2. Teil
Hier gehts zum 1. Teil.
Hugo Walleitner (1909-1982) war ein Ischler Künstler, ein Autor und ein Opfer der Verfolgung homosexueller Menschen, der drei Jahre (1942-1945) im Kz Flossenbürg inhaftiert war. 1946 erschien sein Buch "Zebra" auch in der Zeitung "Neue Zeit" in fortlaufender Reihenfolge.
Andreas Schmoller: Hugo Walleitner
Präsentation der Beiträge des Gedächtnisbuches Oberösterreich 2021 u. 2022 im Schlossmuseum Linz, 19.5.2022. https://ku-linz.at/fileadmin/user_upl...
Zuerst möchte ich hier einige Spuren seines Lebens vorstellen.
Das Gast- und Kaffeehaus „De Santiago" in der Berggasse wurde von Herrn Mann, Weinhändler, als Pächter erworben und zu einem gemütlichen Weinstüberl umgewandelt, dessen Wandmalereien von dem einheimischen Autodidakten u. Maler Hugo Walleitner geschaffen wurden, der damit einen neuerlichen Beweis seines großen Könnens gegeben hat.
Das erste Gschnasfest.
Die Freiwillige Feuerwehr Bad Ischl veranstaltet am Samstag den 22. Februar in sämtlichen Kurhaussälen das erste Gschnasfest im Zeichen Prinz Karnevals.
Zwei Musikkapellen werden für Tanzmusik und Jazz sorgen. Die sehr abwechslungsreiche und humorvolle Saaldekoration stammt aus der Werkstätte von Hugo Walleitner, der seit Wochen die Riesenbilder in gigantischen Ausmaßen fertigstellt.
Es ist das Reinerträgnis zur Deckung der Kosten für die Motorspritze gedacht, so daß ein voller Erfolg zu wünschen ist.
Das erste Ischler Gschnasfest.
Wenn man am Samstag nachts die Menschenmassen betrachtete, die zum ersten Ischler Gschnasfest der Freiwilligen Feuerwehr in den Kurhaussälen erschienen waren, dann erkannte man, daß in diesen Tagen des Ernstes und der Lebenssorgen die Menschen bestrebt sind, wenigstens ein paar Stunden sich von den Kümmernissen des Tages zu befreien. Das vorbereitende Komitee mit Herrn Hauptmann Alois Stadler und dem Vorstand der Rettungsgesellschaft Herrn Kaufmann Holzhauer an der Spitze, hatte es sich angelegen sein lassen, das Fest zu einem Ereignis zu gestalten, das noch lange in angenehmster Erinnerung bleiben wird.
So große Räume, wie die Kurhaussäle zu dekorieren, ist keine geringe Aufgabe, wenn man jedoch Wenn man jedoch Kunstkräfte zur Verfügung hat, wie Hugo Walleitner und Albin Roth, dann kommt man über alle Schwierigkeiten hinweg.
Hugo Walleitner hat die 132 Seitenpfeiler an den Längswänden mit mächtigen Dekorationen versehen, die in wenigen Strichen eine ebenso eine witzige, wie künstlerische Wirkung erzielten. Aber auch Albin Roth hat mit der Dampferdekoration des Orchesters und mit Gasschutzkeller, Schnapsbude und mit verschiedenen kleineren Dekorationen hübsche und stimmungsvolle Teile der Dekoration geschaffen.
Unter den Ballgästen bemerkte man unter anderen Herrn Bürgermeister Johann Vogelhuber, Mitglied des Landtages Dr. Ludwig Koch, Primarius Dr. Thieß, Forstrad Ing. Patzak, u.v.a.
Man sah viele und teilweise sehr geschmackvolle Maskenkostüme und uunermüdlich wurde zu den Klängen der Bürgerkapelle getanzt.
Der Ball bewirkte aber mit seiner sonnig heiteren Atmosphäre auch insoferne Wunder, als mehrere Paare, die sich im Laufe des Jahres entzweit hatten, dort wieder zusammenfanden. Und das erste Ischler Gschnasfest hat das Sprichwort bewahrheitet, von der alten Liebe, die nicht rostet! Das frohe Treiben des Balles fand in der Bahnhofrestauration und im Cafe „Casino" noch seine Fortsetzung. Für die Feuerwehr dürfte bei dem Fest ein Reingewinn geblieben sein, der ihr sehr zu wünschen ist.
„Vom Wollen und vom Glauben" ein Gleichnis.
Im Selbstverlag des Verfassers Herrn Rechnungsrat i.R.H. Achleitner, Ortsführer des Heimatschutzes in Bad Ischl, ist in hübscher Ausstattung der Salzkammergut-Druckerei in Bad Ischl (Pächter: I. Maiwald) auf Kunstdruckpapier ein Merkblatt erschienen, das an die Führerworte vom „Wollen und vom Glauben" anknüpfend, den Lauf des Donaustromes mit der Aufwärtsentwicklung Österreichs vergleicht.
In freiem Rhythmus reihen sich die Worte aneinander, oft markig und wuchtig, oft lyrisch vermittelnd, ohne Effekthascherei, ohne Künstelei, hier hat ein heimattreues Herz den Pulsschlag des Lebens festgehalten.
Der Arbeit ist ein Bild von Linz nach einer Federzeichnung von Hugo Walleitner vorangesetzt. Das Werk ist zum Preise von 60 Groschen erhältlich und soll in allen Heimattreuen Kreisen Eingang finden.
Neugestaltung von Gaststätten in Bad Ischl.
Das im Besitz der BraubankAG. befindliche Gasthaus „Zum Sandwirt" wurde vollkommen adaptiert. Besonders gefallen dabei die Bilder aus dem Salzkammergut, die der heimische Maler Hugo Walleitner unter dem Malermeister Franz
Gruber herstellte.
Viel Gefallen fanden mit recht die schönen Werbeplakate für die Sportwoche von Hugo Walleitner, das Beste was man in dieser Art seit langen sehen konnte - ein schönes Talent hat sich da gezeigt.
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Von FRÖHLICH, Julius Bad Ischl, Patria 1947
Hochzeit
Kunstmaler Herr Hugo Walleitner aus Ischl und die Private Frl. Rosa Wimmer aus Schörfling.
Walleitner in der Wienbibliothek.
Jetzt der 2. Teil aus dem Buch Zebra.
Hier gehts zum 1. Teil
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Hier werden Zitate aus dem jeweiligen Kapitel veröffentlicht.
Die ganze Geschichte ist unter diesen Link zu finden:
Die Liquidierungen von englischen Offizieren und Fallschirmspringern, amerikanischen Offizieren und vermutlichen Agenten waren nicht mehr selten. Abends, bei absichtlich unbeleuchtetem Appellplatz, wurden solche SB-Transporte vornehmst von einigen SS-Führern empfangen. Ein Teil des Arrestbaues, der zur Aufnahme dieser Opfer diente, wurde in theatralischer Weise durch schönstes Tischgedeck, Stühle und Lautsprecheranlagen und dergleichen hergerichtet, ferner wurde auf diesem Bau besseres und ausgiebiges Essen ausgegeben, so daß der einzelne, der dorthin kam, gar nicht wissen konnte, daß er sich als Kriegsgefangener in einer Armensünderzelle befand.
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Mit übertriebener Freundlichkeit wurden solche Militärs in diese Fallen gelockt und am nächsten Morgen durch Genickschuß erledigt. Wir wußten selbst oft nicht, waren es vier oder zehn, am nächsten Tage sechzig oder achtzig, keiner konnte feststellen, was diese Meute hinten alles vollbrachte. Durch verläßliche Häftlinge des Krematoriums, wozu die SS ausschließlich Bibelforscher beschäftigte, weil es strenge gegen ihre Religionsvorschriften war, hatten wir teilweise Einsicht in den Massenmord. Durch den Schlot des Krematoriums wanderten viele tausend, arm und reich, aus allen Ständen und Nationen. Vor niemandem machten die Organe des Hitler-Faschismus halt.
Aus Wikipedia:
Die Geschichte der Zeugen Jehovas in der Zeit des Nationalsozialismus ist geprägt von den Konflikten mit den nationalsozialistischen Staatsorganen, unter anderem wegen ihrer Verweigerung des Kriegsdienstes und des Hitlergrußes. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Zeugen Jehovas (früher „Bibelforscher“ genannt) vor allem deswegen verfolgt.
Also war in seinem Falle, wie früher schon bei anderen Häftlingen, eine zwangsweise Scheidung heraufbeschworen worden. Der 27jährige Mann lebte mit seiner Frau und seinem Kinde stets glücklich und zufrieden und war als politischer Häftling ins KZ Flossenbürg eingeliefert worden. Die Idee dürfte von Reichsleiter Rosenberg oder anderen faschistischen Rechtsgelehrten stammen und dieser infernalische Plan wurde tatsächlich in unserem Konzentrationslager, vielleicht auch anderswo, durchgeführt.
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Im Brief brauchte nur angedeutet zu sein, daß neben den üblichen Bombenangriffen, Lebensmittelsorgen usw. die Frau dem Mann Vorwürfe machte, so entstand daraus, ohne Einsichtnahme des Häftlings in den Brief, ein Scheidungsantrag, wie ihn ein Advokat nicht besser hätte machen können. Der betreffende Häftling wurde am Morgen, anstatt zur Arbeit zu marschieren, zur Politischen Abteilung befohlen. Schlundermann, als Spezialist der Politischen Abteilung bekannt, hatte sich diese Opfer zur Behandlung persönlich vorbehalten.
Im Februar 1941 kommt Schlundermann zum Dienst in das KZ Flossenbürg.
Zunächst ist er in den Wachmannschaften eingesetzt.
Ende 1942 wird er in die Politische Abteilung übernommen und leitet von 1943 bis Kriegsende das Kommandantur-Standesamt. Er wird von den Häftlingen als brutal beschrieben.
Nach dem Krieg lebt Schlundermann unbehelligt zuerst in Paderborn, später in Iserlohn.
„Also, das muß direkt eine Krankheit sein, daß sich eure Frauen so gern scheiden lassen wollen", leitete er das Verhör in diesem Falle ein.
Was der politische Grund dieses unerhörten Eingriffes in die Menschenrechte war, ist heute klar auf der Hand liegend. Nach dem Naziwahne, dem Staate möglichst viele Kinder zu zeugen, sollten diese Frauen von Häftlingen, die zu politischen oder Berufsverbrechern gestempelt wurden, für ihresgleichen freigemacht werden.
Nur in ganz wenigen Einzelfällen wagten es solche, genauere Angaben und die volle Wahrheit zu sagen, ebenfalls unter der gewaltigen Suggestion dieses furchtbarsten Terrors, den es je auf der Welt gab. Um so wertvoller ist die Leistung einiger tapferer Häftlinge zu schätzen, die, wie zum Beispiel in Auschwitz, sogar durch Geheimsender das Ausland davon in Kenntnis setzten, was in diesen chaotischen Verbannungslagern des Hitler-Faschismus für Verbrechen an der Menschheit begangen worden sind.
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Als ich dann näher kam. lachte diese Bestie noch zu einer gerade das Lagertor passierenden SS-Maid, die ganz kühl und trocken zu ihm sagte: „Ist er wenigstens kaputt?"
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Baumgartner befahl dem Arzt unter irgendeinem Vorwand eine von ihm ausgesuchte ungefähr 25 jährige Frau, welche Jüdin war und bei einer Visite über Unterleibsschmerzen klagte, zu operieren und ihn Zusehen zu lassen.
Im Frühjahr 1940 kommt Baumgartner als Adjutant zum KZ Flossenbürg. Baumgartner ist maßgeblich an Verbrechen beteiligt. Eine Knieverletzung verhindert seinen Fronteinsatz. Bis zum Kriegsende ist er in Flossenbürg. Dann taucht er unter und gilt seitdem als verschollen.
Sie wurde unter furchtbaren Qualen und Schmerzen im Beisein des Adjutanten von dem vertierten und selten nüchternen Arzt ohne wirksame Narkose operiert und starb eine Stunde nachher an den Folgen dieser Prozedur. Diesem weiblichen Häftling wurde also im Auftrage des Adjutanten der Uterus herausoperiert, um die Neugierde der Lüstlinge zu befriedigen.
Einige Optimisten ließen uns ja von Monat zu Monat die hoffnungsvollsten Parolen und manchmal bestätigten Nachrichten zukommen, die die Arbeit und das Leben vielen Gleichgesinnten erleichterten. Ich denke dabei besonders an Richard Holy aus Wien, einem der wenigen politischen Häftlinge, der eine Capostelle fast dauernd inne hatte und als guter Arbeiter und strammer Kämpfer für ein freies Österreich viele schwere Jahre in Mauthausen und Floßenbürg mitmachen mußte.
Von der Webseite von: Verein Eisenbahnerheim - Zentrum 166 - Das Archiv der Eisenbahner
Viele EisenbahnerInnen waren aber auch maßgeblich am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Zwischen 1938 und 1945 wurden 1.635 kommunistische, sozialdemokratische und christliche EisenbahnerInnen dem NS-Terrorapparat in die Hände. 311 von ihnen wurden hingerichtet.
Eines der Zentren des Widerstandes der Eisenbahner war die Eisenbahnhauptwerkstätte in Wien Simmering. Es handelte sich um eine gut organsierte und starke Widerstandsgruppe, aus der 17 Aktivisten verhaftet wurden. Zehn Mitarbeiter von ihnen wurden Opfer des Nationalsozialismus:
Karl Alberstetter, Josef Bischof, Richard Holy, Rudolf Marsik, Karl Medwed, Wilhelm Pfeiler, Ferdinand Picka, Aldadar Schlesinger, Jarolin Tesar und Otto Wehofschitz.
Sie wurden entweder im Wiener Landesgericht hingerichtet, in NS-Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet oder starben an den Folgen den unmenschlichen Haftbedingungen.
Einige Tage später gab es Großalarm. Da sehr schönes Wetter und vollkommen klarer Himmel war, konnte man die sehr hoch fliegenden Feindverbände kaum sehen, nur ein Schwall regelmäßig ausgerichteter Kondensstreifen, die das blaue Firmament kreuzten, ließen die im Glanz der Sonne silbern erleuchteten Bomber leicht erkennen. Lange schwirrten sie Welle auf Welle dröhnend über das Lager und alles war still und sah begeistert das seltsame Schauspiel. Alarm hatten wir ja öfters, doch meistens nur nachts.
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Der deutsche „Erfindungsgeist" konnte nicht mit dem der Feindmächte Schritt halten, da sich die Organisation in der Hauptsache einer verlogenen Propaganda und dem Volksbetrug widmen mußte. So wie unser Geist im Lager, durch die Ereignisse des Alltags vor dem unmittelbaren Zusammenbruch hell erleuchtet, immer mehr Zuversicht auf die nahe Befreiung gewann, so hatte auch die breite Masse des Volkes bereits innerlich erkannt, daß der Karren verfahren war und das Ende mit Schrecken nahe, was aber immerhin besser als ein Schrecken ohne Ende sei.
Jeden Tag standen solche arme, dem Hungertode geweihte männliche und weibliche Häftlinge am Stacheldrahtzaun und bettelten um Almosen.
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Nikolay Nowodarow, mein Tischnachbar, war eben im Begriffe, einigen alten Bekannten aus dem Kreise der kriegsgefangenen Kameraden einige Aufklärungen zu geben, die zur Verhütung der Uneinigkeiten im Lager dienen sollten, als gerade ein neuer Blockführer ganz unverhofft den Tagesraum des Blocks 2 betreten hatte.
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Bei der Vernehmung des sonst nicht vorlauten russischen Leutnants, dem Towarish des Obersten, kam es nun zu einer lebensgefährlichen Szene. Der SS-Mann hielt diesem seinen vorher geladenen Revolver an die Schläfe. Er war erst achtzehneinhalb Jahre alt und hatte eigentlich noch ein kindliches Aussehen. Wahrscheinlich glaubte der SS-Blockführer, Positives erpressen zu können und ihn zur Aussage des Gewünschten zu zwingen. Der Leutnant konnte etwas deutsch sprechen und sagte wörtlich zum Erstaunen aller im Tagesraum anwesenden Häftlinge: „Ich werde nicht den Mund öffnen, solange Sie mir dies Ding an die Schläfe halten!" Tatsächlich reagierte der vor Zorn etwas rot gewordene SS-Mann auf diesen Wunsch und steckte sein Schießeisen in die Pistolentasche. Trotzdem erwiderte der junge Leutnant auf eine weitere dringliche Fragestellung, die durch Kreuzfragen des Vorarbeiters unterstützt wurden, wieder halsstarrig: „Wenn Sie wünschen, daß ich Ihnen überhaupt Rede stehe, müssen Sie Ihren Ton gütigst etwas ändern!" Daraufhin fuhr der SS-Mann wildschnaubend und entsetzt auf und stieß dem Gefragten mit dem Stiefel zwischen die Beine, daß dieser zusammenbrach. Vom Vorarbeiter verlangte er einige Nummern und Namen aufzuschreiben und schließlich gab er seine Neugierde an der belanglosen Sache doch auf und ließ uns abtreten.
Aus dem Arolsen Archiv:
Von Stein und Nowadrow, Nikolaj hatten die Haare nicht abgeschnitten. Nowadrow pflegte die Pferde der SS, worin er Experte war.
Auf dieser Webseite der UNI-Oldenburg findet sich auf Seite 29 unter dem Kapitel: Zusammenarbeit mit den sowjetischen Genossen, einiges Über Nikolay Nowodarow.
z.B.:
Die besondere Stellung als Kapo erleichterte es N. Nowodarow, die illegalen Verbindungen zu den deutschen und österreichischen Kommunisten aufrechtzuerhalten. Diese Verbindungen erwähnt N. Nowodarow in einem Brief an Albert Buchmann vom 4.9.1959. Das erschütternde Dokument hat folgenden Wortlaut:
"Ich erinnere mich an den Winter 1943/44. Auf dem Platz des K.L. Flossenbürg wurde vor unseren Augen das Urteil der Hitlerfaschisten vollstreckt und einige unserer Genossen erhängt. Unter den zum Tode Verurteilten waren Russen, Tschechen, Polen und Deutsche.
Schnee wirbelte in der frostigen Luft. Ein scharfer Wind fuhr durch unsere leichte Sträflingskleidung und traf bis ins Herz. Wir standen barhäuptig und vor unseren Augen waren grausam die Galgen errichtet mit den im Wind flatternden Schlingen.
Du, der deutsche Kommunist, Leiter des illegalen antifaschistischen Lagerkomitees, Albert Buchmann, standest neben mir, einem sowjetischen Offizier. Wir waren erschöpft, aber in unseren Augen leuchtete damals der von Herzen kommende Haß gegen die tollwütigen Henker. Trotz alledem glaubten wir an die lichte Zukunft. Aber dann kamen die Verurteilten.
Sie gingen mutig, barfuß und in Unterbekleidung bei der schneidenden Kälte. Ihre Hände waren gefesselt, aber sie stützten sich gegenseitig mit den Schultern und ihren Körpern. Als der Oberhenker, Hauptsturmführer der SS, Frit(z)sch (Spitzname 'Stäubchen') das Urteil, Tod durch Erhängen, verkündete, und noch bevor die Klötze unter den Füßen der Verurteilten fortgestoßen wurden, schrie einer der russischen Jugendlichen vom Schafott aus: 'Wir sterben für unsere gemeinsame Sache, vergeßt nicht...'
Der Klotz wurde weggestoßen und er blieb in konvulsivischen Zuckungen in der Luft hängen.
Ich erinnere mich, Du hattest meine Hand genommen und sie gedrückt und sagtest leise, aber fest: 'Wir vergessen es nie, Nikolai, bestimmt nicht.' Ich habe Dir, Albert, ebenso geantwortet.
Bald nach der Hinrichtung sind wir zusammengekommen auf einer Beratung der Mitglieder des illegalen antifaschistischen Lagerkomitees, an der außer uns noch teilnahmen Karl Fischer, Hans Dürmeier (Heinz Dürmayer, d. Verf.), Georg Briem (Brehm, d. Verf.) und andere, deren Namen ich leider schon vergessen habe. Wir haben uns damals geschworen, daß wir eines Tages auf dem Platz, wo das Krematorium stand, das so viele Menschenleben geschluckt hat, einen Obelisken aufstellen werden, der den Menschen das alles ins Gedächtnis ruft und ihnen sagen wird: Das soll sich niemals mehr wiederholen!"
An einem schlechten, klatschigen Februarmorgen— wir arbeiteten ungefähr zwei Stunden— ertönte die Alarmsirene. Ein langer, heulender Ton, der bis in den Steinbruch hörbar war. Wir sahen die SS-Blockführer aus dem Jourhaus stürzen. Die Truppen der inneren Wache zogen eilig auf, Befehle erschallten, alles verschwand im Eilschritt in Richtung Munitionsbunker in den nahen Wald. Hundeführer mit ihren gegen uns gehetzten wilden Bestien rannten hinterher. Etwas war geschehen! Aber was? Ich war gerade in der Tischlerwerkstätte bei Richard und wir sahen von seinem Schreibtisch aus gut den gefechtsartigen Aufmarsch der SS-Totenkopfmannschaften. Vielleicht war ein Gefangener entflohen? Aber warum denn dann all dieser Massenaufwand an Verfolgern?
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Zwei Polen und ein Deutscher versuchten nachts, mit Drahtscheren und Zangen versehen, auf der günstigen waldnahen Nordostseite des Lagers zu entkommen. Tatsächlich mußten die Posten der Türme 4 und 5 geschlafen haben, denn sie entkamen. Aber das Schicksal trieb auch sie wieder in die Klauen der SS. Nach ihrer Rückkehr stellte man sie am Appellplatz unter den Klängen der Musikkapelle in Narrenkleidern und mit der üblichen großen Tafel versehen, auf einen Tisch, wo sie bis spät abends stehen mußten. Auf der Tafel stand: „Hurra, Hurra, wir sind wieder da!" Diese Tafel mußte ich in drei Sprachen in großen Lettern schreiben und bekam zwei Kinnhaken vom Schutzhaftlagerführer, weil ich nicht schnell genug damit fertig wurde. Die beiden Polen wurden zehn Tage später am Appellplatz öffentlich durch den Strang hingerichtet, der Deutsche nach Gusen bei Mauthausen zu einer Sonderstrafabteilung geschickt.
Schließlich hieß es eines Tages „Alle Deutschen antreten!" Wir waren ungefähr 800 Mann. Es war ein schöner Sonntagmorgen, für 8 Uhr waren wir auf den Appellplatz befohlen. Alle möglichen Latrinengerüchte kursierten durch die Blöcke und Lagerstraßen. Endlich gegen 9 Uhr kam der Rapportführer und ließ uns durch den Lagerältesten in Fünferreihen auf den Platz vor dem Dienstgebäude außerhalb des Schutzhaftlagers marschieren. Dort stand bereits in Galauniform der affektierte Adjudant und der sudetendeutsche übereifrige Rapportführer. Von den Fenstern des SS-Dienstgebäudes gafften und staunten einige neugierige SS-Maiden, Blitzmädels und SS-Mannschaften über unser strammes Aufmarschieren. „Achtung, Häftlinge, Mützen ab!" rief der Lagerälteste und meldete dem Adjutanten die Zahl der angetretenen deutschen Häftlinge. Vom Tor des Dienstgebäudes kam nun der Kommandant, ebenfalls in großem Dienstanzug. Er hielt eine kurze Rede, in der er nun besonders hervorhob, daß wir durch willige Arbeitsleistungen, guten Willen und strammes Verhalten ihm gezeigt hätten, daß wir Männer deutschen Blutes seien und schließlich auch wissen müßten, daß wir für unser Vaterland, da es nun von allen Seiten bedroht sei, einstehen müßten. Es sei uns alles gestrichen, mancher, der früher im Leben gestrauchelt war, habe hier bewiesen, daß er wieder als würdiges Mitglied in die Volksgemeinschaft aufgenommen werden könnte und er sei beauftragt, uns mitzuteilen, daß wir ab heute keine Häftlinge mehr wären. Wer nicht für ihn und für das Vaterland sei, könne jetzt noch austreten, da es Schweine überall gebe. Die Gedienten würden nun auf einer Liste verzeichnet werden, sagte er zum Adjutanten, und der Rest solle laufend zur Ausbildung herangezogen werden. Nach dieser Rede marschierten wir mit recht gemischten Gefühlen wieder ins Lager zurück. Im Lager waren alle Ausländer schon sehr gespannt, was los war, sie durften die Baracken nicht verlassen und glaubten schon an allerlei Unfug, den die SS mit ihnen vorhätte.
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Der Kommandant sagte jedoch einleitend in seiner Rede: „Wer an die Gerüchte glaubt, die im Lager angeblich kursieren, daß ihr umgelegt werdet, der irrt! Deutsches Blut ist uns viel zu wertvoll und kostbar! Und was mit den Russen, Tschechen, Franzosen und anderen Ausländern geschieht, weiß ich noch nicht, jedenfalls wird niemand umgelegt." In dieser heuchlerischen Weise hatte er zirka eine halbe Stunde an uns Deutsche, die wir jahrelang nur Nummern in dem sogenannten deutschen Kulturstaat waren, einen Werbevortrag gehalten. Die Gedienten, gleichgültig ob alt oder jung, wurden nun ihrer von der Gestapo begründeten Vorbeugungs- oder Schutzhaft entbunden. auf ihren gegenwärtigen Gesundheitszustand untersucht und zur sogenannten Lagerpolizei eingeteilt.
Drei Tage brannten im SS-Lager an allen Ecken und Enden Feuer, umgeben von abgehetzten SS-Führern und -Unterführern, die die in ihren tausenden Akten aufgezeichneten Schandtaten den Flammen übergaben. Peitschen, Ochsenziemer, Gummiknüppel und Häftlingskartei, alles mußte im Eiltempo zum Krematorium gebracht werden. Was nützt dies alles, sagten wir uns, die größte Schande der Weltgeschichte läßt sich durch Verbrennen doch nicht aus der Welt schaffen.
Als ich, heimkehrend, in die Nähe des Salzkammergutes fuhr, leuchtete mir im rötlichen Abendschimmer die herrliche Silhouette des Traunsteins entgegen, ein unvergleichlich schönerer Anblick als die Ruine Flossenbürg. Ich machte eine kurze Rast. Glücklich lauschte ich einem Zufallsspiel der stolzen Schwäne am glattspiegelnden Traunsee und fühlte wie nie zuvor erst hier die große herrliche Freiheit in der schönen Natur.
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Gottlob ist in meiner engeren Heimat von den Kriegsgreueln verhältnismäßig wenig zu sehen, umsomehr haben aber gerade die Bewohner unseres schönen Landstriches die Pflicht, Sorge zu tragen, daß wir nie wieder in eine Barbarei, wo derlei möglich gewesen ist, verfallen. Es gibt eben nur ein anständiges Mitarbeiten für den neuen österreichischen Staat. Ich selbst habe es als meine moralische Pflicht erachtet, durch Aufzeichnung dieses Tatsachenberichtes der Mitwelt Kenntnis zu geben von dem sadistischen Terror, der uns beherrschte, und ich hoffe, daß alle meine Mitbürger von der Irrlehre geheilt werden; denn eine solche Kulturschande darf nie wieder die Menschheit beflecken.
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