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Wie die Schneerosen erblühten.
Aus den Hallstätter Märchen (1900) von Susi Wallner.
Es war einmal ein stolzer, mächtiger König, und als seine Frau Königin starb, hinterließ sie ihm ein Töchterchen. Das lag auf einem kostbaren Spitzenkissen und schaute mit runden, verwunderten Augen umher, wie andere Kinder auch. Der König mochte es nicht ansehen, denn er hatte sich einen Sohn gewünscht, dem er seine Krone und seine Länder vererben konnte. Wozu war er sonst jahrein, jahraus ins Kriegführen ausgezogen?
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Einmal aber tat er sich doch über das kleine, niedliche Ding im Spitzenbündel beugen. Jedoch seine Tochter verzog das Gesicht und schrie aus Leibeskräften. Solches verdross ihn bass; er fand sie hässlich und kümmerte sich niemals mehr um sie.
So wuchs die kleine Mechthildis heran in dem prächtigen Schlosse; sie hatte der köstlichsten Gewänder genug, so auch Trank und Speise, was sie begehrte— aber nimmer das Herz ihres Vaters.
Gar gern betrat sie die marmorne Halle, allwo an den Wänden so viele Gemälde hingen, von fürnehmen Frauen, mit Schleier und Hermelinmantel angetan, von bärtigen Männern mit Krone und Zepter. Nach denen aber sah sie nicht, sie stand nur immer vor dem Bildnisse einer Frau mit minniglichem Antlitze und holdtraurigem Lächeln. Die greise Kammerfrau bedeutete ihr einmal, das sei ihre Mutter gewesen.
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Seither schob sie oftmals einen hochbeinigen Seidenpolstersessel heran, kletterte hinauf und war eben so groß, dass sie mit der runden Hand die Wange der Mutter zu liebkosen vermochte oder die weißen Schultern, auf welchen der Locken Gold lag.
Bei solchem Beginnen traf sie einst der mächtige König und fragte:
„Wer ist dies Kind?"
Sein Haushofmeister bekam geschwind einen verlegenen Husten und stammelte:
„Mein edler Herr und König wolle mir verzeihen, wenn ich untertänigst glaube— hm— es dürfte— hm, hm— Ihro Majestät höchsteigene Tochter —"
„Es ist gut", sagte der stolze König und ging. Er war sehr zerstreut, denn er freite gerade eine neue Frau.
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War das ein glänzendes Fest, als sie einzog! Der kleinen Mechthilde wurden die zwei blauen Augen schier zu wenig zum Schauen. Die vielen geputzten Rosse und Wagen, Frauen und Männer, die tausend Lichter, die buntstrahlenden! „Jetzo ist der Himmel mit allen seinen Sternen in unser Schloss herabgefallen", vermeinte sie und wurde recht andächtig.
Als die junge Königin der Feste müde wurde, ließ sie die blonde Mechthildis kommen. Denn in dem dicken Buche, so von dem Geschlechte des großmächtigen Königs, seinem Ansehen und von allem handelte, was ihm zu eigen— dort stand auch die kleine Königstochter verzeichnet; alldieweilen Frau Chronika nicht vergisst, was auch Herzen vergessen mögen. „So," sagte die Königin, „ich bin anjetzt deine Mutter."
„Nein," sagte Mechthildis, „du bist ja schwarz und siehst ihr gar nicht gleich."
Da wurde sie für unartig befunden und durfte der Königin nie mehr unter die Augen.
Als Mechthildis so groß war, dass ihr Lockenköpfchen an die Brust der minniglichen Frau auf dem Bilde reichte dafern sie auf ihrem hohen Sessel in der marmornen Halle stand —, da hatte die neue Frau des mächtigen Königs ihn mit einem Sohn beschenkt. Der lag auf spitzenbesäeten Kissen und sah mit runden, verwunderten Augen um sich, wie andere Kinder auch. Aber der stolze König beugte sich oft über ihn und wenn der Kleine strampelte und ihn anschrie, dann sagte er lächelnd: „Das wird einmal ein Held!"
Da begab es sich, dass Mechthildis' greise Kammerfrau starb. Das Königstöchterlein weinte sehr und grämte sich und war noch einsamer als eh. Nun kam sie einmal in den Zwinger, wo die Rüden gehalten wurden, und sprach: „Ei, spielt ihr mit mir, denn ich bin immerzu allein; erzählet mir vom Walde, von den Blumen und den Vögelein."
„Wau, wau!" riefen die Hunde und sagten, was sie wussten, von Jagd und Hatz.
„Seid ihr was wilde Gesellen! Könnet nichts anderes reden denn vom Töten; mag euch nicht", sprach Mechthildis und ging.
Als der Hundewart alles dem König meldete, erlaubte selbiger, dass seine Tochter von nun an mit Kuno spielen dürfe. Doch Mechthildis war schüchtern und dess nicht gewöhnet. Kuno wurde die Weile lang, er schlug nach ihr und Mechthildis lief erschreckt fort, hinaus vor das Schloss, in den Wald. Sie hatte ihn immer gern gesehen, wenn die Sonnenstrahlen auf den grünen Zweigen tanzten, und gehört von allerlei Wundersamem, das sich in ihm begebe.
Nun sie unter seine mächtige Wölbung trat, begegnete sie eine Frau mit strengem Gesicht, ernst und gewaltig von Gestalt.
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Mechthildis schlug die Hände aneinander und sagte: „Du, liebe Frau, darf ich da hinein zu den Blumen? Ich möchte mit ihnen plaudern, weil ich gar keine Gesellin habe."
Da flog ein lichter Schein über das herbe Weibesantlitz. Sie nahm die Kleine an der Hand und geleitete sie also in den Wald hinein.
Stand nicht lange an, kam ihnen ein munterer, braungelockter Junge entgegengesprungen. Selbigen führte sie Mechthildis zu. Er hieß Egbert und war der Sohn des Hegers und gab gern Bescheid über Blumen und Vögelein. Darum wurde Mechthildis ehebald gut Freund mit ihm und fröhlich gingen sie selbander einem kleinen Hause inmitten eines wohlgehegten Gartens zu, allwo sie der Heger freundlich begrüßen tat.
Ihrer Begleiterin hatten sie ganz vergessen. Sie aber folgte ihnen mit dem ernsten weiten Blick—— sie war das Schicksal. Von dieser Zeit an ging Mechthildis oft in das Waldhaus zu den lieben Menschen, denn es hatte sie bisher noch niemand vermisst im Schlosse ihres Vaters. Da sie nun wieder einmal mit Kuno zu spielen kam, wusste sie sich besser anzustellen und um allerlei Kurzweil. Jetzt gefiel sie dem Kleinen und er ward ihr zugetan.
So war dem einen Samenkorne nur aus dem reichen Ernteschatz der Liebe, so ihr des armen Hegers Knabe bot, die Zuneigung des Königssohnes entsprossen.
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Die Quadersteine des Schlosses zählten um manche Jahre mehr— was jedoch bei ihrem Alter nichts zu sagen hatte. Sie überdauerten Geschlechter und erfreuten sich— dank der Nachfrag'— eh wie vor gediegener Festigkeit.
Der mächtige König unterdessen hatte weiße Streifen in seinem Barte, gleich Herbstesfäden: und der Königin schwarze Locken waren minder reich. Kuno wurde schon in allerhand ritterlichen.Knabenspielen unterwiesen und tummelte recht behend sein schwarzes Rösslein. Mechthildis aber bedurfte nimmer des Polsterstuhles, wenn sie dem Bilde ihrer Mutter in der marmornen Halle die Wange liebkoste. Sie war eine herzige Maid geworden, mit einem Antlitz, lichtscheinig und taufrisch, gleich den Rosen in Egberts Garten; ihre Haare, hell und sonnig wie Flachs an Freias Rocken, trug sie vielemale um das, Haupt geschlungen, weil sie so lang waren.
In derselbigen Zeit fügte es sich, dass der alte Waldheger; zu seinem Sohne also sprach: „Egbert, nun sollst du nimmer, wie früher, des Umganges mit der Königstochter pflegen.“
„Ei, Vater," so darauf der Sohn, „was ficht Euch an? Möget mir lieber doch die Sonne wehren!"
Der Alte sah bedenklich an der sehnig-schlanken Gestalt des jungen Mannes hinan und auf den weichen Flaum, der auf den frischen Lippen lag, wie zarter Reim auf reifen Zwetschken.
„Was daraus werden soll, möcht' ich dich fragen, Junge?"
„Was werden, Vater?— Hei! Leichtlich gar des Königs Eidam!"
„Kind, Kind, du redest dich um deinen Kopf!"
„Reden— hm. Hört! Kostet es einmal den Kopf— je nun, dann will ich lieber handeln." Und er spaltete den starken Eichenklotz für seines Vaters Herd mit einem Hieb. „Seht, Kraft ist in meinem Arm, Mut in meinem Sinn und Treu in meinem Herzen. Ich nähm' es auf mit Mutes wildem Heer— gilt es Mechthildis."
„Mein Sohn: Es ist zuweilen leichter, mit bösen Geistern fertig zu werden, denn mit Menschen, so die Macht haben." So sprach der Alte.
Der Junge aber wandte sich trutzig waldeinwärts und trällerte im Schreiten:
„Ich und meine lieb Gesellin, Wir sind uns zugetan. Es können nimmermehr Zweie Getreuer zusammenstahn. Und gilt es mein jung jung Leben, Ich tät es freudig geben—".
„Egbert!" rief es da mit Heller Stimme in den Gesang hinein. „Egbert, was singst du da?" Mechthildis kam des Wegs gegangen.
„Ein Lied, das einst ein armer Bursche der Tochter des Königs sang."
„Dann lehr' es mich."
„Nein— denn es nimmt schlimmen Ausgang."
„Warum?"
„Sie hatten sich lieb, Mechthildis"—
„Ja, Egbert, lieb!"
„Und durften nicht Zusammenkommen —"
„Sie taten's aber doch; ist das denn schlimm?"
„Darob bedrohten sie des Knaben Leben, auf dass die Königstochter von ihm lasse."
„Ach nein, nein, das konnten sie nimmer. Darum gingen sie wohl heimlich fort, recht weit fort —"
„Mechthildis— so —-“ Es schlang Egbert die beiden starken Arme um ihren Nacken
„So taten sie sich einander ketten; ja—nun lehr' mich dieses Lied!"
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Da schwang sich ein süßes Singen hin durch den schweigenden Wald. Es tauchten durstig die dämmerdunklen Zweige in dieser Töne sanfte Flut, es lauschten die Vöglein.—
Und über den schwellenden moosigen Boden wallte eine wunderholde Frau, leuchtend wie der Lenz—— sie neigte lächelnd sich den beiden zu und legte ihre Hände segnend auf die jungen Menschenhäupter— glitt dann vorüber wie ein Sonnenstrahl. Im schweigenden Walde aber lebte das süße, träumende Tönen.
Egbert und Mechthildis sahen sich gar wonnig in die Augen.
„Egbert, wer war die Frau?"
„Mechthildis, komm, du sollst es wissen", und er küßte sie auf den Mund. Da erkannte sie— dass es Frau Minne gewesen.——
Es war aber geschehen, dass der junge Kuno seiner Schwester in den Wald nachgelaufen war, denn er verspürte Langeweile. Er sah ihr licht Gewand durch die Bäume schimmern und duckte sich unter einen Haselstrauch, denn es galt ein lustig Possenspiel. Somit war's gekommen, dass er alles mitangesehen. Mäuschenstill hielt er— so Schönes hatte er noch nie erschaut. Er wagte es nicht einmal, sich zu regen, als Mechthildis mit dem jungen Knaben, der ihm wohlgefiehl, an ihm vorbeiging.
Dann aber lief er spornstreichs nach dem Schlosse und berichtet alles seiner Mutter; bass verwundern mußte er sich, dass es ihr nicht die gleiche Freude bereitete, denn ihm. Die Frau Königin blickte finster und benachrichtigte allsogleich ihren stolzen Gemahl.
Anderen Tages brachen gewappnete Männer in das stille Waldhaus ein; die führten Egbert von hinnen und warfen ihn in einen tiefen Turm. Mechthildis, als sie davon vernahm, rang die Hände und weinte sich die Augen rot. Sie warf sich ihrem Vater zu Füßen und flehte:
„Zürnet mir; mich strafet! Ihm aber schenket Freiheit und Leben!"
„Gut. Gelobe aber, ihn nimmer zu lieben und einen zu freien aus meiner Höflingsschar."
„Ich, Herr— ich soll— ich muss für ihn"
Da hob in ihrem Ohr ein Liedl fein zu klingen an:
„Und gilt es mein jung jung Leben, Ich tät es freudig geben."
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„Nein,- ich kann es nimmermehr."
Verachten nur müßte er sein Leben um solchen Preis. Habt Erbarmen, laßt uns ziehen, arm will ich von dannen gehen, wie eine Bettelmagd—- o, laßt uns ziehen."
Darob lachte der König hohnvoll.
„Wenn weiße Rosen rot im Schnee erblühen, dann ist deines Liebsten Leben dir geschenkt, dann mögt ihr frei von dannen ziehen."
Weiße Rosen rot im Schnee?
Ach! Nimmer wird ihres Treugesellen Leben ihr zu eigen sein —.
Sie wollte schier verzweifeln vor Leid.
Als die Nacht Lärm und Geräusch und Regen wie müde Kinder zur Ruh gebracht, da klopfte es mit leisem Finger an des Waldhegers Tür. Und als er auftat, stand Mechthildis vor ihm.
„Was willst du, Tochter des Königs, der meines Sohnes Leben heischet?"
„Egbert retten, Vater!" Und als sie vor ihm in der Stube war sprach sie:
„Lehrt mich das Grabscheit führen."
„Willst du meinem Sohne das Grab an seiner Richtstatt bereiten?"
„Ich sagte Euch, ich will ihn retten. Höret! Der Turm, in welchem Egbert liegt, steht in einer wüsten Gegend; nur niedriges Gestrüpp hat sich umher den Boden zur Heimstatt erwählt. Tiefen Jammers voll, hab' ich die Mauern heut umfahen— hätten Steine Herzen, sie müßten weich geworden sein von meinen Tränen. Die Eisentür hab' ich gerüttelt mit aller Kraft, die mir zu eigen, sie blieb erbarmungslos, wie Egberts Kerkermeister.— Da huschte über meinen Fuß ein Mäuslein, ein hurtig Ding,- und es verschwand in einem schmalen Erdgange. Wie eine Erleuchtung, Vater, kam es über mich; hat eine schwache Maus die Erde unterwühlen können, vermag es auch ein Mensch.".
„Mechthildis— bei Gott— wir werden —"
„Wir? Ich werde das Mäuslein sein. Mir können sie nicht an das Leben, aber Euch. Hört weiter: Gestrüpp und Rasen wird den Eingang decken; ich werde, wo er sich befindet, eines Falken Feder, auf die Zweige stechen. Hält man mich auf, dann grabt Ihr weiter."-
„Ach, Eure meinen Hände vermögen nimmermehr so schwere Arbeit—"
„O, seid nicht bange. Als ich des Weges hierher geschritten, hab' ich Frau Minne angerufern in meiner Not. Sie kam, sie kräftigte mir diese beiden Hände — sie sind anjetzo mächtiger, denn alle Macht des Königs, glaubt Ihr das, Vater?"
„Ja. Aber dann, wenn es so weit gelungen?"
„Ich hab s bedacht. Nicht bösen Willens hat mein Bruder mich verraten. Er grämt sich sehr und wird mir gern sein schnellstes Ross, den Rappen, geben zur Flucht— und dann— dann ziehen wir weit fort selbander—", sie legte beide Arme um des Alten Nacken —, „so ketten wir uns aneinander—— lehrt mich das Grabscheit führen."
Da tat der Alte, wie sie ihm geheißen.
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Nun kam der Winter gegangen.
Er sandte seine flatternden, gaukelnden, seine stummen Vöglein voran, die Schneeflocken. Und tat noch milde, als wollte er bedeuten: Ei, seht, ich bin nicht so schlimm wie ihr glaubt.
Egbert lag auf hartem Boden in seinem kalken, dunklen Kerker.
Er dachte mit Kummer seines Vaters, mit wildem Schmerze an Mechthildis. Plötzlich wurde es hell, die Stufen seines Verließes herniederschritt, eine wonnigsüße Maid. Er sprang ihr entgegen, denn er vermeinte, es sei Mechthildis. Doch bald erkannte er seinen Irrtum und fragte, sich neigend:
„Was begehrt Ihr?"
„Dich zu retten, Jüngling. Ich habe deine Not vernommen, du tust mir leid und sollst nicht sterben. Werde mein Gemahl und du bist frei."
„Nimmermehr um solchen Preis", sprach Egbert fest.
„Und dein alter Vater?"
„Gott mög' ihn schützen," rief Egbert schmerzvoll aus, „er wird mir gewiß verzeihen. Ich kann nicht anders— geht!"
Da zerfloß die Gestalt in Nebel und Frau Minne stand vor ihm.
„Du bist treu, Egbert, nun zage nimmer!"
Sie verschwand; aber es wurde nie mehr kalt und dunkel in seinem Kerker— und Hoffen zog in seine Seele ein.
Einst pochte es mit harten Schlägen an die Mauer seines Kerkers; erst dumpf, dann lauter. War's die Erlösung, war's der Tod? In nächster Nacht vernahm er es wieder und ständig näher; es rieselte der Mörtel, er hörte eine Stimme, fern und fein, dann näher— nahe— Mechthildis' Stimme —. Und jubelnd gab er Antwort. Es lösten sich die Steine aus ihrem Festgefüge, fielen— und in der Mauerbresche sah er der Treuen sonnhaarig Haupt erscheinen.
„Geliebter, hier bin ich; nun rasch mir nach und ducke dich und schweige. Meines Bruders flinker Rappe harret oben— horch! Hörtest du nicht Hufschlag?"
„Es mag dein scharrend Rößlein sein Mechthildis, Retterin, wir sollen nimmer zagen!"
Es trug sich aber zu, dass in selbiger Nacht ein Jäger dem Herrn König solche Botschaft trug:
„Ich bin unfern des Turmes vorbeigegangen, in dem des Hegers Sohn liegt. Alldort ersah ich eine weiße Weibsgestalt, die hob ein Grabscheit drohend gegen Euer Schloß, o Herr— verschwand darauf jählings in der Erde. Eine Wunschmaid war sie— will es wetten. Sie mag Euch wohl nichts Gutes sinnen."
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Der König schöpfte Verdacht, doch anderen, denn sein Jäger. Er ging eilends nach seiner Tochter Gemach und als er solches leer fand, ließ er satteln und nahm den Weg zum Turm. Kuno, der um Mechthildis Beginnen wußte und ihr gern zu Hilfe war, ritt mit zur Seite des Vaters.
„Kuno, was nahmst du nicht dein schwarzes Pferd?"
„Vater, hier liegt ein Stein, nehmt Euer Tier in acht."
„Schon gut, mein Sohn", und weiter ging's im Trabe. Schon war, gleich einem schwarzen, finstern Riesen, der Turm in Sicht.
„Kuno, ist deine Mähre wund?"
„Ei, Vater, schauet, wie es schneit. Ihr müßt langsamer reiten, der Weg ist schlecht."
Da hielt der König sein Roß an:
„Kuno, wer reitet deinen Rappen?"
„Ach, Vater, seid barmherzig mit Mechthildis—"
Selbigen Augenblickes klang vom Turme her der Aufschlag eines Pferdes, vertönte gleich darauf im weichen Schnee.
„Ha, Verrat, drauf und dran!" schrie ergrimmt der König. Er spornte sein Roß zu wilder Hatz— kaum vermochte Kuno zu folgen.
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Er jagte edles Wild.
„O Gott, der König!" raunte entsetzt Mechthildis, da sie vom Rücken ihres Pferdes zurücksah.
„Mut, Mechthilde, wir sollen nimmer zagen. Nun, Rappe, laufe, du trägst zwei Leben!" ermunterte Egbert das wackere Roß. Hurtig griff es aus, aber es sank unter seiner Doppellast zu tief ein in den weichen Schnee. Näher kamen die Verfolger.
Nun streckte Mechthildis ihre Hände empor— sie waren wund vom Grabscheit— und rief:
„Jetzt, Minne, rette uns durch deine Zauberkraft: wie du in unsere Herzen die not- und todesstarke Treue hast gelegt, so lasse weiße Rosen rot im Schnee erblühen —!"
Und sieh!
Es wurde plötzlich lichtscheinig, als wenn der junge Morgen mit seinen Sonnenstrahlen den Wolkenschild durchbräche; über die weiße Flockendecke zitterte ein Atemwehen, als schlummere der Lenz dort unten; es schwang sich ein süßes Singen her über den schweigenden Wald.
Da tat Kuno einen hellen Schrei:
„Ei, Vater, haltet an. Aus den Hufschlägen meines Rappen erblühen Rosen, ein wenig weiß, ein wenig rot— Hurrah! Nun dürft Ihr meiner Schwester nimmer gram sein."
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Flugs war er aus dem Sattel.
Der mächtige König riss sein Tier herum und nahm bebender Hand die lieben, blassen Blüten, die ihm sein Sohn bot.
Dann neigte er sein stolzes Haupt; er sprach:
„Ich bin bezwungen.
Und deckt der Winter alle Pfade zu, dann mögen fürder diese Rosen die Wege weisen, so zwei in wundersamer Liebe nahmen."—
Meine Mär ist aus.-.
Bin heute durch den Winterwald geschritten mit meiner Mutter. Da blühten Schneerosen uns entgegen auf dem Wege, den wir gingen.
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