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Weihnachtslieder aus dem Salzkammergut.

Autorenbild: Gerhard ZaunerGerhard Zauner

Weihnachtslieder aus dem Salzkammergut.

Von Ludmilla Nowak, Linz.



Verschneit liegen die Berge, ruhig und im Erstarren die Seen. In den Wäldern ist es gar still geworden.

Nur hier und da knirscht ein Schlitten auf dem beschneiten Waldweg dahin, beladen mit Holz, das im Tal die Stuben wärmen soll.

Auch die Ortschaften haben Winterruhe. Die Leute arbeiten in den Häusern, nur die Kinder benützen, wenn die Schule aus und solange es licht ist, selig die Schlittenbahn und hier und da widmen sich ein paar Männer dem Eisschießen.




Doch der Abend läßt jetzt nicht lange auf sich warten.

Bald schallt das Gebetglöcklein durch die Dämmerung.

Da ziehen die Kinder mit den Schlitten und die Männer und Burschen mit den Eisstöcken heim und in den Häu­sern werden die Lampen angezündet und die meist roten Vorhänge vor die Fenster gezogen und so sehen dann die Häuschen mit warm glühenden Augen in die schweig­same Winternacht hinaus.


Es ist Advent, die Zeit der langen Abende. Was aber ist traulicher als ein solcher langer Adventabend?


Die Großmutter sitzt auf der Ofenbank und strickt, ohne auch nur einen Blick an das Strickzeug zu ver­lieren. Sie hat nur Augen für die Kinder, die ihr zu Füßen kauern und denen sie immer wieder die alten, ortsständigen Sagen und Geschichten erzählt. Der Vater sitzt beim Tisch und raucht sein Pfeiferl und hört auch zu, nur die Mutter trippelt immer herum, die hat immer so viel zu tun. Im Advent beginnt auch das Weihnachtsliedersingen. Die Familien besuchen einander und singen sich die ur­alten Weihnachtslieder vor. Anheimelnde, gemütliche Melodien schallen durch die lichten Stuben und klingen gedämpft auf die Gassen hinaus. Vor ganz kurzer Zeit erst gelang es mir, ein ge­schriebenes Weihnachtsliederbuch in die Hand zu bekommen.

Auf dem Titelblatt stand der Name des Besitzers und die Jahreszahl 1859. Der Name des Autors war nicht angegeben. Auch mir ist der Dichter gänzlich unbekannt. Doch sind die stellenweise sehr originellen Lieder wohl direkt aus dem Volke gekommen und vielleicht nur von einem oder dem anderen ebenfalls aus dem Volke hervorgegangenen Pfarrherrn oder Organisten verbessert worden.




Es sind fast durchwegs Hirtenlieder und manche sind einander sehr ähnlich. In dem Buche, das in meine Hände kam, standen nicht weniger als vierundsechzig!

Alle handgeschrieben!

Die Hirten treten erzählend auf, bald nur einer, bald mehrere. Wo mehrere zu Worte kommen, ist einer gewöhnlich etwas schwerfällig; sie heißen Wastl, Stöfl, Michl, Hiesl, Stacherl usw.

Sämtliche Lieder hier zu bringen geht nicht an, es können nur einige folgen.






„Das Vierundsechzigste."

„Gott grüß Euch beisammen, verzeihts ma mein Frag, I kanns nit vernehma is's Nacht oder Tag?


Wie daß ma den heut kein Hirten nit sicht, Und is do bei Enk so schön fröhla und licht, Es nimmt mich groß Wunder, daß ös meine Leut, Im Viehstall jetzunder beisammen da seid.


Mein sagts ma, was fallt enk im Winta jetzt ein, Daß's mit dem klein Kindl in da Kalt da mögts sein? Kannst es Du kaum derleiden, du steinalter Greis, Hast Haar wie a Seiden, hübsch wenig und weiß.


Du, Mutter, bist a ziemla zartla und fein, Kannst wohl von kein Hirten- oder Bauerngschlecht sein. Wo is denn Dein Hoheit, wo sein die Lagei (Lakaien), Was hat Dich gezwunga zu uns auf das Heu?


Die Lieb hat Dich zwunga zu uns auf die Welt, Ich tat Dir was schenka, Hab selber kein Geld. Zwei Äpsel die Hab ich im Sack da bei mir, Und wannst Du's derfst essen, ich wills schenka Dir.


Hab noch a klein winzigs Lamperl daheim, Ich will Dirs a schenka, b'halts fein in der Gheim


I tat Dir gern göbn, bin selbst ein armer Hirt, Ach könnt ich Dir Helfen, göbn was Dir gebührt, I tat Dich schön kleiden und aufwarten Dir, O Jesus, nimm den Willen, den nimm dafür!"



Einen recht köstlichen Schluß hat „Das Dreiund­sechzigste", wo alles durcheinander gewirbelt wird. Wastl und Stöfl singen:

7) „So laßt uns gehn geschwind Wohl zu dem kleinen Kind. Wöll'n nehmen gschwind ein Wenigs mit! Gott sei die Ehr und Menschen Fried! A Lamperl nehmts a schnell, Und i nimm a waitzas Mehl.

8) Grüß Dich Gott, liebes Kind, Verzeih uns unsere Sünd. Da hast a wenigs Eier und Mehl Und laß Dir kocha a Mußerl schnell, Göbts her den Buttern gschwind! Stöfl, gib Heu dem Rind!

9) O liebes Jesulein, laß uns Dein Eigen sein. Wir tun Dich bitten allzumal, Führ uns aus diesem Jammertal Mit Dir in d'Himmelssreud Zur ewgen Seligkeit."

Im „Zehnten" kommt ein verschlafener Michl vor.

„Hiesl" sagt: „Potztausend klein Buama a Schar Fliegnt awer, schauts hin, Paar und Paar, Schaunt aus als wie d'Engeln so schön, Wir müssen schon hübsch lüstig gehn."

Michl: „I muß mir d' Augn erst auswischn— I werd mich nit vil dreinmischen."

Überhaupt ist dieser Michl sehr lau.

Hiesl: „I bin mit mein Schaflan schon g'richt, Wann mir nur da der Strick nit abbricht! Hab gnomma das feistest von allen, Es wird dem Kind denner wohl gfallen."

Michl: „I muß schon nehma an Rappen, I mag kein seists nit dertappen."—

Nach Weihnachten kommen die Neujahrs- und Dreikönigslieder. Eines der gemütlichsten und innigsten ist dieses:

„Potz Wunder über Wunder, Was heunt mehr Nois (Neues) is gschegn! Und losts nur grad jetzunder, I Habs mit Augen gsehn.

Daweil i wollt in d' Stadt eingehn, Wollt feil habn Milli und Kas, Wollt feil habn Milli und Buiterrahm, Da Han i gsehn was rars!

Grad gah hob i derseha An Stern bon lichten Tag, Der blieb obs Stall dort steha, Wo 's Kindel drinna lag.

Daweil i tat den Stern anschaun Und denk mir, was wird's wern? Da kamen d' Rösser schwarz und braun, Drauf saßen große Herrn.

Der Höchst tat voran reiten, I hält ihn kaum derblickt, Ich sah ihn kaum vor Weiten, So hat er mich derschrickt.

Er schaut im Gsicht kohlrabenschwarz aus, I fürchtat mir weiß wia, I fürchtat mir es war a Graus, Es wurd mir völlig schiah.

Zween keman hinta seina, Die gingen endla an, Und einer gar a feiner War hübsch a lieber Mann.

A Gwandung hams vo lauter Schön Bon Gold toans mächtig schein'n, Mein, denk i mir, so viel ich's kenn, Das müssen Künigen sein.

Ganz eisner gharnischt Männer, Soldaten ohne Endt, Die gingen miteinanner, Kein Einzign Hab i kennt.

Ein Tier, das treibn sie hintn her, Das war mir unbekannt, Ich weiß nit kann ich's nennen mehr, Es ist ein Elefant.

Wies allö fort sand gangen, Kameltier, Roß und Herrn, Da tat mi halt glei blangen, Was aus dem Ding wird wern.

An Roßknecht hab i zuckt beim Rock, Den tat i halt glei fragn: „Mein, bitt die gar schön sei kein Stock, Tu mir die Wahrheit sagn."

Er sagt, daß es drei Weisen Sind her aus Morgenland. „Daher ist unser Reisen, Ists Enk denn nit bekannt?

Salomon tat uns lehren, Daß aufgehn wird ein Stern, Ein Jungfrau wird gebären. Das sahen wir von fern."

Daweil wir a so plaudern, Steign all drei ab vom Pferd. Es taten nit lang zaudern, Fielns nieder gschwind auf d' Erd.

Sie habn sich gar tief niederbuckt, Sie habn sich tief geneigt, Maria hat das Kindl zückt Und hat ihn'n 's fürazeigt.

D' Lagei (Lakaien) habnt gschwind was hertragn, Lögns her vorn Kind auf d' Erd. I kann enk alls gschwind hersagn, Was s' ham dem Kind verehrt.

Dukaten a ganz Trühel voll, Die hält i gar gut kent, I weiß nit was das ein' sein sollt (die Myrrhen), Den Weihrauch hamts verbrennt.—

Und Künigen etlich hundert Meiln Sand wögn dem Ding hergreist, Die Gleimen (Nahen) lassen sich keiner sehn, Wo das nit Faulheit heißt?!

Es kommt keiner von Bethlehem, Es laßt sich sehn kein Herr, Es kommt keiner von Jemsalem, Der Gott tät göbn die Ehr."

Ich habe die Lieder und die Auszüge daraus halb im Dialekt, halb in der direkten Schriftsprache wieder­ gegeben, genau so, wie sie gesungen werden, denn bei solch heiligem Anlaß ist das Volk bemüht, schön zu sprechen. Humor und echter Glaube ziehen Hand in Hand durch die schlichten Reime und dazu jene Gefühls­tiefe. die dem deutschen Volke nun einmal eigen ist, mag es nun an der Grenze des Welschlandes oder an der Nordsee wohnen.


Die Hirtenlieder der Salzkammergütler sind ein Zeugnis davon, wie innig das Volk das Christen­tum in seinem Herzen verarbeitet, und sie gehören zu den deutschen Volksliedern; es wäre nur zu wünschen, daß sie nicht vergessen werden.



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