man einsperrt, damit er sich nicht verlaufe, damit er nicht Dinge bescheine, die seiner unwürdig sind. Für ihn gibt es aber nichts Unwürdiges: er vergoldet alles, das Hohe und das Niedrige, das Edle und Gemeine. Wo er hintrifft, ist Freude und Klarheit und Wachstum, und Sterben der giftigen, lebenzerstörenden Keime. Er gehört allen, weil auch die Lichtquelle, die ihn ausstrahlt, nur durch die Arbeit, das Leid, die Mühsal, die Entbehrung aller entstehen konnte.



Wanderversammlung und Eröffnung der Volksfreibibliothek in St. Agatha. 1. Am Sonntag den 13. d. M. wurde in Herrn Josef Petter's Gasthause zu St. Agatha bei überaus zahlreicher Betheiligung aus Nah und Fern eine Wanderversammlung des 0Ö. Volksbildungs-Vereines abgehalten und die vom genannten Vereine den Agathaern gespendete „Volksfreibibliothek" der Benützung übergeben. Als Regierungs-Vertreter fungierte Herr Gemeindevorsteher Perndanner; als Delegierte des Volksbildungsvereines waren erschienen die Herren Professoren Pohlhammer und Holzinger aus Linz; auch der bekannte Volksfreund Herr Dr. Michlstetter aus Ischl, welcher im Vereine mit Sr. Excellenz dem Herrn Baron Schwarz-Senborn die Errichtung einer Volksfreibibliothek für den Schulbezirk St. Agatha anstrebte, sowie mehrere Damen und Herren aus Ischl, Aussee, Rußbach bei Ischl und Gmunden und viele Bildungsfreunde beider Geschlechter aus dem benachbarten Goisern, darunter die Frau des Herrn Gemeindevorstehers, fanden sich ein. Zur Hebung der Feier concertierte die unter der Leitung des pens. Schulleiters Herrn Soukop stehende, trefflich geschulte Musikkapelle aus Goisern. Die Zahl der Theilnehmer, inclusive der Ortsbewohner, dürfte 200—300 Personen betragen haben, was den sprechendsten Beweis liefert von dem in der Gemeinde herrschenden Bildungssinne u. Wissensdrange. Besonders bemerkt wurden mehrere junge Mädchen, welche mit sichtlichem Interesse den Gang der Versammlung verfolgten. Die Eingänge in das Gasthaus und den Versammlungssaal waren decoriert. Die im Versammlungssaale aufgestellten, größtentheils elegant gebundenen 152 Bücher wurden vor der Eröffnung durch eine großmüthige Spende des schon genannten Volksfreundes, Herrn Dr. Michlstetter auf 209 vermehrt. Herr Professor Pohlhammer, als Obmann-Stellvertreter des Volksbildungsvereines, begrüßte die Anwesenden und gab besonders den Gefühlen der Freude und des Dankes für das so überaus zahlreiche Erscheinen beredten Ausdruck. Nach der Begrüßung hielt Herr Prof. Holzinger unter größter Aufmerksamkeit der Versammelten einen ausgezeichneten Vortrag über „Volksbildung", von dem wir hier nur einiges hervorheben: Der Herr Redner begann damit, daß man von der Volksbildung erst seit einigen Decennien spreche, daß die Volksschule das beste Mittel der Volksbildung sei und daß man nur beim richtigen Verhältnisse zwischen Volksbildung und Wissenschaft für das praktische Leben profitieren könne. Herr Professor führte weiter aus, daß man erst zur Zeit der Reformation mit dem Volke Fühlung suchte, daß es aber damals noch möglich war, daß ein gewisser Stöffler, Professor der Astronomie in Wittemberg, für das Jahr 1524 eine große Sündfluth prophezeite und allgemeinen Glauben fand, nicht nur beim Volke, sondern sogar bei Männern der Wissenschaft, unter anderen von Aurelius von Toulon, der sich eine Arche baute und dem Bürgermeister von Wittemberg, welcher sich am Sündfluthtage mit einer genügenden Quantität Bier auf das Dach flüchtete und das nasse Ereignis erwartete. Herr Redner erwähnte ferner, daß vor Deutschland, Frankreich und England im wissenschaftlichen Leben großen Aufschwung nahmen, daß endlich Leibnitz seine kräftige Stimme rührte, unter andern erleuchteten Männern Keppler seine neuen Lehren verkündete, daß aber letzterer vor Hunger und Noth ganz entkräftet war, als ihm endlich sein 11.000 fl-betragender rückständiger Gehalt ausgefolgt wurde. Nachdem Herr Professor viele Gelehrte, z.B. Friedrich Gr., Tomasius, Franke ec. ec. Citierte, sprach er von der großen Kaiserin Maria Theresia, welche die Schulen so gut, wie damals möglich, einrichtete, vom Volkskaiser Josef II., der das schulzwang- Edict einführte, und endlich von den Schulmännern Amos Comenius und Pestalozzi, deren richtige Methode zur allgemeinen Annahme gelangte. Nach Definirung der Lehrweise Pestalozzi's erklärte Herr Redner, daß zwischen Menschenbildung und Fachbildung ein gewaltiger Unterschied herrsche und nicht die Fachbildung, sondern die Menschenbildung zu heben sei; ferner, daß der im Anfänge dieses Jahrhunderts lebende Kumpe der erste Jugendschriftsteller war, daß endlich aber erst 1869 durch Einführung der Volksschule die Basis für die Volksbildung geschaffen wurde.



Wanderversammlung und Eröffnung derVolksfreibibliothek in St. Agatha. 2. Herr Professor Holzinger sprach nun eingehender über die Volksschule, besonders den §1 des Volksschul- Gesetzes wörtlich anführeud, wonach die Volksschule die Aufgabe hat, die Kinder sittlich religiös zu erziehen u.s.W. Er führte weiter aus, daß die der Voksschule sich anschließende Fortbildungsschule eingeführt werden müsse und das „Kann" als ein Fehler der Gesetzgebung zu bezeichnen sei; ferner hob er den großen Unterschied zwischen einer einclassigen u. Mehrclassigen, hauptsächlich achtclassigen Volksschule hervor, übergehend auf die von 70 Lehrkräften in Oberösterreich in's Leben gerufenen freiwilligen Fortbildungskurse, welche eingetheilt sind in landwirtschaftliche und gewerbliche, meistens an Sonntagen gehalten werden und bis jetzt die günstigsten Resultate ergaben. Herr Redner sagte hierauf, es ist bedauerlich, aber er sei überzeugt, daß die Landbevölkerung der Fortbildungsschule widerwillig und feindselig begegne, weil sie dieselbe als eine Verlängerung der Volksschule betrachte, daß jedoch diese Feindschaft schwinden würde, z.B. dadurch, daß die Besucher der Fortbildungsschule eine 2jährige Militär-Dienstzeit hätten, alle Nichtbesucher dagegen auf 4 Jahre verhalten würden. Im weiteren Verlaufe erklärte Herr Professor, daß weder Detailkenntnisse, noch feine Umgangsformen die Bildung bedingen, sondern zur Bildung ein gewisser Grad der Ausbildung der Intelligenz, des Gefühls und des Wollens gehören, daß dem Volke zur Selbsterziehung Mittel an die Hand gegeben werden sollen, daß die Volksbildung hauptsächlich gefördert werde durch Volksfreibibliotheken, Volksbildungs-Kalender und öffentliche Vorträge, welch' letztere den ersten Rang einnehmen, weil erwiesen sei, daß das gesprochene Wort am meisten wirke. Übergehend auf den Nutzen der Wanderlehrer, bedauerte Redner, daß in Oberösterreich, entgegen andern Kronländern, keiner angestellt sei und hob besonders die Volksbildung in Würtemberg anerkennend hervor. Er zählte sodann die wichtigsten Volksbildungsvereine auf, die Wirksamkeit jedes einzelnen kurz bezeichnend, zuletzt auf den oberösterreichischen, seit dem Jahre 1872 thätigen Volksbildungsverein übergehend, der nur mit privaten Mitteln sein Dasein fristet und schon so viel geleistet hat im Dienste der Volksbildung. Herr Professor schloß mit einem warmen Appell an die Zuhörer, es möge auf den Altar der Volksbildung jeder sein Scherflein legen, denn die Bildung des Volkes sei die Grundlage zu seiner und des Staates Wohlfahrt. Rauschender Beifall war dem Redner zu Theil. Nachdem sich der Beifallssturm gelegt, hielt Herr Prof. Pohlhammer eine ausgezeichnete Ansprache behufs Uebergabe der Volksfreibibliothek. Er erzählte, auf welche Weise die Bildung im Volke verbreitet werde, hob besonders hervor, daß der Volksbote, das Organ des o.ö. Volksbildungsvereines, bereits in mehr als 3000 Exemplaren aufgelegt wird, wies treffend nach, daß nur der Gebildete imstande sei, sich empor zu arbeiten, daß nur der Gebildete es versteht, sein Vaterland wahrhaft zu lieben, daß die Volksbildung der Hauptfactor eines gesunden und kräftigen Staatswesens sei. Herr Professor sagte ferner, daß heute am 13. Mai dem Geburtstage der Kaiserin Maria Theresia in Wien, die Enthüllung des Maria Theresia-Monumentes stattfindet, hob mit größter Begeisterung die Herrschertugenden dieser größten Kaiserin hervor, insbesondere den Umstand, daß sie einsah den Mangel an Volksbildung in ihren Landen und daß sie durch Schaffung neuer Staatseinrichtungeu diesem Uebelstande abzuhelfen bemüht war. Er erwähnte der pragmatischen Sanction, erzählte, daß Maria Theresia nach dem Tode ihres Vaters Karls VI. im Jahre 1740 ein im Innern zerrüttetes, nach Außen von zahlreichen Feinden bedrohtes Reich übernahm und dieses Reich nach 40 Jahren segensreichster Thätigkeit im Innern gekräftigt, nach Außen mächtig wie nie zuvor, an ihren trefflichen Sohn Josef II. Übergab. Uebergehend auf die Volksfreibibliotheken erwähnte Herr Redner, daß Sachsen über 2000 Bibliotheken mit je 2000 Bänden, die Schweiz 1900 Bibliotheken besitzt und daß in letzterem Lande auf 100 Bewohner 50 Bände fallen. Er sagte weiter, daß in Oberösterreich der Volksbildungsverein bereits 37 Bibliotheken errichtete und daß der Same der selben immer auf fruchtbaren Boden gefallen sei. Herr Professor schilderte sodann den Zweck und die Früchte einer verständigen Benützung der Volksfreibibliotheken und sagte, daß heute im freundlichen Orte St. Agatha die 38. Bibliothek aufgestellt werde, welche er hiemit der Bevölkerung St. Agatha's mit dem Wunsche übergebe, dieselbe möge der Brennpunkt werden, von dem ein immer regeres Streben nach Erweiterung und Vertiefung der Kenntnisse sich entfalten möge. Rauschender Beifall lohnte die kräftigen, von warmer Empfindung getragenen Worte des Herrn Redners. Nach Abspielen eines Marsches durch die trefflich geschulte Musikkapelle ergriff Herr Prof. Pohlhammer abermals das Wort, auf die innigen Bande hinweisend, welche seit Jahrhunderten das Kaiserthum Oesterreich mit seinem erlauchten Herrscherhaus verbinden, zuletzt ein dreimaliges „Hoch" ausbringend auf Se. Majestät Kaiser Franz Josef I. Und seine erlauchte Familie, in welches alle Anwesenden mit größter Begeisterung und brausendem Jubel einstimmten und die Musikkapelle die Volkshymne intonierte. Herr Gemeindevorsteher Perndanner dankte hierauf im Namen der Gemeinde dem Volksbildungs-Vereine für die Aufstellung der Volksfreibibliothek, sowie dem anwesenden Volksfreunde Herrn Dr. Ed. Michlstetter für die große Bücherspende, welche er derselben gewidmet und gab die Versicherung, daß die Bewohner der Gemeinde fortfahren werden, an der Hebung der Bildung und an der Erweiterung ihres Wissens zu arbeiten. Er gedachte ferner des Ausschußmitgliedes des Volksbildungsvereines und Ehrenbürgers der Gemeinde, des Herrn einer. Bezirksrichters Ruckensteiner, und ersuchte die Herren Delegirten, demselben die Grüße der Versammlung zu überbringen, schließlich ein dreifaches „Hoch" ausbringend auf den o. ö. Volksbildungsverein, in welches die Versammelten begeistert einstimmten. Herr Prof. Holzinger toastirte nun auf Goisern und St. Agatha, das oberösterreische Musterdorf und dessen wackeren Gemeindevorsteher Herrn Perndanner; Herr Josef Grill auf den Volksfreund Herrn Dr. Michlstetter, sowie auf den o.ö. Volksbildungsverein und dessen entsendete Delegirte, die Herren Professoren Pohlhammer und Holzinger, womit der officielle Theil der Versammlung sein Ende fand. Bei den heiteren Klängen der trefflichen Goiserer Musikkapelle entwickelte sich sodann in Herrn Josef Petter's Gastgarten eine animierte, gesellige Unterhaltung, bis die Kühle der einbrechenden Nacht derselben ein Ende machte. Der 13. Mai aber, welcher durch sein herrliches Wetter gewiß viel zur Erhöhung der Feier beigetragen, bleibt sowohl für den Verein, als auch die stets vorwärts strebende Bevölkerung St. Agatha's und seiner Umgebung ein Ehrentag und gewiß wird jeder Theilnehmer dieses Fest— abgehalten inmitten eines Waldes prächtig blühender Obstbäume— in angenehmster Erinnerung behalten und gute Eindrücke für Geist und Herz in sein Gemüth aufgenommen haben.






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