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Weihnachten in Hallstatt

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner


1905

Von Susi Wallner

Im Tage der Winter-Sonnenwende traf ich meinen Freund Friedl Zenz tief drinnen im verschneiten Echerntal in Hallstatt. Just beim Kreuzstein, wo die »wilden Jungfrauen« umgehen sollen, kamen wir zusammen.

"Aus is", rief Friedl.

"Jatzt han i g'moant, i kumm alser Alter no zu aner wilden Frau!" Ich lachte und meinte:

"Gelt Friedl und jetzt i’s nur a zahme?" "Ah Bua!" (Ein in Hallstatt gebräuchlicher Ausdruck) gab er launig zurück;

"a weng was wild's hat leicht a jede. Awa wia is denn jatzt?

Keman’s leicht gar in mein Hoamat'l?

Mögn's bei mir glei a Weihnacht'n an alten Brau' kenna lerna.

G’freun tats mi.

Und a warme Stub'n ham ma a, daß ins's Maul net z'sammg’frern mag.

Ja, toans mit?"

Freilich tat ich mit.

Stapfte hinter ihm drein, zurück nach dem Markte, zu seinem Hause, das sich treulich anlehnt an einen sanften Abhang des »Ahnlberges.« Er geleitete mich die außen aufführende Holztreppe empor in die kleine hölzerne Laube.

Im Vorflur nahm mir seine Frau erfreut Mantel und Mütze ab und indeß wir in der Küche Eins plauschten, war Friedl Zenz verschwunden. Da hörte ich plötzlich nebenan ein schlichtes Lied mit schlichter Stimme singen:

"Ihr Hirt'n lost’s ma a weng zua, was i Enk dazähl: Ich will Enk's flugs saga Was sö hat zuatraga, Mein lost's ma nur zua Und seids fein mit Ruah."

Der graue Kopf Friedl Zenz sah bei der Tür herein und aus seinen lebfrischen Augen unter der furchigen Stirn lachte junggebliebene Weihnachtsfreude.


"Heunt Nacht,

um die oan-elfte Stund war i munter und frisch.

A Glanz is erschiena, Han g’moant ös tuat brinna, Des war ja so rot Dö völlige Stot (Stadt), Aft hat se da Himmel auftan." "Bartl, was sagst?" unterbrach ihn seine Frau, in die Melodie einfallend.

"Han i hör'n singa," beteuerte Friedl. Van allerlaa Stimma An engelnschön's G'sang, Ös wahrat net lang."

"Wia habn s’ den g'sunga mein Du,

geh sag mas do a.", fragte Frau Zenzin weiter.

"Ano bia fabis et gaudia novis." "Schau, ob i's no kann."

"Fang no amal an," ermunterte sie weiter.


Indeß Friedl seinen Part wiederholte, geleitete er uns hinein in »die Stub’n« mit dem schönen braunen Holzplafond und den farbigen Gardinen an den Fenstern.

Dämmerung lauschte in allen Ecken des traulichen Gemaches.

An einer Schmalwand, dem grünen, warmen Kachelofen gegenüber, stand auf einem breiten Gestelle ein großes, beleuchtetes Kripperl von Kieferzweigen umkränzt.

Friedl führte uns dicht heran an seine Weihnachtsbescherung.

"Und nachher is kema a rantiger Bua",

sang Friedl weiter, während das aufflackernde Kerzenlicht eben schier lebendig auf den goldenen Flügeln eines Engels spielte, der mit verkündender Geberde hintritt zu den froherstaunten oder zweifelnden oder schläfrigen Hirten unter gleichmütig weidenden Schafen.

"Der hat g'flimmat und gschimmat, Hat gflizelt und blitzelt Wia machti feins Gold, I war eam so hold."

"Da nimmt halt an iada was mit. Was hab'n ma da ?"

Und der unverdrossene Sänger deutete ernsthaft auf die großen, kunstvoll geschnitzten Figuren, die auf der anderen Seite des Kripperls vor einem ruinenhaft offenen Stalle stehen oder knien.

Aus einem verfallenen Fenster schwebt ein singender, hellbeschienener Engel; weiter oben auf einem Giebel aber steht das einstige Zierbild eines heidnischen Gottes im Schatten.

Mit lebhafter Betonung sang Fiedl Zenz weiter:

"A Kitzl bekumma" (der Bringer dieser Gabe ist ein kleiner Bub) "A Lampl weg’gnuma" (ein alter Mann legt ein junges Lamm voll inniger Demut auf die Schwelle des Stalles) "An Kimm und a Salz" (dem, der dies schenkt, dem beugt nicht der straffe Rucksack den kräftigen Nacken, sondern andächige Ehrfurcht). "An Oar und a Schmalz" (Der Gebfreudige teilt seine Aufmerksamkeit drollig zwischen seinem Korb und dem heiligen Wunder dort.)

Nur ein Dirnlein mit fliegenden Röcken, eine Henne unter dem Arme, kommt trotz aller Eile zu spät für Friedls deutenden Finger, denn weiter klingt sein Lied:

"Aft san ma kema zan Stall, da gehn ma hinein," Da ham ma halt g'seha A Kripperl da stehn, A Kindl dort drein No — wach tuats halt schrein.


Ich folge getreulich mit den Augen.

In einer Futtergrippe liegt ein zappelndes Jesulein und streckt seine Ärmchen hinein in die Welt, die Liebe so schecht verstehen kann.

Und innig gedämpft klang Friedls Stimme bei der Stelle:

Da hat’s mi a herzli ang'lacht, a machtiga Schatz,

Wan d’ Muatta net g'wes'n, Vo Liab hätt’ is g'fress’n, I han ’s ja dabußt, I han 's ja dakußt

Da Dattl’ a stoanalta Mann."

Zum erstenmal stimmt Friedls Gesang nicht mit der Darstellung.

Denn der Josef, der dem gutmütig- neugierigen Öchslein und dem zutunlichen Eselein wehrt, ist noch völlig a ,,Rantiger."

"Dö Muatta blüahjung, A G’sicht wia a Kreid’n, Subtül wia a Seid'n, A machti schöns Wei Und freundli dabei." Nun aber sang Frau Zenzin mit gut gespielter Entrüstung dazwischen!

"Du Luda, Du foppast mi an."

Doch sie kam schlecht an, denn mit einer lebhaften Armbewegung nach seinem Kripperl verteitigte sich Friedl Zenz.

"Mei Narr, dös is wahr, Den Bartl muaßt frag’n (er deutet auf mich) Der wird das schon sagn. Is a dabei g’west, Is kemma auf d' Letzt."

Friedl hatte geendet.

Eine Weile blieb es still. Weihnachtsstimmung hielt uns Umfangen — dem deutschen Herzen ewig alt und ewig neu!

"Und iatzt," schlug Friedl Zenz vor, "jatzt nimm i mei stoanalts Büachl mit dö anern Weihnachts-g'stanzeln und tua weita, wo i ang’hebt han.

Alte kent (zünd) die Lampn an!"


Wir setzten uns an den Tisch in der Nähe des warmen Kachelofens.

Rückwärts ein Herrgottswinkel unter der Klagegestalt Marias und dem gekreuzigten Heiland standen Weihnachtsblumen.

An den Stielen der breiten großen Blätter hingen rosige Blütendolden. So saßen wir in jener Christnacht zwischen Bethlehem und Golgatha. Friedl Zenz setzte bedächtig die Brille auf und der nimmermüde Heger und Hüter altheiligen Väterbrauches bot mir eine vortreffliche Auslese fast verschollener Weihnachtslieder. Sie singen und sagen alle von der Jubelkunde daß "Oaner will bezahlen, was der Odam (Adam) verlorn."

Voll Freigebigkeit wird die »Zeitung« (Nachricht) aufgenommen:

"Tats na was mitnehma, Ös is ja viel schener A Bissel a Gab, Als wann ma nix hat·"

Gleich einverstanden erklärte der Eine: "Ön Speckseitn’zöga, denn füll i ma an Mit allahand Sacha, Dös Büabal wird lacha!"

Der Hoisl aus der Hirtenschaar is völli kloan vazagt, denn er besorgt:

Hab’n s denn heunt im Himmel drob’n ihre Spielleut all ausg’jagt?

Trumpet’n geig'n tubernblesen,

daß Oans kunt recht narrisch wer’n.

I kann ja das Ding net faß’n,

was denn heu't meh (denn) Neu’s is g’scheg'n.


Als Beitl das »kloane Kind« im Kripperl sieht, da staunt er tiefsinnig:

"O großer Gott, bist Du so kloan?"

Aber gleich bricht sein Raisoniertemperament wieder durch:

"Und narrisch a dabei? Dein Vota soll dös Ding nöt toan: Von Himmel oba geb'n! Und no dazua in an alten Stall, Bo kalter Winterszeit. Warum denn nöt in Königssaal Er muaß ja sein nöt g’scheit?" Der »Rüapl« meint es wieder gar zu gut.

"I hab in a Schraufglas an Branntwein,

fand schier a drei' Halb,

dös wird an Büabal scho taug'n,

heunt is grausla kalt."


Aber nicht Alle sind so unpraktisch im Weisatbringen (Kinderbettgeschenke) als der Rüapl Der »Bartl und sein Bua,« teilen sich die Geschenke derart ein:

"Er hat a kloans Leiberl, I han a nois Jankerl Is nacht'n (gestern) bon Schneida erst ferti worn gar."

Beide werden von zwei Anderen jedoch gleich überboten:

"O mei Kind; i hab a Lamperl zeckfoast' Gar von an kloan Leinwandl han i a Pfoad." Meii Schatz i ha eppas bracht A sulz koartanas Jankerl, das is halt mei Gab,

Hats g'macht d' Schneida Hanal Mit rote Gallanal (Garnierung) Mitsamt dö kloan Bandal, Daß ma's zuabind'n kann.

I bitt' Enk halt gar schön Josef und Maria Gebts Achtung aufs Büabal, Schauts um a Wiagal

Und legts eahm sein Jankerl und Pfoadal fein an."


Nun rückt aber auch der mit dem "Speckseitenzöga" an. Ja der "Wastl" kennt sich aus, was not tut: "Schau Schatz, do han i a Laaal voll Mill, An ötliche Oarln,. ös san halt nöt viel A paar Semmeln, a jungs Paarl Henna Und in an kloan Sackerl an Grias und a MehL In an kloan Schachterl an Zucka, In an Schalerl an Butta, In an Testerl a Salz, In an Haferl a Schmalz." Doch wieder Einer meinte warnend zu Jesulein: "Von Grias derfst awa no nix ess'n, Du bist no viel z’kloan und viel z’zart." Dafür rät er dringend: "Laß’ Dir a guats Köchl macha, Tua beilei kan Hunger leid'n, Wir bringen schon no mehr nacha. Wann s länger da tuats bleib’n."

Der Aermste von allen weiß sich auch Rat.

Er bringt seine Kohlmoas’n und freut sich, daß Jesu darüber guter Dinge ist. "I möcht vor Freud’n springa, Daß sö’s Büabal g’freun tuat gen. Lost's sie tuat schon wieda singa: Schmid, schmid. michl, sing, sing schen-"

So verschieden aber auch die Gaben sein mögen, Eins erbitten sie sich alle zum Lohne: "Tua uns amol einilaßn In den hoch'n Himmelssaal."

"Na ja," meinte der Friedl Zenz, als er endete, "umasünst tat halt Neamt was.

D’ Natur a nöt. Und umasünst han i a nöt g’sunga:

Alte bring was zan Eß’n und Trinka!"

Im Ofen flackerte das Feuer, summte und surrte wie ein Heimchen.

"Tick, Tack" sagte die Uhr zu der vorübergehenden Zeit. Es war spät, als ich von meinen lieben Wirten Abschied nahm, als ich hinaustrat auf das blühweiße Schneelinnen der heiligen Nacht. Ruhvoll dehnte sich der See.

Und wundersam verklärt lehnten meine lieben Berge die stolzen Häupter an die breite Himmelsbrust.

Unzählbare Sterne leuchteten und flimmerten und glitzerten, wle ein großer Lichterbaum, den die Christnacht angezündet.

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